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Zur Lösung der kurdischen Frage - Visionen einer demokratischen Republik
Autor: #Abdullah Öcalan#
Erscheinungsort: Berlin.Deutschland
Verleger: Herausgeber: Kurdistan Informations-Zentrum Kaiser Friedrich Str. 63
Veröffentlichungsdatum: September 2000

Zur Verteidigungsrede von Abdullah Öcalan
Prof. Norman Paech
Am 15-02- 1999 wurde Abdullah Öcalan auf dem Weg von der Residenz des griechischen Botschafters in Nairobi (Kenia) zum Flughafen entführt und in dem Flugzeug eines türkischen
Geschäftsmannes gefesselt in die Türkei gebracht. Ein Gangster-stück, welches eine wochenlange Odyssee zwischen Damaskus,Moskau, Amsterdam, Rom und Athen beendete – der kriminelle
Schlusspunkt unter einem wenig überzeugenden Kapitel europäi-scher Rechtskultur. Kein Staat wollte einem Mann Asyl gewähren,der darum nachsuchte und wie kein anderer politischer Flüchtling einen Anspruch auf eine Zuflucht gehabt hätte. Aber keine Regie-rung wollte seine Botschaft hören und sich ernsthaft auf die kur-dische Frage einlassen, als ginge sie die Tragödie des kurdischen Volkes an der Peripherie Europas nichts an. Sie wollten ihm nicht einmal die Möglichkeit der Verteidigung seiner Sache vor einem Internationalen Tribunal geben. Aus Angst, dass dann der ganze Umfang einer Jahrzehnte langen Unterdrückungs- und Vernich-tungsmaschinerie ihres NATO-Verbündeten der Weltöffentlichkeit präsentiert und in die Verhandlung eingebracht worden wäre, lie-ferten sie ihn der türkischen Gerichtsbarkeit aus. Dabei war ihnen nicht unbekannt, dass der Europäische Gerichtsho...[1]
Zur Lösung der kurdischen Frage - Visionen einer demokratischen Republik
Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
Autor: Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: civaka-azad.org
Veröffentlichungsdatum: Maii 2023

Der Krieg in Kurdistan ist auch das bestimmende Thema der aktuellen Wahlen in der Türkei. Die AKP-MHP-Regierung hat diesen Krieg in den letzten Jahren immer weiter ausgeweitet und ihr autoritäres Regime darauf aufgebaut. Mit einem möglichen Machtwechsel in der Türkei ist auch die Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konflikts verbunden. Eine demokratische Öffnung des Landes und die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit sind zweifellos mit der Frage verbunden.

Wir möchten die zentrale Stellung des türkischen Krieges gegen das Selbstbestimmungsrecht der Kurd:innen für die Zukunft des Landes und der gesamten Region zum Anlass nehmen, um uns in diesem Dossier der kurdischen Frage aus einer historischen Perspektive anzunähern. Wir setzen uns darin mit den geschichtlichen Ursprüngen der Frage seit der Gründung der türkischen Republik, der Gründung und dem Wandel der Arbeiterpartei Kurdistans und dem Krieg der AKP gegen die Kurd:innen auseinander.[1]
Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
„Antimuslimischen Rassismus ernst nehmen – Kritik an muslimischen Organisationen zulassen“
Erscheinungsort: Köln
Verleger: Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland e.V.
Veröffentlichungsdatum: September 2022

Mit der Veröffentlichung des ersten Bandes dieser Broschüre und allem, was dem vorangegangen ist – also der Beginn unserer öffentlichen Auseinandersetzung mit Ungleichwertigkeitsideologien der Migrationsgesellschaften auf der einen und dem Kampf gegen was dem vorangegangen ist – also der Beginn unserer öffentlichen Auseinandersetzung mit Ungleichwertigkeitsideologien der Migrationsgesellschaften auf der einen und dem Kampf gegen jegliche Diskriminierung auf der anderen Seite –, gibt es eine Veränderung in der alevitischen Jugend, aber auch in der öffentlichen Debatte, deren Teil wir geworden sind.[1]
„Antimuslimischen Rassismus ernst nehmen – Kritik an muslimischen Organisationen zulassen“
Wiener Jahrbuchs für Kurdische Studien 5
Herausgegeben von: Katharina Brizić, Agnes Grond, Christoph Osztovics, #Thomas Schmidinger# und Maria Six-Hohenbalken
Erscheinungsort: Wien. Austria
Verleger: P R A E S E N S V E R L A G
Veröffentlichungsdatum: 2017

Description (deu): Der fünfte Band des Wiener Jahrbuchs für Kurdische Studien richtet sich an eine breite Leserschaft mit Interesse an Sprache, Migration und sozialem Zusammenhalt, seien es Studierende oder Fortgeschrittene, seien es in Forschung oder Praxis Tätige. Die im Band vertretenen Disziplinen schlagen einen weiten Bogen von Linguistik und Soziolinguistik über Soziologie und Politikwissenschaft bis hin zu Kultur- und Sozialanthropologie, Migrationsforschung, Memory und Genocide Studies und vielen mehr. Der Grund für diese Weite liegt im Gegenstand selbst: Dies ist ein Buch zum Kurdischen. Es gibt nur wenige Themen, so meinen wir, die in so viele Disziplinen ausstrahlen, zugleich aber auch so unmittelbar die Ebene menschlicher Erfahrung berühren wie das Kurdische.
Kurdisch tut dies bereits auf der linguistischen Mikro-Ebene, als sprachliche ‘Einheit’, von wo die Diskussion stets unverzüglich zu fundamentalen Fragen des ‘Wesens’, der Verwandtschaften und Grenzen von Sprachen führt, und von dort weiter zu Identität, sozialem Zusammenhalt, kollektivem Gedächtnis und deren Bedeutung für jegliche Definition von Sprache. Nur selten sind die verschiedenen Aspekte so offensichtlich und unausweichlich miteinander verwoben wie im Falle des Kurdischen. Kurdisch ist deshalb ein besonders geeigneter Ausgangspunkt, wenn es darum geht zu verstehen, dass Sprache niemals getrennt von menschlicher Erfahrung, von Erinnerung, Politik, sozialer Entwicklung und sozialem Zusammenhalt gedacht werden kann — und nicht erst in unseren spätmodernen Zeiten. Kurdisch zeugt eindrucksvoll von der tiefen Beziehung des Menschen zu Sprache. Denn dass sich das Kurdische so lebendig in Schrift und Wort erhalten hat, ist alles andere als selbstverständlich. [1]
Wiener Jahrbuchs für Kurdische Studien 5
Das Unternehmen „Mammut“
Autor: Mag. Pherset Zuber Mohammed Rosbeiani
Erscheinungsort: Berlin.Deutschland
Verleger: Humboldt-Universität .Berlin
Veröffentlichungsdatum:2011

