An seinem Grab in Ankara hat eine Gedenkveranstaltung für Erdal Eren stattgefunden. Der Schüler wurde in der Türkei zum Symbol des Kampfes gegen die Militärdiktatur, als er 1980 als 17-Jähriger gehängt wurde.
An seinem Grab in Ankara ist Erdal Eren und seinen Freunden Sinan Suner und Ercan Koca gedacht worden. Eren wurde in der Türkei zum Symbol des Kampfes gegen die Militärdiktatur, als er 1980 als 17-Jähriger gehängt wurde. Der Berufsfachschüler war Mitglied der revolutionären Jugendvereinigung Yurtsever Devrimci Gençlik Derneği. Am 2. Februar 1980 nahm er an einer Demonstration gegen den Tod seines Freundes Sinan Suner, einem Studenten an der Technischen Universität des Nahen Ostens (Orta Doğu Teknik Üniversitesi) teil. Suner war zwei Tage zuvor von einem Leibwächter des MHP-Abgeordneten Cengiz Gökçek erschossen worden. Es kam zu einem Schusswechsel zwischen Demonstranten und Militärpolizei (Jandarma), bei dem ein 19-jähriger Wehrdienstleistender getötet wurde. Undurchsichtige Ermittlungen verwiesen auf Eren als Täter, der in einen Garten geflüchtet war. Als vermeintlicher Schütze wurde er mit 23 weiteren Personen festgenommen und im selben Jahr zum Tode verurteilt. Der Putschist Kenan Evren kommentierte das Urteil mit dem Ausspruch: „Sollen wir ihn etwa nicht hängen und dann durchfüttern?“
Erdal Eren bei seiner Gerichtsverhandlung, März 1980
Ercan Koca, der am 13. Dezember 1980, dem Tag, an dem die Todesstrafe gegen Erdal Eren durch den Strang vollzogen wurde, aus Protest dagegen beim Plakatieren erwischt und festgenommen worden war, starb zwei Tage später an schweren Verletzungen. Sie waren ihm im Polizeigewahrsam durch Folter zugefügt worden.
Dass Erdal Eren geschossen hat, wurde nie nachgewiesen. Zekeriya Önge, das Opfer, sei laut Urteilsfindung in den Rücken getroffen worden, Eren habe aber von vorn geschossen. Der damalige Anwalt Erens wies auf weitere zahlreiche Ungereimtheiten hin. Vor allem der Autopsiebefund passte nicht zum mutmaßlichen Hergang, denn Zekeriya Önge sei aus nächster Nähe erschossen worden, obwohl die Entfernung zwischen Eren und ihm 12,5 Meter betragen haben soll. Außerdem sei die Schussbahn der Position Erens entgegengesetzt gewesen. Es sei auch nicht forensisch geklärt worden, ob die Kugel überhaupt aus Erens Waffe stammte.
An der Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof Karşıyaka nahmen heute viele Menschen teil. Unter den Anwesenden waren neben Erens Bruder Erkan Eren, Kocas Schwester Rezzan Koca Tik und weiteren Angehörigen die EMEP-Vorsitzende Selma Gürkan, der Vorsitzende der 78er-Initiative in Ankara Hüseyin Esentürk und Hunderte weitere Menschen -insbesondere viele junge Aktivist*innen und Gewerkschafter*innen.
Selma Gürkan: Mentalität von damals stellt heute Regierung
Selma Gürkan wies in einer bewegenden Rede darauf hin, dass die Mentalität, die vor 39 Jahren das Todesurteil für Erdal Eren aussprach, heute ihre Existenz fortsetze. „Die faschistische Junta-Diktatur von damals lebt im Geist der jetzigen AKP-Regierung weiter. Wie bereits vor vier Jahrzehnten soll jede Person, die sich gegen das System erhebt, zum Schweigen gebracht werden. Indem die progressiven Teile der Gesellschaft, die Arbeiter*innen als kämpfende Klasse, Repression und Despotismus ausgesetzt werden, alle Gruppen, die sich für Demokratie, Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung einsetzen, zum Abschuss freigegeben werden, soll eine ganze Gesellschaft ausgeschaltet werden. So war es gestern, und so ist es auch heute. Unser Kampf aber geht weiter.“[1]