Der kurdische Kampf um Selbstbestimmung reicht bis ins osmanische Reich und die Zeit des Widerstands gegen britische Herrschaft zurück. Über Jahrzehnte hinweg kämpften Kurden im Irak für ihre grundlegenden Menschenrechte und die lange versprochene Autonomie. Mit der Machtergreifung des Baath Regimes 1968 und dem Scheitern des März Abkommens im Jahr 1970, das den Kurden weitreichende Autonomie eingeräumt hätte, erreichte der kurdische Befreiungskampf einen neuen Höhepunkt.
Der Iran-Irak Krieg (1980-1988) und das daraus resultierende Sicherheitsvakuum sowie Unterstützung von iranischer Seite ließen die kurdische Bewegung weiter anwachsen. Das Baath Regime unter Saddam Hussein reagierte daraufhin mit unvorstellbaren Gräueltaten – ein systematischer Feldzug gegen die Kurden im Irak folgte.
In mehreren Wellen organisierte das Regime Deportationen, willkürliche Verhaftungen, Massenhinrichtungen sowie die Zerstörung ganzer Dörfer und ordnete die Verwendung chemischer Waffen an, um gegen den kurdischen Widerstand, inklusive der Peshmerga (kurdische Freiheitskämpfer) vorzugehen. Der Genozid an der kurdischen Bevölkerung Iraks erreichte mit dem Giftgansangriff auf Halabja und der darauf folgenden Anfal Kampagne, die Vertreibung, Zerstörung und die Auslöschung eines ganzen Volkes zum Ziel hatte, seinen Höhepunkt. Zwischen den ersten systematischen Morden in den frühen 1980er Jahren und dem Ende der Anfal Kampagne wurden hunderttausende Kurden vom Regime getötet. Viele mehr wurden von aus ihren Häusern und ihrer Heimat vertrieben..
Die Anfangsphase
Eine der ersten systematischen Kampagnen des Baath Regimes gegen irakische Kurden bestand aus Angriffen auf Failis, schiitische Kurden. Während der 1970er und 1980er Jahre wurden zahlreiche Failis aus Bagdad vertrieben und an die iranische Grenze gebracht. Nicht nur verloren sie ihr gesamtes Hab und Gut sondern auch ihre irakische Staatsbürgerschaft und alle damit assoziierten Rechte. Männliche Failis im Alter von 18 bis 55 wurden zudem Opfer willkürlicher Verhaftungen und wurden vom Regime in Gefängnisse rund um Irak deportiert. Zahlreiche Failis fielen außerdem Angriffen mit Bio- und Chemiewaffen zum Opfer und Studien gehen davon aus, dass Personen oftmals lebendig begraben wurden. Es wird vermutet, dass etwa 13,000 bis 30,000 Failis unter den Angriffen des Regimes zu Tode kamen.
Während des Iran-Irak Krieges erreichten die Gräueltaten gegen irakische Kurden einen neuen Höhepunkt. Inmitten der Kriegswirren unterstützen iranische Truppen den kurdischen Widerstand gegen das irakische Baath Regime. Gemeinsam mit iranischen Streitkräften wurde 1983 die Stadt Hajj Umran im Nordirak eingenommen. Im Juli und August 1983 antwortete die irakische Armee hierauf mit der Vertreibung von tausenden Familien des Barzani Stammes in Flüchtlingslager im Norden und Süden des Irak. Rund 8,000 Männer und Jungen wurden von ihren Familien getrennt und kehrten nie wieder zurück. Nach dem Sturz des Baath Regime wurden hunderte der „verschwundenen“ Barzanis in Massengräbern im Süden des Irak gefunden. Die meisten Opfer bleiben jedoch bis heute verschollen. Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch ereilte viele Kurden in den darauffolgenden Jahren ein ähnliches Schicksal.