EINLEITUNG
1.Europa, Deutschland und der Orient im Überblick.
Über Jahrhunderte herrschte ein gespanntes Verhältnis und ein mit vielen Vorurteilen behafteter Umgang des Abendlandes mit dem Morgenland, sosehr der Orient1 für Europa auch immer ein großes Faszinosum, wahrlich immer 1 Der Ausdruck Orient als der Gegensatz zum Okzident, dem Abendland, ist als Begriff bereits in der griechi-schen bzw. lateinischen Sprache nachweisbar und bedeutet Morgenland. Er stellt zunächst ein Konstrukt der „mythischen Geograhie“, ein weltanschauliches Stereotyp dar. Bereits die römische Verwaltungssprache aber fasste diesen Begriff klarer. Unter dem römischen Kaiser Diokletian (239 – 312) verwaltete der Statthalter (prae-fectus praetorio per orientem) die Diözese ‚Orient‘ mit den Regionen Palästina, Phoenica, Arabia, Ägypten,Kleinasien sowie Thrakien mit einem kleinen europäischen Anteil. Bei der Teilung des Imperiums in West- bzw.Oströmisches Reich im Jahre 395 verlief an dieser Grenze fortan die Trennung der Bevölkerung in einen latei-nisch sprechenden Teil (Westrom) und einen griechisch oder andere Sprachen sprechenden Teil (Ostrom). Seit Ausgang des Mittelalters verbindet die neuzeitliche, allerdings stereotyp populäre Meinung den Begriff Orient häufig mit ambivalenten Begriffspaaren wie: ‚Despotie und Dekadenz, luxurierend, grausam und sinnlich, natur-verhaftet und geschichtslos‘, zugleich mit so uralten Metaphern wie der ‚uralten Weisheit‘ oder dem ‚Licht aus dem Osten‘. Vgl. in sinngemäßer Form: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 4.völlig neu bearb. Aufl., Tübingen 2003, Bd.6 (N-Q), Sp.651f. „Nach-und antikoloniale Diskurse, die derartige Konstrukte analysieren (cultural remapping), sind durch Edward W.Said und Martin Bernal auch in den Altertumswissenschaften rezipiert worden. Die Genese des ‚Westens‘ ver-dankt sich einem steten, bis an das Ende der Antike wirksamen, kulturellen Druck aus dem ‚Osten‘ von ‚langer Dauer‘...Der Prozeß der Kultur ist als solcher, auch im Mittelmeerraum, Rezeption Synthese, Akkumulation von Energie und Information, friedliche oder gewaltsame Aneignung heterogener Bestandteile“. Vgl. Ebd. Ausge-hend von diesem hier sehr theorethisch beschriebenen, aber bereits in der Antike wirksamen, über das Mittelalter und die Zeit der Kreuzzüge bis in die Neuzeit nachweisbaren Beziehungsgeflechten, vollzogen sich auch seit Beginn der Neuzeit die wechselseitigen Kontakte, Beziehungen, Konflikte und der kulturelle Austausch zwischen Orient und Okzident.[1]
Das Unternehmen „Mammut“
Mely Kiyak
Mely Kiyak (* 1976 in Sulingen) ist eine deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Kolumnistin.

Leben
Kiyak ist Tochter eines aus der Türkei stammenden kurdischen Einwanderers. Nach ihrem Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig begann sie, als Journalistin für den Mitteldeutschen Rundfunk und die Leipziger Volkszeitung zu arbeiten. 1998 wurde sie deutsche Staatsbürgerin.

Seit 2005 ist Kiyak in Berlin als Autorin und freie Journalistin tätig. Ihre Texte erschienen unter anderem in der Zeit, der Welt und der taz. Von 2008 bis 2013 erschien von Kiyak in der Frankfurter Rundschau, später auch parallel in der Berliner Zeitung, eine politische Kolumne. Seit Ende 2013 schreibt sie auf der Website des Berliner Maxim-Gorki-Theaters eine regelmäßige Kolumne, seit 2014 auch auf Zeit online. Im Zentrum ihrer Artikel, Kommentare, Berichte, Rezensionen, Feuilletons, Fernseh- und Diskussionsbeiträge (z. B. auch innerhalb des ARD-Presseclubs) stehen Migrations- und Integrationspolitik sowie Kultur.
„Von den Immigranten zu verlangen, sich mit Haut und Haar einem diffusen Deutschsein auszuliefern, von dem die Deutschen selbst nicht wissen, was das sein könnte, ist vermessen.“

– Mely Kiyak: Die Zeit, 2006
Für die Körber-Stiftung arbeitete Kiyak wesentlich an dem Buch Zweiheimisch (2006) über bikulturelles Leben in Deutschland mit und veröffentlichte 2007 das Buch 10 für Deutschland.
Sie verbringt regelmäßig einige Tage in der Benediktinerinnenabtei zur Heiligen Maria in Fulda und gibt dort mit Schwester Christa die Zeitschrift Winke für den Biogärtner heraus.

Sarrazin-Kontroverse
Im Mai 2012 bezeichnete Kiyak in ihrer Kolumne für die Berliner Zeitung sowie die Frankfurter Rundschau Thilo Sarrazin, dessen rechte Gesichtshälfte infolge der Operation eines Tumors teilweise gelähmt ist, nach einem Fernsehauftritt als „lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur“. Hierfür wurde sie in der Welt und der Bild kritisiert. Eine Woche nach Erscheinen des Beitrags legte Kiyak ihre Intention dar, auf die „nicht körperlich bedingten Unvollkommenheiten in seinem Auftritt hinzuweisen […]. Wenn ich den physiologischen Hintergrund gekannt hätte, hätte ich das Bild nicht gewählt. Ich bedauere das sehr!“ Nach anhaltender Kritik sprachen die Chefredaktionen der abdruckenden Zeitungen von einer „perfiden Hetzkampagne“ gegen die Autorin, welche insbesondere über das Blog Politically Incorrect forciert werde. Kiyak dokumentierte die Art und Zielrichtung dieser Angriffe in einem kritischen Artikel über das Blog in der Berliner Zeitung. Auch die Journalisten-Vereinigung Neue Deutsche Medienmacher und die taz nahmen Kiyak in Schutz. Der Freitag kommentierte, dass Kiyak „den Shitstorm, den sie gegen [… Sarrazin] in Gang setzen wollte“, am Ende auch selbst zu spüren bekommen habe.

Der Deutsche Presserat sah den „Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze als so schwerwiegend“ an, dass er eine Missbilligung gegenüber der Berliner Zeitung aussprach. Sarrazin sei „in seiner Menschenwürde verletzt“ worden. Wegen der Entschuldigung Kiyaks wurde jedoch keine Rüge ausgesprochen.

„Hate Poetry“
Seit 2012 trat Kiyak zusammen mit den Journalisten Deniz Yücel, Yassin Musharbash, Özlem Topçu, Özlem Gezer, Hasnain Kazim, Doris Akrap und Ebru Taşdemir im Rahmen der „antirassistischen Leseshow“ Hate Poetry auf, bei denen sie im Stile eines Poetry Slams zornerfüllte Leserbriefe vorlasen.

Veröffentlichungen
$Bücher:$
Werden sie uns mit Flix-Bus deportieren? Carl Hanser Verlag, München 2022, ISBN 978-3-446-27275-0.
Frausein. Carl Hanser Verlag, München 2020, ISBN 978-3-446-26746-6.
Haltung. Ein Essay gegen das Lautsein. Dudenverlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-411-71765-1.
Istanbul Notizen. Shelff Verlagsbureau, Berlin 2013, ISBN 978-3-936738-90-2.
Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-038212-2.
Briefe an die Nation und andere Ungereimtheiten. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-596-19619-7.
Ein Garten liegt verschwiegen. Hoffmann und Campe, Hamburg 2011, ISBN 978-3-455-40349-7.
10 für Deutschland. Gespräche mit türkeistämmigen Abgeordneten. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2007, ISBN 978-3-89684-068-4.
Beiträge in Anthologien:

Elefantenrunde. In: Nicol Ljubić (Hrsg.): Schluss mit der Deutschenfeindlichkeit! Geschichten aus der Heimat. Hoffmann und Campe, Hamburg 2012, ISBN 978-3-455-50246-6.
Warum sich in der Kulturszene nicht bemerkbar macht, was sonst noch los ist. In: Susanne Stemmler (Hrsg.): Multikultur 2.0 – Willkommen im Einwanderungsland Deutschland. Wallstein Verlag, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0840-4.
Zwei Briefe. In: Hilal Sezgin (Hrsg.): Manifest der Vielen – Deutschland erfindet sich neu. Blumenbar, Berlin 2011, ISBN 978-3-936738-74-2.
Auszeichnungen
2006: Stipendium des Senats für Wissenschaft, Forschung und Kultur für Berliner Schriftsteller.
2011: Theodor-Wolff-Preis, Kategorie „Kommentar/Glosse/Essay“
2014: Journalist des Jahres – Kategorie „Sonderpreis“ (für Hate Poetry, Gruppenpreis mit den weiteren Mitgründern)
2015: Stipendium des Berliner Senats
2021: Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik für ihr Werk Frausein und ihre Tätigkeit als Kolumnistin und Essayistin
2021: Christine-Literaturpreis der BücherFrauen für Frausein[1]
Mely Kiyak
Necati Şaşmaz
Necati Şaşmaz
Muhammed Necati Şaşmaz (* 15. Dezember 1971 in Sivrice, #Elazığ# ) ist ein türkischer Schauspieler. Bekannt geworden ist er mit der Rolle des Polat Alemdar in der Serie Tal der Wölfe und den dazugehörigen Kinofilmen.

Leben
Necati ist der Sohn von Abdulkadir Şaşmaz. Vater und Großvater der Brüder waren Scheichs des Qadiriyya-Ordens.

Necati Şaşmaz eigentlicher Beruf lag in der Tourismusbranche. Er beendete seine Berufsausbildung in Kanada. Necati Şaşmaz lebte mithilfe einer Green Card sechs Jahre in den USA. Seinen Wehrdienst leistete er in 28 Tagen ab. Nachdem er 2001 seine Familie in der Türkei besucht hatte, flog er am 11. September 2001 zurück in die USA. Doch wegen der Terroranschläge am selben Tag, musste sein Flugzeug zurückkehren. Dem Drängen seiner Eltern nachgebend, beschloss er, nicht mehr in die USA zurückzukehren.

Als er beschloss, sein Leben von nun an in der Türkei zu verbringen, eröffnete er ein Versicherungsbüro. Wenig später traf er sich in Istanbul mit dem Produzenten Osman Sınav. Necati Şaşmaz ging davon aus, dass er ein Angebot für einen Platz in einem Produktionsteam bekommen würde. Stattdessen bot Osman Sınav ihm die Hauptrolle in einer neuen Serie an. Necati Şaşmaz bat um Bedenkzeit und nahm einen Monat später die Rolle an. Die Serie läuft mit Unterbrechungen erfolgreich und brachte auch mehrere Kinofilme hervor. Necati Şaşmaz sagte, dass man ihn nur in Ankara mit seinem Namen rufe, aber in Istanbul nenne ihn jeder Polat.

2012 heiratete er Nagehan Kaşıkçı.

Filmografie
Fernsehserien
2003–2005: Tal der Wölfe (Kurtlar Vadisi)
2007: Tal der Wölfe – Terror (Kurtlar Vadisi Terör)
Nach der ersten Episode wurde Kurtlar Vadisi Terör verboten. Die zweite Episode wurde zu Ehren von gefallenen Soldaten später gesendet.

2007–2018: Tal der Wölfe – Hinterhalt (Kurtlar Vadisi Pusu)
Filme
2006: Tal der Wölfe – Irak (Kurtlar Vadisi Irak)
2011: Tal der Wölfe – Palästina (Kurtlar Vadisi Filistin)
2017: Tal der Wölfe – Vaterland (Kurtlar Vadisi Vatan)[1]
Necati Şaşmaz
Strategiepapier über die regionale Autonomie Sindschar (kurd. Şengal)
Autor: Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan
Erscheinungsort: Göttingen .Deutschland
Veröffentlichungsdatum:2015

Die Situation im Irak ist politisch unübersichtlich, das Land gespalten und die Regierung war bislang nicht in der Lage, den Genozid des IS („Islamischer Staat“) an den Eziden und anderen Gruppen zu stoppen. Die Irak-Krise mit den weiterhin ungelösten Konflikten zwischen den Kurden, Schiiten und Sunniten ist selbst zu einer Katastrophe für die Außen- und Sicherheitspolitik im Nahen und Mittleren Osten und der westlichen Welt geworden. Auf Grund der zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Nahen und Mittleren Osten, vor allem in Syrien und im Irak, sind neue Ansätze, auch für den Schutz der Minderheitenreligionen im Irak notwendig.

Die Europäische Union, die USA, die Kurden in Erbil und die Zentralregierung in Bagdad sollten eine umfassende Strategie für die Zeit nach dem Rückzug des IS aus dem Irak entwickeln, unter Berücksichtigung historischer, religiöser und ethnischer Gegebenheiten, wie z. B. der Situation der Eziden in Sindschar.

Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan stellt in diesem Strategiepapier Ansätze und Möglichkeiten vor, Frieden in Irakisch-Kurdistan zu gewährleisten und wie eine Gesellschaft aufgebaut werden kann, in der ethnische und religiöse Minderheiten friedlich miteinander leben können. [1]
Strategiepapier über die regionale Autonomie Sindschar (kurd. Şengal)
Die Verträge von Lausanne und Craiova und ihre Vorgeschichte
Autor: Possegger, Mark
Erscheinungsort: Karl-Franzens-Universität Graz
Verleger: UNI GRAZ
Veröffentlichungsdatum:2014

Die Arbeit befasst sich mit der Vorgeschichte und Geschichte beider Verträge von Lausanne und Craiova und versucht die Gemeinsamkeiten sowie die Unterschiede der zu diesen beiden Verträgen gehörenden „Bevölkerungstransfers“ darzustellen. In der Vorgeschichte zu Lausanne und Craiova wird vor allem viel Wert gelegt auf die Herausbildung der christlichen Nationalstaaten aus dem Osmanischen Reich in Südosteuropa und in Folge dessen auf die Migrationsströme, die dadurch ausgelöst wurden. Für das Verständnis ist es wichtig, die Kontinuität von Zwangsmigrationen in Südosteuropa seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts festzuhalten, die mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches einher gingen. Darüber hinaus wird der Lausanner Vertrag und der darin festgesetzte „Bevölkerungstransfer“ zwischen Griechenland und der Türkei von 1923 erforscht. Es wird davon ausgegangen, dass der griechisch-türkische „Bevölkerungsaustausch“ die nachfolgenden „Bevölkerungstransfers“ im II. WK nachhaltig in der Durchführung der „Umsiedlungen“ beeinflusst hat. Desweiteren wird der Frage nachgegangen, ob aus diesem Grund Parallelen zwischen dem griechisch-türkischen und rumänisch-bulgarischen „Bevölkerungstransfer“ existieren oder ob es sich trotzdem um zwei in ihrer Entstehung und Durchführung grundverschiedenen „Bevölkerungstransfers“ handelt. Außerdem wird der Vertrag von Craiova untersucht, der den „Bevölkerungsaustausch“ zwischen Bulgarien und Rumänien 1940 festgesetzt hat. Abschließend sei gesagt, dass diese „Bevölkerungstransfers“ am Rande der Legalität durchgeführt wurden und über viele Menschen unsägliches Leid gebracht hatten.[1]
Die Verträge von Lausanne und Craiova und ihre Vorgeschichte
Völkerrechtliche Fragen der Sezession Kurdistans
Autor: Mustafa Aktas
Erscheinungsort: Karl-Franzens-Universität Graz .Austria
Veröffentlichungsdatum: 2019

Das irakische Volk nahm am 15. Oktober 2005 in einem Referendum die neue irakische Verfassung an. Die Wahlbeteiligung lag bei 63 Prozent. Die Verfassung bestimmt, dass der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat ist.Im Jahr 2005 wurde Kurdistan dadurch zu einer autonomen Region, was auch in der irakischen Verfassung verankert wurde. Sie hat die Kontrolle über die Erforschung und Ausbeutung von Bodenschätzen, die Sicherheits-, Bildungs- und Gesundheitspolitik, die Entwicklung der Infrastruktur sowie die Polizei und den Geheimdienst. Obwohl hier staatliche oder staatsähnliche Institutionen aufgebaut worden sind, ist Kurdistan aber noch immer kein unabhängiger Staat. Nachdem die Kurden gegen den Islamischen Staat große Erfolge erzielen konnten und ein großes Gebiet, vor allem Musul und Kerkuk, unter ihre Kontrolle gebracht hatten, änderte sich die Situation. 2018 wurde ein Unabhängigkeitsreferendum durchgeführt. In der gegenständlichen Diplomarbeit wird dargelegt, ob die Kurden in Nordirak einen Rechtsanspruch auf einen eigenen Staat haben. Hierfür werden völkerrechtliche Grundlagen herangezogen und analysiert. Es wird auch untersucht, inwieweit der Fall Kosovo, der ähnlich gelagert ist wie der Irakisch-Kurdistan, mit Letzterem vergleichbar ist. In weiterer Folge werden die Auswirkungen eines unabhängigen Irakisch-Kurdistans auf den mittleren Osten behandelt.[1]
Völkerrechtliche Fragen der Sezession Kurdistans
Berivan Aslan
Kurzbiografie
Geb.: 16-10-1981, Kulu (Türkei)

Politische Mandate/Funktionen
Abgeordnete zum Nationalrat (XXV. GP), GRÜNE
29-10-2013-08-11-2017