1987 ernannte Saddam Hussein seinen Cousin Ali Hassan al-Majid zum Generalsekretär für den gesamten Nordirak und überließ ihm damit die Kontrolle über sämtliche staatliche Einrichtungen, so auch die Armee und alle Einsätze gegen kurdische Peshmerga. Kurz nach seiner Ernennung ordnete al-Majid, der später unter dem Namen „Chemie-Ali“ bekannt wurde, die Verwendung von Giftgas auf ländliche kurdische Gebiete an. Vor allem jene Gegenden, die als Wohnstätten von Peshmerga bekannt waren, sollten angegriffen werden.
Während die exponierteren Dörfer schon im Frühsommer des Jahres 1987 zerstört worden waren, gelang es den irakischen Truppen nur schwer in die höher gelegenen Berge und Täler vorzudringen. Um auch diese abgelegenen Gebiete zu erreichen, erließ man Anordnung SF/4008, welche die kurdischen Dörfer zu „verbotenen Zonen“ erklärte. Artikel 4 der Anordnung hielt die Armee ausdrücklich dazu an, “[…] wahllose Bombardements mit Artillerie, Helikoptern und Flugzeugen zu allen Zeiten Tag oder Nacht durchzuführen, um die größtmögliche Anzahl von Personen in den ‚verbotenen Zonen‘ zu töten“ In Artikel 5 hieß es: “Alle Personen, die in diesen Dörfern gefasst werden, müssen von den Sicherheitskräften verhaftet und verhört werden und alle zwischen 15 und 77 Jahren müssen nach der Extrahierung aller nützlichen Informationen hingerichtet werden […]“.
Mit dieser neuen Gesetzgebung verwandelten sich ganze Dörfer, bewohnt von Peshmerga aber auch von Zivilisten, in Todeszonen. Die neue Bedrohung betraf vor allem die männliche Bevölkerung, wie eine weitere Anordnung von September 1987 zeigt: “Die Abschiebung von Familien in Gebiete, wo ihre Saboteur-Verwandten sind muss begonnen werden. Ausgenommen sind Männer im Alten zwischen 12 und 50, welche verhaftet werden müssen.“ Um weiteren Druck auf die kurdische Bevölkerung zu erzeugen, wurden die Dörfer von jeglicher Versorgung abgeschnitten und ihre Bewohner in Lager im Süden des Irak deportiert.
1988 gipfelte der Feldzug gegen irakische Kurden in der Anfal Kampagne, durch welche tausende kurdische Zivilisten und Peshmerga ihr Leben verloren.
#Anfal# Kampagne
Anfal bedeutet übersetzt „Kriegsbeute“ und bezieht sich auf die achte Sure des Koran, welche eine strategische Kriegshandlung gegen Ungläubige beschreibt. Das irakische Baath Regime nutzte diesen Namen für eine systematische Vernichtungsaktion gegen Kurden, die zwischen dem 23. Februar und dem 6. September 1988 stattfand.
Die Anfal Kampagne wurde in den letzten Zügen des Iran-Irak Krieges von Ali Hassan Al-Majid angeordnet und in acht Phasen organisiert:
Phase 1: 23. Februar – 19. März 1988, Bezirk Dollee Jaffayeti
Phase 2: 22. März – 1. April 1988, Bezirk Karadagh
Phase 3: 7. April – 20. April 1988, Bezirk Garmeyan
Phase 4: 3. Mai – 8. Mai 1988, Bezirk Hawze Zey Bichok
Phasen 5, 6, und 7: 15. Mai – 26. August, Bezirk Shaqlawa und Rewandiz
Phase 8: 25. August – 6. September 1988, Bezirk Bahdinan
Jede der einzelnen Phasen zeichnete sich durch militärische Angriffe der irakischen Armee, durchgehende Bombardierungen, Giftgasangriffe, Deportationen, Vertreibungen und Verhaftungen von Personen in Verbotszonen sowie die Zerstörung ganzer Dörfer und Vernichtung von Gemeinschaften aus.