Berufliche Tätigkeit: Juristin
Weitere Politische Mandate/Funktionen
Mitglied des Landesvorstandes der Grünen Bildungswerkstatt Tirol

Beruflicher Werdegang
Nationalratsabgeordnete
Juristische Mitarbeiterin, Unabhängiger Verwaltungssenat 1.1.2013-27.10.2013
Rechtspraktikantin/ Vorsitzende der RechtspraktikantInnen in Tirol, Bezirksgericht, Landesgericht und Staatsanwaltschaft Innsbruck 2011-2012
Rechts- und Sozialberaterin, Zentrum für MigrantInnen in Tirol 2007-2011
Projektmitarbeiterin, Projekt „Vielfalt [daheim] in Tirol“ - nationales Projekt der Tiroler Landesregierung 2010-2011
Projektmitarbeiterin, Projekt „Migrant´s mobility“ - transnationales EU-Projekt 2010-2011
Trainerin, BFI-Projekt „ABC Cafe“ 2009-2010
Studienassistenz, Universität Innsbruck (Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie) 2007-2009
Referentin, Projekt „Tiroler Jugendoffensive“ nationales Projekt der Tiroler Landesregierung 2007-2011
Projektmitarbeiterin, Projekt Future/transnationales Projekt 2007-2008
Projektmitarbeiterin und Mitbegründerin, Projekt Aranea /Förderung transkultureller und feministischer Mädchenarbeit 2007-2008
Angestellte, Telekommunikationsbereich 2004-2005
Projektmitarbeiterin, Equal Projekt Join In /europäische Gemeinschaftsinitiative gegen Diskriminierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 2006-2007
Moderatorin und Organisatorin, diverse kulturelle und soziale Veranstaltungen 2005-2008
Übersetzerin und Dolmetscherin, Bundesasylamt Innsbruck 2003-2007
Mitarbeiterin, Congresshaus Innsbruck 1998-2004

Bildungsweg
Doktoratsstudium Leopold Franzens Universität Innsbruck
Diplomstudium Rechtswissenschaften (Mag. iur.) Leopold Franzens Universität Innsbruck
Studium der Politikwissenschaft Leopold Franzens Universität Innsbruck
Wirtschaftskundliches Realgymnasium Innsbruck
Hauptschule Telfs
Volksschule Telfs.[1]
Berivan Aslan
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1
Autor: Bundesamt für Verfassungsschutz
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Bundesamt für Verfassungsschutz
Veröffentlichungsdatum:2019

Neben der Ideologie und den Zielen der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (#PKK# ) wird in dieser Broschüre der historische Hintergrund des Kurdenkonflikts beleuchtet. Den inhaltlichen Schwerpunkt bilden die Situation sowie die Aktivitäten der PKK in Deutschland und Europa.

Die PKK ist noch immer die mitgliederstärkste und schlagkräftigste nichtislamistische extremistische Ausländerorganisation in Deutschland. Sie ist in der Lage, Personen weit über den Kreis der eigenen Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. Ereignisse und krisenhafte Entwicklungen in der Türkei und den Heimatregionen der Kurden können unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben. Mit einem dadurch oftmals erhöhten Demonstrationsaufkommen von Anhängern der PKK steigt das Risiko von Provokationen und Zusammenstößen – insbesondere mit nationalistischen bzw. rechtsextremistischen Türken. Die PKK ist nach wie vor in der Lage und bereit, Gewalt zumindest punktuell auch in Deutschland einzusetzen bzw. Gewalttaten ihrer jugendlichen Anhänger zu dulden.

Aus dem Inhalt:
Historischer Hintergrund des Kurdenkonflikts
Gründung, Ideologie und Ziele der PKK
Die PKK in Deutschland und Europa
Organisationsverbot
Medienwesen
Öffentlichkeitswirksame Aktionen
Beziehungen zwischen der PKK und Linksextremisten
Lobbyarbeit
Finanzierung.[1]
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1
Türkei verstehen Von Atatürk bis Erdoğan
Türkei verstehen Von Atatürk bis Erdoğan
Autor: Gerhard Schweizer
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Veröffentlichungsdatum: 2016

Atatürk, Erdoğan und ein neuer Blick auf die Türkei Wenn man Westeuropäer, besonders Deutsche, fragt, welche Namen türkischer Politiker ihnen spontan einfallen, nennen sie überwiegend nur zwei Namen: Atatürk und Erdoğan. Der eine hat sich ins historische Gedächtnis auch der Europäer als der Begründer der Republik Türkei verewigt, der mit seiner Vorstellung von »türkischer Moderne« maßgeblich die Entwicklung seines Landes bestimmt hat. Der andere be herrscht seit seinem überraschenden und fulminanten Wahlsieg im November 2002 die Schlagzeilen der internationalen
Medien mit seiner Botschaft einer »islamisch-türkischen Moderne«. Erdoğan ist zum mächtigsten Politiker seit Atatürk ge worden, und er beansprucht, Atatürk in wesentlichen Grundfragen zu korrigieren und sich neben dem Begründer der Republik Türkei einen ebenso bedeutenden Platz zu sichern. Auffallend ist Erdoğans Ehrgeiz, bis 2023 als Staatspräsident im Amt zu bleiben und mit derselben Machtfülle wie einst Atatürk das Jahrhundert-Jubiläum der Republik Türkei zu feiern.[1]
Türkei verstehen Von Atatürk bis Erdoğan
„Die Kurdenproblematik in der Türkei
„Die Kurdenproblematik in der Türkei
Autor: Sibel GÜLER
Erscheinungsort: Wien
Verleger: Universität Wien
Veröffentlichungsdatum: November 2010

Seit vielen Jahrzehnten wird in Europa immer wieder die „Kurdenfrage“ oder das „kurdische Problem“ in der Türkei diskutiert – meist ausgelöst durch akute Zwischenfälle und Konflikte, die immer wieder gehäuft auftreten. Dieses „kurdische Problem“ zeigt, dass Probleme nicht durch Aussitzen gelöst werden können. Es wuchs, solange es aufgeschoben und ignoriert wurde. Heute zeigt sich, dass die Lösung nicht alleine durch Sicherheitsmaßnahmen, militärische Aktionen und heimliche Allianzen mit Nachbarstaaten erreicht werden kann. Das kurdische Problem ist in seiner Dimension mittlerweile ein großes und überregionales Problem, dessen Lösung verzögert und das damit noch größer wurde....[1]
„Die Kurdenproblematik in der Türkei
Kurdische Migration in Deutschland
Autor: Kurdische Migration in Deutschland
AUTOR: RÜSEN CACAN
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Universität zu Köln (Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften)
Veröffentlichungsdatum: 2014
$Einleitung$
1. Einführung in die kurdische Geschichte
1.1 Ethnogenese
1.2 Geographische Lage
1.3 Geschichtlicher Überblick
1.4 Die Kurdische Sprache
1.5 Religionen
1.6 Soziale Strukturen
1.7 Demographische Entwicklungen
1.8 Die wirtschaftliche Lage

2. Die Situation der Kurden in den Herkunftsländern
2.1 Türkei
2.2 Iran
2.3 Irak
2.4 Syrien
2.5 UdSSR

3. Flucht aus Kurdistan
3.1 Konflikten zwischen Religionen
3.2 Wirtschaftliche Gründe
3.3 Politische Verfolgung

4. Migration
4.1 Definition
4.2 Kurdische Migranten in Deutschland
4.2.1 Kurdische Arbeitsmigranten
4.2.2 Kurdische Flüchtlinge
4.3 Aufenthaltsgesetze
4.4 Asylrechte

5. Allgemeine soziale Situation der Kurden in Deutschland
5.1 Lebensbedingungen der Kurden in Deutschland
5.2 Sozial und kulturelle Rechte
5.3 Politische Rechte
5.4 Die kurdische Frauen
5.5 Kurdische Organisationen
5.6 Die Bildungssituation der Migranten in Deutschland
5.7 Förderung der Muttersprache
5.8 Kurdische Medien

6. Der Bezug Deutschlands zur Kurdenfrage
6.1 Die Beziehung zwischen Deutschland und Türkei
6.2 Einfluss der türkischen Regierung gegenüber Kurden in Deutschland

7. Selbstwahrnehmungen von Kurden
7.1 Bewusstsein der Kurden in Deutschland
7.2 Differenzierungen unter kurdischen Migranten
7.3 Politische Differenzierungen zwischen kurdischen Migranten

8. Integration
8.1 Integrationspolitik
8.2 Integration und Diskriminierung
8.3 Integration und Kurdenspezifische Migrationspolitik

9. Resümee
Literaturverzeichnis
Vorwort
In meiner Arbeit werde ich die historisch-politischen Hintergründe der kurdischen Frage in den vier Herkunftsstaaten (Türkei, Iran, Irak und Syrien) der kurdischen Migranten darstellen, so dass man die Möglichkeit hat, die Geschichte kurdischer Zuwanderung nachzuvollziehen und die Situation der kurdischen Migranten einzuordnen.
Zur Erleichterung des Leseflusses wurde in meiner Arbeit nur die männliche Geschlechtsform verwendet, wobei selbstverständlich diese Form die weibliche mit einschließt.

Einleitung
Die kurdische Frage rückte in den 90er Jahren durch den zweiten Golfkrieg, den Krieg zwischen der kurdischen Widerstandsbewegung und dem türkischen Militär in der Türkei sowie durch die vehementen Proteste von Angehörigen der kurdischen Minderheit in der Bundesrepublik Deutschland in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Diese Arbeit geht der Frage nach, wie sich die Tatsache auswirkt, dass kurdische Einwanderer im Unterschied zu vergleichbar großen Migrantengruppen nicht über die institutionalisierte Lobby eines Herkunftsstaates verfügen.

In meiner Arbeit werden die sozioökonomischen und politischen Hintergründe von Kurden betreffenden Fragen nachgegangen. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem türkisch-kurdischen Konflikt in der Türkei, bei den Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit kurdischen Demonstrationen in der Bundesrepublik sowie der grundsätzlichen Frage des Umgangs mit Minderheiten in erster Linie um ein Problem handelt, das politisch zu lösen wäre. Umgekehrt gehen aber politische Interpretationen der kurdischen Frage und gesellschaftliche Diskurse über Kurden in die pädagogische Theorie und Praxis ein. Um dem auf die Spur zu kommen, ist ein interdisziplinärer Ansatz notwendig, der übergeordnete Zusammenhänge mit einbezieht. Es ist notwendig, auf den historisch-politischen Hintergrund der kurdischen Frage, wie sie sich in der Türkei, im Irak, Iran und in Syrien stellt, einzugehen sowie die Interessen zu hinterfragen, die den Entscheidungen der deutschen Politik in Bezug auf die kurdische Frage zugrunde liegen.

Im Laufe der Geschichte wurde der Name Kurdistan im unterschiedlichen geografischen und politischen Sinn verwendet und bezeichnete dabei jeweils Gebiete unterschiedlicher Lage und Ausdehnung. Der Begriff „Kurdistan“ entstand erstmals im elften Jahrhundert, ohne geographisch eingegrenzt zu werden. Die Kurden wurden durch die staatlichen Grenzen zuerst in zwei Teile zwischen Perser und Osmanen geteilt. Im Vertrag von Lausanne (24. Juli 1923) wurden die neuen Machtverhältnisse zwischen der Türkei und den Besatzungsmächten Vereinigtes Königreich, Frankreich und Italien festgesetzt sowie vertraglich niedergeschrieben. Das Siedlungsgebiet der Kurden befand sich von da an in vier Staaten, nämlich der Türkei, im Iran, Irak sowie in Syrien. Diese Grenzen jedoch definierten keineswegs Barrieren innerhalb des kurdischen Volkes.

Die Kurden leben meistens in der Türkei, im Irak, im Iran, in Syrien und in der Ex-Sowjetunion. Dabei gibt es nur wenige Zugeständnisse von offizieller Seite, wie die fehlende amtlich anerkannte Sprache und Schrift. Oft werden sie durch eine strikte und unnachgiebige Assimilierungspolitik schon in ihrer Heimat „zu Fremden“ gemacht. Sie leben im eigenen Land unter mangelhaften Versorgungsbedingungen in den Bereichen Kultur, Sprache, Bildung, Gesundheit sowie unter allgemein sehr eingeschränkten wirtschaftlichen Bedingungen, bis hin zur tiefsten Armut. Die Entwicklung der kurdischen Potentiale wird in den kurdischen Landsteilen durch die politischen Bedingungen unterdrückt, bzw. schon deren Entstehung verhindert.

In Deutschland ist die Frage nach der Integration als Bedarf der rechtlichen und demokratischen Klärung der Ausländersituation entstanden. Nach fast 50-jähriger Immigration leben inzwischen etwa eine Million Kurden in Europa. Sie sind als Arbeitsimmigranten aus der Türkei, dem Iran, Irak und aus Syrien, Armenien und Aserbaidschan gekommen oder mussten ihre Heimat als Flüchtlinge verlassen. Seit kurdische Gastarbeiter mit ihren Familien nach Deutschland gekommen sind, gibt es eine Frage nach deren Lebensbedingungen und Integration. Das Thema der kurdischen Integration in Deutschland bedarf einer Aufstellung von weiteren Daten und Fakten über ihre Lebenssituation, einer Darstellung über Deutsche sowie des kurdischen Integrationsprozesses in seiner chronologischen Reihenfolge. Dabei sind auch Faktoren wie die Einflüsse politischer Ideen und Kräfte zu berücksichtigen.

Nach der rechtlichen Situation lassen sich die kurdischen Migranten in der Bundesrepublik wie folgt einteilen: in Arbeitsmigranten, Flüchtlinge sowie Asylbewerber und Asylberechtigte. Kurden werden in Deutschland vorwiegend als Türken, Araber, und Iraner definiert, obwohl sie privat an der Pflege kurdischer Traditionen und Sprache festhalten.
Oft werden Kurden in den deutschen Medien mit Unterdrückung, Verfolgung oder Vernichtung und anderen Meldungen in Zusammenhang gebracht. Dabei geht es meistens um Themen wie Krieg, Demonstrationen, Ehrenmord oder PKK-Verbot.
Ein ethisch motiviertes Handeln in den Medienberichten über Kurden ist somit kaum zu erkennen.

Minderheiten wurden in der deutschen Geschichte in der Regel immer dann zur Kenntnis genommen, wenn befürchtet wurde, dass sie zu einem Problem werden könnten. Auch die Wahrnehmung kurdischer Migranten steht in dieser Tradition. Von der bundesdeutschen Öffentlichkeit werden sie vor allem als Störfaktor empfunden. Vorherrschend ist die Sichtweise, ein Konflikt zwischen Kurden und Türken sei in die Bundesrepublik „importiert“ worden. Die kurdische Frage, wie sie sich in der Bundesrepublik stellt, ist aber kein Konfliktimport. Aus politisch-ideologischen Gründen verweigert die Politik die Anerkennung der Tatsache, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist und zollt deswegen der offiziellen Kulturideologie der Herkunftsländer weit mehr Anerkennung, als dem nationalen bzw. ethnischen Selbstverständnis der Zugewanderten. Aus außenpolitischen Machtinteressen nimmt die Bundesrepublik Rücksicht auf die Forderungen der offiziellen türkischen Politik. Demgegenüber hatte die deutsche Regierung nie Probleme, Maßnahmen zu treffen, die im Widerspruch zur offiziellen Politik des früheren Jugoslawiens standen, wie die frühzeitige Anerkennung kroatischer Institutionen zeigt. Im Gegensatz zu anderen Minderheiten, die in der deutschen Geschichte immer wieder für außenpolitische Interessen funktionalisiert wurden, steht die kurdische Minderheit deutschen, politischen Interessen aber im Weg.

Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten zwischen türkischen und kurdischen Migranten aus der Türkei bezüglich der rechtlichen und sozialen Situation, gibt es erhebliche, Kurden diskriminierende Unterschiede im institutionellen Bereich. Einen großen Aspekt dieser Diskriminierung stellt die mangelhafte Anerkennung und Förderung der kurdischen Sprache im Rahmen der Schule im Unterschied zu vergleichbaren Migrantenminderheiten dar.