Obwohl hauptsächlich die kurdische Bevölkerung des Irak von der Kampagne betroffen war, fielen ihr auch andere ethnische Gruppen, wie etwa Schabak, Yesiden, Assyrer, Turkmenen und Mandäer zum Opfer. Schätzungen gehen davon aus, dass während der Anfal Kampagne insgesamt über 4,000 Dörfer und Städte ausgelöscht und 182,000 Kurden getötet wurden. Zurück blieben mehr als 100,000 Witwen und eine noch größere Anzahl an Waisenkindern.
$Halabja$
Traurige Bekanntheit erlangte der grausame Giftgasangriff auf die Stadt Halabja vom 16. März 1988, der auch als „Blutiger Freitag“ bekannt wurde. Offiziell nicht ein Bestandteil der Anfal Kampagne, war der Giftgansangriff auf Halabja doch ein Teil des vom Baath Regime geplanten Völkermordes an der kurdischen Bevölkerung des Irak. Der Angriff wirkte sich unmittelbar auf die kurdische Widerstandsbewegung aus und ebnete den Weg für die weiteren Phasen der Anfal Kampagne, die noch bis September des Jahres 1988 andauern sollte.
Inmitten des Iran-Irak Krieges wurde eine neue Front in der Nähe der Stadt Halabja eröffnet. Am 15. März 1988 war die Stadt zur Gänze in der Hand kurdischer Truppen. Einen Tag später konterten irakische Streitkräfte mit Giftgasangriffen, bei denen Senfgas und andere Nervengase gegen die Bevölkerung zum Einsatz kamen. Da sich die Peshmerga größtenteils in den umliegenden Gebirgsgegenden aufhielten, fielen dem grausamen Angriff auf Halabja vor allem in der Stadt lebende Frauen, Kinder und ältere Personen zum Opfer. Mehr als 5,000 Personen wurden getötet, 7,000 schwer verletzt. Während vorherige Angriffe der irakischen Armee vor allem gegen Peshmerga gerichtet waren, zielte die Halabja-Attacke direkt auf Zivilisten.
Laut Human Rights Watch waren mehr als 250 kurdische Städte und Dörfer Giftgasangriffen ausgesetzt. Bis heute ist der Angriff auf Halabja der größte Giftgasanschlag auf eine zivile Bevölkerung in der Geschichte. Viele Opfer und ihre Nachkommen leiden noch heute nicht nur unter den psychologischen Folgen des Angriffs sondern vor allem auch unter Krankheiten, wie Leukämie und anderen Krebsarten, Geburtsfehlern, Nervenlähmungen oder Atemwegserkrankungen.
$Eine persönliche Geschichte über Halabja$
Viele Opfer und ihre Kinder leiden bis heute an Krankheiten wie Leukämie und anderen Krebsformen, Geburtsdefekten, Nervenlähmungen oder Atemwegserkrankungen, Hautdefekten und psychischen Traumata. Für die überwiegende Mehrheit der Opfer war eine adäquate medizinische Behandlung innerhalb des Iraks nicht möglich.Kayvan war einer der wenigen Überlebenden, der im Ausland behandelt wurde. Professor Dr. Gerhad Freilinger, Spezialist der plastisch-rekonstruktiven Chirurgie, behandelte vier Opfer des Giftgasangriffs aus Halabja in Wien, darunter auch Kayvan. Dies ist die Geschichte von Dr. Freilinger und Kayvan.
Internationale Medienberichterstattung zu den Giftgasangriffen in Halabja
Die Bilder der Opfer des Giftgasanschlages auf die kurdische Stadt Halabja am 16. März 1988 gingen um die Welt. Internationale Medien, darunter auch österreichische Zeitungen, berichteten über diesen traurigen Höhepunkt der Gräueltaten des Regimes Saddam Husseins gegen die kurdische Bevölkerung. Das wahre Ausmaß des Anschlages und seine Konsequenzen wurden jedoch erst im Laufe der folgenden Monate und Jahre bekannt.
Nachfolgend finden Sie ausgewählte Links und eine Galerie zur Berichterstattung über Halabja der vergangenen 26 Jahre. Die Medienberichte setzen sich mit dem Anschlag selbst, der Frage der rechtlichen Verantwortung und dem bis heute andauernden Prozess der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels kurdischer Geschichte auseinander.
Tagesspiegel, 13.04.2013: Brennende Luft
Südostschweiz, 18.03.2013: Getötet, weil wir Kurden sind
Springer Medizin, 03.03.2013: Es war Völkermord
Aargauerzeitung, 18.03.2013: Chemieprofessor: Saddam wollte uns vernichten
Human Rights Watch, Juli 1993: Genocide in Iraq – The Anfal Campaign Against the Kurds
Human Rights Watch, 10.03.1991: Whatever Happened To The Iraqi Kurds?
Der Spiegel, 04.04.1988: Golfkrieg: Gas auf Großstädte?
Die Zeit, 01.04.1988: Lautloser Tod
Ö1 Mittagsjournal, 31.03.1988: Augenzeuge Michael Wrase über Halabdscha – Vergasung (von Minute 36:00-43:40)
The New York Times, 24.03.1988: Iran charges Iraq with Gas Attack
Die Folgen
Um den Angriffen der Anfal Kampagne zu entkommen, flohen zehntausende Menschen über die Berge in die Türkei und den Iran. Am 6. September 1988 erließ die irakische Regierung mit Dekret 736 eine „generelle und umfassende Amnestie für alle irakischen Kurden (…) sowohl innerhalb als auch außerhalb des Irak“. Zahlreiche kurdische Flüchtlinge kehrten daraufhin aus dem Exil zurück. Dennoch blieb die kurdische Bevölkerung unter völliger Kontrolle des Regimes. Verschiedene Berichte gehen davon aus, dass zahlreiche zurückgekehrte Flüchtlinge verhaftet und ermordet wurden oder „verschwanden“.
Andere Flüchtlinge entschieden sich dazu, in den Flüchtlingslagern im Iran oder in der Türkei zu bleiben. Oftmals lebten sie hier in trostlosen Bedingungen unter Mangel an notwendigen Medikamenten und Nahrung. Selbst in den Lagern waren die kurdischen Flüchtlinge allerdings nicht sicher vor Anschlägen. Zwischen 1989 und 1990 kam es in den türkischen Flüchtlingslagern Mus, Mardin und Diyarbakir zu Vergiftungen. Da die Türkei alle Ermittlungen untersagte, ist bis heute unklar, wer für die Vergiftungsversuche verantwortlich war.
Erst mit dem Ende des Golfkrieges 1991 und mit der Einrichtung von Flugverbotszonen durch die USA, Großbritannien und Frankreich, kamen die Angriffe auf die kurdische Bevölkerung Iraks endlich zu einem Ende.
Internationale Anerkennung
Während der Anfal Kampagne und dem Angriff auf Halabja wurden die Verbrechen an Kurden von der internationalen Gemeinschaft nicht sofort anerkannt. Ein Grund dafür war, dass die Anschläge von dem Regime in Bagdad als Gegenangriffe auf kurdische Peshmerga präsentiert wurden. Später fand man zahlreiche Beweise dafür, dass es einen breit angesetzten Plan zur kompletten Vernichtung der kurdischen Bevölkerung des Irak gab. Darüber hinaus befand die USA, welche während des Iran-Irak Kriegs mit dem irakischen Regime alliiert waren, den Iran als teilweise schuldig an dem Giftgasangriff auf Halabja. Bis heute konnten jedoch noch keine Beweise für diese Anschuldigungen gegen den Iran gefunden werden. Basierend auf den Behauptungen der USA, hielten die Vereinten Nationen sowie eine Reihe von westlichen Ländern den Iran und Iraq für lange Zeit als gleichermaßen verantwortlich für den Angriff. Internationale Anerkennung für Anfal und Halabja als Genozid blieb daher für lange Jahre aus.