1. Einführung in die kurdische Geschichte
Die Herkunft der Kurden liegt im vorgeschichtlichen Dunkeln, weil die meisten Informationen über die Kurden vor dem Mittelalter, genauer; vor der Annahme des Islams und der damit einsetzenden Erwähnung in muslimischen Quellen, bruchstückhaft und umstritten sind. Vermutlich sind die Vorfahren der Kurden um die Wende vom zweiten zum ersten Jahrhundert v. Chr. im Zuge von Einwanderungswellen indogermanischer Arier nach West-Iran gekommen (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 25f). Diese Region, Mesopotamien, war die Wiege der menschlichen Zivilisation. In unterem Teil lebten u.a die Babylonier, Assyrern, Sumerer, Akader. In oberen Teil Kartuner, Meder, Urartäer und andere Völker. Von den Zivilisationen dieser Völker sind viele Fragmente zurückgeblieben. Aber von den damaligen Völkern leben heute nur noch wenige darunter Kurden, Armenier und eine kleine Minderheit von Assyrer (vgl. Demirkol 1997, 9).

1.1 Ethnogenese
Es gibt keinem der Länder, in denen Kurden leben, verlässliche Schätzungen über ihre Zahl. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen. Einer ist der jeweiligen Regierungspolitik zu suchen: Die betroffenen Regierungen spezifizieren die verschiedenen linguistischem und religiösen Gruppen innerhalb ihrer Grenzen aus Gründen der nationalen Integration gewöhnlich nicht oder sind, wenn sie es tun, sehr zurückhaltend mit der Veröffentlichung der Ergebnisse. Ein anderer Grund ist, dass es vom politischen und sozialen Kontext abhängt, ob sich eine Person als Kurde bezeichnet oder nicht (vgl. Bruinessen 1997, 186).

Unter den Kurden finden wir einen Kern, dessen ethnische Identität unzweideutig kurdisch ist und der umgeben ist von einer fließenden Masse mit verschiedenen Graden von „Kurdischheit“, Menschen, die außer kurdisch auch noch etwas anderes sind und die ihre kurdische Identität betonen können oder auch nicht (vgl. Bruinessen 1997, 187). Nach Erhard gelten diejenigen als Kurden, die sich zum ersten als solche identifizieren und die zum zweiten von anderen Volksgruppen und Kurden als Angehörige des kurdischen Volkes anerkannt werden. Über diese Zugehörigkeit aufgrund der eigenen Identifikation und der Anerkennung von außen hinaus, gibt es einige weitere identitätsstiftende Merkmale, welche jedoch nicht auf alle Kurden angewendet werden können. Hierzu gehören Sprache, Religion, Abstammung und auch das verbreitete Zusammengehörigkeitsgefühl (vgl. Dogan u.a. 2008, 7).

Die Kurden sind nicht Türken und Araber. Der Narrativ, Kurden als Türken darzustellen, lässt sich auf die rigide kemalistische Praxis zurückführen. Kurden stellen neben Arabern und Türken eines der größten Völker im Nahen Osten. Mit Blick auf die Geschichte dieses alten Volks ist zu bemerken, dass sich Kurden in ihrer Geschichte immer im Einflussbereich verschiedener, sich abwechselnder Großreiche befanden. Typischerweise ist jedoch nicht ganz klar, ab wann man von den Kurden sprechen kann. Assyrische und sumerische Schriften aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. belegen die Existenz eines „Qurti“-Volks, das im nördlichen Zagros-Gebirge (im heutigen Iran) gelebt haben soll (vgl. Yildiz 1992, 5). Auf den beiden sumerischen Steinschwellen wird das Land „Kardaka“, das nordöstlich von Mesopotamien liegen soll (vgl. Senol 1992, 28).

Das Wort Kurde wurde schon in der Antike von Xenophon verwendet. Aber über ihre Herkunft gibt es wenige Informationen. Es wird angenommen, dass die Kurden von Meder oder Skythen abstammen (vgl. Demirkol 1997, 9). Der griechische Historiker Xenophon berichtet in seinem wohlbekannten Werk „Anabasis“ über die Vorfälle der griechischen Soldaten, nördlich von Mesopotamien beim „Rückzug der Zehntausend“ in den Jahren 401-400 v. Chr., mit einer Volksgruppe namens „Karduch“ (vgl. Senol 1992, 28). Die Mythologie von Newroz wurde vor dieser Zeit überliefert. Das kurdische Newroz-Fest lässt sich auf das Jahr 612 v. Chr. zurückverfolgen, dem gleichen Jahr in dem das Medische Reich errichtet wurde: „Nach einer alten kurdischen Legende befreite der Schmied Kawa am 21 März 612 v. Chr. die Völker des Mittleren Ostens aus der Tyrannei des Fürsten Dahak. Seitdem wird der 21. März […] als Symbol für Befreiung, Widerstand und Freiheit gefeiert. Dieser Tag wird Newroz genannt und heißt ‚ neuer Tag“ (Yildiz 1994, 6).

Die Kurden sind eines der ältesten Völker der Erde. Dennoch sind sie, bei einer Gesamtpopulation von geschätzten 30 - 40 Millionen Menschen bis heute das zahlenmäßig größte Volk der Erde ohne eigenen Staat. Die Bezeichnung Kurdistan findet zum ersten Mal nach der Auflösung des Groß- Seldschukenreiches gegen Ende des 11. Jahrhunderts Erwähnung (vgl. Dogan u.a. 2008, 6). Zum ersten Mal stießen die Kurden mit den Türken zusammen. Die Seldschuken drangen aus Zentralasien nach Anatolien vor. Mit der siegreichen Schlacht von Manziker im Jahr 1071 gegen das byzantinische Reich wurden die kurdischen Gebiete dem Seldschukenreich einverleibt (vgl. Yildiz 1994, 7). Unter dem langjährigen Herrscher Sultan Sanschar (1118-1157) entstand im Staat Chorsan (Ost-Persien) eine Provinz mit dem Namen Kurdistan, was soviel bedeutete wie Land der Kurden. Im Osmanischen Reich gab es gleichfalls eine Provinz mit Namen Kurdistan (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 20). Im heutigen Sprachgebrauch wird der Begriff Kurdistan offiziell nur noch für die Provinz Sanandaj im Iran verwendet (vgl. Dogan u.a. 2008, 6).

1.2 Geographische Lage
Eine allgemein akzeptierte geographische Definition Kurdistans gibt es nicht. Das ist nicht überraschend, weil mit dem Begriff ganz verschiedene Vorstellungen verbunden werden. Kurdische Nationalisten verwenden ihn mit Nachdruck, während die Staaten, auf deren Territorien Kurdistan liegt, ihn leugnen oder ignorieren. Kurdistan ist auf der einen Seite (z.B. in der Türkei) ein verpöntes zuweilen auch verbotenes Wort, auf der anderen Seite ein politischer Kampfbegriff, der das Ziel eines beträchtlichen Teils der Kurden benennt (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 20).

Es gibt heute kein exaktes geographisches Territorium Kurdistan und es ist auch nicht fixiert, und so lässt sich Kurdistan auch nicht genau in festgelegten Grenzen definieren. Je nachdem, auf welches internationale Abkommen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts man sich bezieht, können die kurdischen Gebiete ganz unterschiedliche Ausmaße annehmen. Die Kurden selbst sind sozusagen ein Volk ohne einen Staat. Die meisten Kurden leben in einem zusammenhängenden Siedlungsgebiet, das weite Teile der Türkei, des Iran, des Irak und Syrien umfasst. Weder existierende noch antizipierte Nationalstaaten weisen ethnische Homogenität auf (vgl. Amman 2001, 64).

In der Literatur tauchte die Bezeichnung „Kurdistan“ erstmals im elften Jahrhundert auf. Geographisch gesehen ist Kurdistan eine ausgedehnte Gebirgslandschaft in Vorderasien und wird heute auf sechs verschiedene Staaten verteilt, nämlich Irak, Iran, Aserbaidschan, Armenien, Türkei und Syrien. Eine von allen Völkern der Region akzeptierte einheitliche Karte Kurdistan gibt es nicht (vgl. Ibrahim 1983, 109). Die gesamte Fläche Kurdistans beträgt über 500.000 qkm, davon liegen in Ost-Kurdistan 175.000 qkm, in Süd-Kurdistan 75.000 qkm, in Süd-West-Kurdistan 15.000 qkm und in Nord-West Kurdistan 235.000 qkm (vgl. Kizilhan 1995, 17).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kurdische Siedlungsgebiete (Quelle: NAVEND - Zentrum für Kurdische Studien e.V., Bonn, 2013a)

Im Norden bilden Erzurum, Kars und der Urmiye See die Grenze von Kurdistans; die östliche Grenze verläuft vom Urmiye See aus entlang den Zagros-Ketten bis zum Persischen Golf; „im Süden verläuft die Grenze vom Persischen Golf bis hin zum westlichen Teil der Zagros-Ketten, vorbei am alten Babylon und an Bagdad, weiter östlich des Tigris und dann stromaufwärts auch westlich von diesem. Dann folgt das von Suleymania, Mossul und Kirkuk umschlossene Gebiet und in einer westwärts gerichteten Linie der nordöstliche Teil Syriens von Aleppo bis Iskenderum; westlich von Iskenderum verläuft dann die Grenze über Maras, Malatya, Sivas, Erzincan und Dersim bis nach Erzurum. Das ist das Land, auf dem die Kurden gelebt haben und leben (vgl. Kizilhan 1995, 17f).

1.3 Geschichtlicher Überblick
Im Altertum kämpften die Kurden gegen alle Könige Assyriens. Sie schlossen sich später den Chaldäern an, eroberten mit ihnen 612 v. Chr. Ninive und gründeten das Medische Reich. Im Jahr 550 v. Chr. wurde das Medische Reich durch Achämeniden zerstört. Danach begann die Zeit der verschiedenen Herrschaften über Kurdistan (vgl. Kizilhan 1995, 19).

Mit dem Aufbruch des Islams nach Norden versuchten die Araber im Jahr 637 erst die Kurden zu unterwerfen und zu islamisieren. Dass die Kurden gegen Araber einen großen Widerstand leisteten, konnten die Araber erst im 8. Jahrhundert sie zwangsislamisieren (vgl. Demirkol 1997, 9). Bis zu diesem Zeitpunkt waren fast alle Kurden von ihrer Religion her Angehörige Zarathustras, der iranischer, kurdischer Prophet und der 600 v. Chr. lebte (vgl. Kizilhan 1995, 19).

Im 11 Jahrhundert mussten sich die Kurden gegen die Byzantiner und die Seldschuken wehren, da Byzantiner nach Osten drängten und die Seldschuken von Zentralasien nach Westen marschierten (vgl. Kizilhan 1995, 20). Nach dem Sieg der Seldschuken gegen Byzantiner im Jahr 1071 geriet Kurdistan nach und nach unter die Herrschaft der Seldschuken. Im 13. und 14. Jahrhundert herrschten die Mongolen in Kurdistan. Dann kamen die türkischen Stämme (Akkoyunlu und Karakoyunlu) aus Mittelasien nach Anatolien. Ihre Herrschaft dauerte bis zum Überfall der Osmanen im Jahre 1514 (vgl. Demirkol, 1997, 9).

Im späten Mittelalter konnten die Kurden unter wechselnden Dynastien ihre Eigenständigkeit wahren. Sie hatten innerhalb des osmanischen Reiches zahlreiche Fürstentümer und erlebten in dieser Zeit eine bedeutende Blütezeit. Bis Ende des 17. Jahrhunderts wurde diese Zeit von Kurden als kurdische Renaissance in materieller und kultureller Hinsicht bezeichnet (vgl. Kizilhan 1995, 20).

Im Jahr 1689 wurde Kurdistan erstmals mit dem Vertrag von Qasr-i Shirin, der einen jahrhundertlangen Frieden in der Region zufolge hatte, zwischen dem persischen und dem osmanischen Reich aufgeteilt (vgl. Özdemir 2006, 29). Diese Frieden Vertrag wurde von Kurden die „Erste kurdische Teilung“ genant (vgl. Deschner 2003, 11). Dies war auch zugleich die erste große Teilung des kurdischen Volkes als Sunniten und Schiiten, deren Überwindung immer noch ein großes Problem darstellt. Der schiitische und alevitische Glaube wird hier gleichgesetzt und wird in ihre Unterschiede hier nicht eingegangen (vgl. Demirkol 1997, 10). „Die verschiedenen Fürstentümer verhandelten mit den Türken und Persern und konnten so ihre Selbständigkeit bewahren, mussten aber als Gegenleistung Soldaten für die Heere dieser Großmächte bereithalten. In dieser Zeit fällt der Höhepunkt der kurdischen Literatur und Kultur“ (Kizilhan 1995, 20).

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts begann die Neidergang des Osmanischen Reiches und verlor seinen Einfluss über die kurdische Region. Vom Jahr 1876 an häuften sich die kurdischen Revolten gegen das osmanischen Reich (1879-80, 1886-89, 1923) Dieser Aufstände wurden von den Osmanen grausam unterdrückt (vgl. Kizilhan 1995, 21). Nachdem französische Revolution entwickelt sich eine panislamische bzw. pantürkische Bewegungen im Osmanischen Reich. Auch die Kurden entdeckten ihre ethnische Identität und somit ihr Nationalbewusstsein. Nach dem 1. Weltkrieg legten die Alliierten im Vertrag von Sèvres im Jahr 1920 die Aufsplitterung des geschlagenen Osmanischen Reichs fest und stellten den Kurden eine autonome Region mit Potential zum Staat in Aussicht. Unter der Führung Mustafa Kemals erwirkte die türkische Nationalbewegung durch den Unabhängigkeitskrieg einen neuen Vertrag. den Vertrag von Lausanne. der im Jahr 1923 unterzeichnet wurde Dieser Vertrag sprach große Teile des geplanten Kurdistans der kommenden Republik Türkei zu und wurde die Gründung eines kurdischen Staates nicht mehr vorgesehen (vgl. McDowall 1996, 137f). „Der Lausanner Vertrag berücksichtigte die ethnischen, wirtschaftlichen und historischen Gegebenheiten nicht. Er teilte das kurdische Volk in vier Teile auf“ (Kizilhan 1995, 21).

Die vereinbarten Vorgaben im Vertrag von Lausanne wurden durch den türkischen Nationalstaat nicht eingehalten. Die Kurden wurden Bergtürken genant und ihre distinkte kulturelle Existenz geleugnet. Die Ortsnamen, in dem die Kurden Leben wurden in ihrem Gebiet türkisiert (vgl. Ammann 2001, 79). Viele Kurden setzten sich gegen nationalistische Politik Mustafa Kemals wider und übten Aufstände (1925, 1929, 1937). Reaktionen der türkischen Regierung waren extrem repressiv und wurde im Laufe der Jahre die kurdische Sprache und Kultur gänzlich verboten und führten sie auch Zwangsumsiedlungen durch (vgl. Özdemir 2006, 73). Als bewiesen gilt zudem, dass im Rahmen dieser Assimilationsbestrebungen der türkischen Regierung der Gebrauch kurdischer Sprachen verboten und die Umsiedlung (auf Grundlage des Deportationsgesetzes vom 14. Juni 1930) von Teilen der kurdischen Bevölkerung in den Westen der Türkei angeordnet wurde. Im Anschluss an die Niederschlagung der lokalen Aufstände herrschte von 1938 bis 1960 in den kurdischen Provinzen der Türkei nahezu ununterbrochen Ausnahmezustand (Brieden 1996, 52).

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Irak vom Osmanischen Reich abgespalten und bis 1932 stand unter britischer Verwaltung. Die Idee eines kurdischen Staates wurde aus strategischen Gründen abgelehnt (vgl. McDowall 1996, 168). Ähnlich wie auch Mustafa Kemal verfolgte der Iran unter Reza Schah zu dieser Zeit die Politik einer ,,Iranisierung der Bevölkerung und zielte auch im Namen einer Zentralisierung des Staates auf die Auflösung der Stammesstrukturen ab. So waren die Kurden im größten Teil ihres Siedlungsgebietes (mit Ausnahme des syrischen) massiver Unterdrückung ausgesetzt und ein kurdischer Staat lag in weiter Ferne. Im Jahre 1946 jedoch wurde unter dem Schutz der Sowjets in Mahabad (kurdische Stadt im Westiran) die gleichnamige kurdische Republik ins Leben gerufen. Die Existenz des ersten und bisher auch einzigen kurdischen Staats war allerdings nicht von langer Dauer, da die sowjetische Besatzungsmacht auf Druck der Amerikaner wieder abzog und die Region vom Iran nach nur elf Monaten zurückerobert werden konnte (vgl. McDowall 1996, 222f).