Erst nach dem Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait und aus der Region Kurdistan sowie der Etablierung der Kurdischen Regionalregierung im Jahr 1992 konnten internationale Beobachter Untersuchungen vor Ort durchführen. Fünf Jahre nach dem Angriff auf Halabja begann Human Rights Watch als eine der ersten und größten internationalen Organisationen mit einer Untersuchung der Anfal Kampagne und des Giftgasangriffs auf Halabja. Die Experten sammelten Bodenproben, führten Interviews mit Zeugen und Überlebenden und besuchten zahlreiche Dörfer, Internierungslager und Massengräber. In dem 1993 erschienen Bericht Genozid im Irak: Die Anfal Kampagne gegen die Kurden, erklärte die Organisation, dass das Vorgehen des irakischen Regimes gegen Kurden einem Genozid nach Artikel 2 der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords (1948) gleichkam. Artikel 2 der Konvention definiert Genozid als „eine der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören: (a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe; (b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe; (c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen; (d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind; (e) gewaltsame Überführung von Kinder der Gruppe in eine andere Gruppe.“
Seit 2003 beschäftigt sich die Internationale Kommission für Vermisste Personen (ICMP) gemeinsam mit der Regionalregierung Kurdistan-Irak mit der Aushebung von Massengräbern, um Opfer mittels DNA-Analysen zu identifizieren. Bei der Suche Massengräbern stoßen Experten immer wieder auf neue Beweise, wie etwa kürzlich die Barzani Massengräber. Viele „verschwundene“ Kurden bleiben aber bis heute vermisst.
Einer der wichtigsten Schritte in der internationalen Anerkennung des Genozids an der kurdischen Bevölkerung des Irak fand 2005 statt, als ein niederländisches Gericht den Geschäftsmann Frans van Anraat für den Verkauf von chemischen Substanzen an das irakische Regime verurteilte. Darüber hinaus erklärte das Gericht die Anfal-Kampagne als Genozid im Sinne der offiziellen Definition in der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords.
Als erster wichtiger Staat erkannte Kanada 2010 die Angriffe auf irakische Kurden als Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Derzeit läuft eine weitere Kampagne, welche auf die Anerkennung der Verbrechen als Genozid zielt.
Die Vereinten Nationen und die Europäische Union hielten im März 2011 internationale Konferenzen ab, um die Anerkennung als Völkermord sowie die Entschädigung von Opfern und Langzeitfolgen zu diskutieren.
Im November 2012 erklärte das norwegische Parlament die Anfal-Kampagne und den Halabja Giftgasangriff als Genozid; im Dezember 2012 folgte das schwedische Parlament. Nach einer nationalen Kampagne und einer Petition mit fast 28,000 Unterschriften erkannte auch das Britische Parlament den Völkermord an der kurdischen Bevölkerung des Irak einstimmig an.
Der Irak ist kein Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofes, der sich mit der Strafverfolgung von Personen auseinandersetzt, welche angeklagt sind, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder Verbrechen der Aggression begangen zu haben. Obwohl sich die Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs nur auf Verbrechen erstreckt, die nach seiner Gründung im Jahr 2002 begangen wurden, befürwortet die KRG einen Beitritt des Irak, um Verbrechen wie die Anfal-Kampagne oder den Giftgasangriff auf Halabja in Zukunft vorzubeugen.
Nationale Anerkennung
Nachdem Saddam Hussein, Ali Hassan al-Majid und andere wichtige Akteure des Baath Regimes verhaftet worden waren, gründete die irakische Übergangsregierung ein Tribunal (das „Supreme Iraqi Criminal Tribunal“), um die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Genozid an Schiiten und Kurden vor Gericht zu stellen. Einen Monat nach Beginn des Anfal Prozesses wurde Saddam Hussein 2006 für das 1982 Massaker an irakischen Schiiten zum Tode verurteilt und hingerichtet. Nach Husseins Tod wurden alle anderen Anklagepunkte gegen ihn, unter anderem jene in Zusammenhang mit Anfal und Halabja, fallengelassen. Ali Hassan al-Majid wurde 2007 für Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der kurdischen Bevölkerung des Irak verurteilt und 2010 hingerichtet.
2008 bestätigte der irakische Präsidentschaftsrat offiziell die Resolution 26, welche Saddam Husseins Kampagne gegen Kurden als Völkermord anerkennt. 2010 folgte der Oberste Gerichtshof Iraks mit der Erklärung der Angriffe aus dem Jahr 1988 zum Völkermord. Zudem wurden die Verbrechen gegen Barzanis im Jahr 1983 vom irakischen Gerichtshof, dem irakischen Repräsentantenrat und dem irakischen Parlament als Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt.Seit ihrer Gründung setzt sich die Regionalregierung Kurdistan-Irak für die Gesundheitsversorgung, Bildung und die soziale Absicherung von Witwen, Opfern und betroffenen Familien eingesetzt. 2006 wurde das Ministerium für Märtyrer und Anfal Angelegenheiten gegründet, um die Unterstützung von Anfal Opfern zu vereinfachen. Darüber hinaus arbeitet das Ministerium mit internationalen Organisationen und internationalen Vertretungen der Regionalregierung Kurdistan-Irak zusammen, um eine internationale Anerkennung des Völkermords zu erreichen.
Zum Gedenken an die schrecklichen Angriffe auf die kurdische Bevölkerung, wurden zwei Gedenkstätten in Halabja errichtet. Auch das alte Hauptgebäude der Sicherheitspolizei des Baath Regimes in Sulaimani wurde in ein Museum umgewandelt, welches über die Gräueltaten des ehemaligen Regimes aufklärt.
Wie Premierminister Nechirvan Barzani in seiner Antrittsrede im April 2012 betonte, bleibt die internationale Anerkennung des Völkermords an irakischen Kurden eines der Hauptziele der Regionalregierung Kurdistan-Irak: „Die Verbrechen, die gegen die kurdische Bevölkerung begangen wurden, waren nicht geringer als das, was in der internationalen Gemeinschaft als Genozid bekannt ist. Vieles wurde bereits erreicht mit den Bemühungen, die Anerkennung des Genozides gegen die kurdische Bevölkerung durch Regierungen und Organisationen in der ganzen Welt voranzutreiben. Trotzdem müssen wir unsere Anstrengungen noch weiter ausbauen, um zu erreichen, dass die internationale Gemeinschaft die Anfal Kampagne und die Nutzung von chemischen Waffen durch das frühere Regime des Iraks universell als Genozid anerkennt.“.
Werden Sie aktiv
Seit den 1960er Jahren sind im Irak etwa eine Million Menschen „verschwunden“. Im ersten Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch aus dem Jahr 1993 wird von einer Opferzahl zwischen 50,000 und 100,000 Kurden allein während der Anfal-Kampagne ausgegangen. Spätere Berichte sprechen sogar von über 180,000 toten Kurden. Besonders Jungen und Männer, die man als potenzielle Peshmerga ansah, wurden verhaftet und hingerichtet. Eine Studie aus dem Jahr 2007 geht davon aus, dass etwa 15% der kurdischen Bevölkerung Iraks Anfal Witwen sind, die oftmals nicht wieder heiraten konnten und in kompletter Abhängigkeit von ihren Familien leben. Über 90% aller kurdischen Dörfer und Städte wurden zerstört.
Die Anerkennung des Genozids durch Regierungen und internationale Institutionen, wie etwa die Europäische Union oder die Vereinten Nationen, wäre wichtig für die Opfer, um Gerechtigkeit zu erlangen und diese bei der Forderung nach Entschädigungszahlungen zu unterstützen. Eine internationale Anerkennung des Völkermords an irakischen Kurden im Jahr 1988 würde außerdem dazu beitragen, ähnliche Tragödien in der Zukunft zu verhindern.
Wenn Sie das Bestreben einer internationalen Anerkennung des Völkermordes an der kurdischen Bevölkerung des Irak unterstützen wollen, kontaktieren Sie bitte die Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak in Österreich.[1]