Es ist zu sehen, dass das gesamte 19. Jahrhundert von kurdischen Aufständen geprägt war. Diese Aufstände erfolgten bereits ein kurdisch-nationalistisches Motiv und wurden oft blutig niedergeschlagen. Die bis heute erhaltene Vierteilung Kurdistans wurde im Vertrag von Lausanne festgelegt, der zwischen den Alliierten und den Türken unter Ausschluss kurdischer Vertreter am 27.07.1923 geschlossen wurde (vgl. Özdemir 2006, 73). Seit dem Inkrafttreten dieses Vertrages sind Kurden auf dem Papier, also in ihren Pässen und allen anderen offiziellen Dokumenten Türken, Syrer, Iraker oder Iraner (vgl. Kizilhan 1995, 20f).

Über die Staatsgrenzen, die sich durch das kurdische Gebiet ziehen, schreibt Deschner (2003, 14): „Die Grenzen, die Kurdistan teilen, sind weder natürliche, wirtschaftliche noch kulturelle Grenzen. Es sind künstliche Grenzen, die gegen den Willen des kurdischen Volkes nach den Interessen der Teilungsmächte und eines von den Westmächten definierten, Gleichgewichts‘ gezogen wurden. Sie haben ganze Landschaften, ja Städte und Dörfer, ganze Stämme und sogar Sippen und Familien voneinander getrennt.“

1.4 Die Kurdische Sprache
Die Sprache ist die wichtigste kurdische Identifikation. Dieser Umstand bleibt unberührt von der Tatsache, dass nicht alle, die Kurden sind, auch die kurdische Sprache beherrschen. Kurdisch wird den westiranischen Sprachen zugerechnet, die zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehören (vgl. Ammann 2001, 69). Die Kurden sehen ihre kulturellen Wurzeln in den iranischen und indischen Hochkulturen der vergangenen Jahrtausende. Es gibt heute keine standardisierte einheitliche kurdische Sprache. Die kurdische Sprache unterteilt sich in mehrere Dialekte und Mundarten, die stark voneinander abweichen und daher wechselseitig nur schwer verständlich sind und ist nirgendwo Hauptsprache des jeweiligen Nationalstaates. Zu den Dialekten zählt man für gewöhnlich Kurmandschi, Sorani, Zazaki und Gorani. Diese Differenzierungen und die fehlende politische Einheit unter den Kurden haben dazu beitragen, dass die Kommunikation unter ihnen beeinträchtigt ist (Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 31; Kizilhan 1995, 19).

In der Literatur werden Kurmandschi und Sorani als wichtigste kurdische Dialekte benennt. Kurmandschi wird in den meisten kurdischen Gebieten der Türkei, in den nördlichen Gebieten des Irak und Iran, in der Enklave Khorasan (Iran), den kurdischen Gebiete Syriens und von Kurden der ehemaligen Sowjetunion gesprochen. Sorani wird im Großteil der kurdischen Gebiete des Iran und Irak gesprochen. Zazaki oder Zaza, regional auch als Dimili oder Kurmancki bezeichnet, nimmt eine Sonderstellung ein. Zazaki wird in dem Gebiet zwischen Diyarbakir, Sivas und Erzurum in der Türkei gesprochen. Gorani wird um Kermanshah im Iran gesprochen (vgl. Ammann 2001, 69f). Von Kurdischer Seite wird die Zahl der Kurmandschi-Sprecher auf 15 Millionen, jene der Sorani-Sprecher auf 6 und die der Zaza-Spprecher auf 4 Millionen geschätzt (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 32). In den Ländern, in denen die Kurden leben, hat sich kurdische Sprache unter ganz verschiedenen Bedingungen entwickelt. Die besondere Situation war bis vor kurzem in der Türkei. Vor der Niederschlagung der kurdischen Aufstände in den zwanziger und dreißiger Jahren bis zum Beginn der 1990er Jahre war die kurdische Sprache hinweg verboten. Zwar wurden ab und zu kurzfristig die Gesetze wieder gelockert, dann wurde der Gebrauch kurdischer Sprache sogar unter Strafe gestellt, danach wieder legalisiert. Bezüglich der „Legalität‘‘ des Kurdischen herrscht also in der Türkei vielfach eine widersprüchliche, durchwachsene und unübersichtliche Situation. Im Irak unterlag die kurdische Sprache (Sorani) keinen derartigen Beschränkungen, ähnlich ist die Situation im Iran. Den kurdischen Minderheiten in Syrien und dem Kaukasus räumt man häufig eine untergeordnete Rolle in Bezug auf die Erhaltung und Pflege der kurdischen Sprache ein (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 32ff). Obwohl die kurdische Sprache in den Siedlungsgebieten bis hin zu ihrem gesetzlichen Verbot unterdrückt und bekämpft wurde und noch immer wird, ist sie doch nicht ausgestorben. Dafür sorgen nicht nur die Kurden in den Siedlungsgebieten, sondern auch zahlreiche kurdische Intellektuelle im Exil, beispielsweise in Deutschland, Frankreich und Schweden. Als Publizisten und Literaten engagieren sie sich für den Erhalt der kurdischen Sprache und pflegen diese (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 30f).

1.5 Religionen
Es gibt kaum ein historisches Ereignis, das das Leben der Kurden so nachhältig beeinflusst wie die Ausbreitung des Islams im 7. Jahrhundert. Seine strikten Sitten und Gebote fassten unter der Bauern und Nomaden Fuß, seine Weltordnung konnte die alten heidnischen Kosmologien und Gebräuche, den Feuerkult und die blühenden Mythologien fast vollständig ersetzen (vgl. Aziz 1992, 78).

Religion hat trotz oberflächlicher Säkularisierung ihren zentralen Platz in der Identität behalten oder sogar verstärkt, besonders im Fall der Minderheiten. Religionsgemeinschaften wie die der Aleviten (in der Türkei), Yeziden (Türkei, Irak, Syrien), Ahl-i Haqq oder Kaka’i (Iran-Irak), Zwölfer-Schiiten (Iran-Irak) sowie die christliche Minderheiten haben den Charakter von Ethnien angenommen, die sich stark von den sunnitischen Muslimen abgrenzen und in bestimmter Hinsicht weniger kurdisch als Letztere sind, indem für sie die eigene religiöse Identität die wichtigste ist und sie außer dem kurdischen auch noch aus anderen möglichen übergreifenden Identitäten wählen können (vgl. Bruinessen 2003, 9).

In kurdischen Gebieten des Vorderen Orients sind durch Jahrtausend hindurch Religionen entstanden und untergegangen. Die kulturellen Wurzeln der Vorfahren der Kurden liegen überwiegend in den altiranischen und altindischen Zivilisationen begründet. Ihre religiösen Anschauungen umfassten die Verehrung von Naturalelementen wie Wasser und Feuer und die Einteilung der Gesellschaft in eine Priesterkaste und Laien. Daraus entwickelte sich der Zoroastrismus, gestiftet durch den Propheten Zarathustra um 1000 v. Chr., dessen Kern sich um dualistische Pole wie die von Gut und Böse, Anfang und Ende usw. dreht. Ein weiterer religiöser Einfluss ist der Manichäismus des religiösen Stifters Mani (216-277 n. Chr.) (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 42).

Heute sind die meisten Kurden orthodoxe sunnitische Moslems, die der Schafi’i-Tradition, einer der vier islamischen Rechtschulen, folgen (vgl. Aziz 1992, 78). Im Unterschied zu ihren türkischen Nachbarn sind die Mehrzahl der Kurden Anhänger der schafiitischen Rechtsschule. Die kurdische Sunna hat zahlreiche mystische Elemente und ist stark mit verbunden (vgl. Ibrahim 1983, 105). Die andere Konfession des Islams, die Schia, folgt insoweit der Sunna. Als Schiiten (der Name leitet sich her von dem Begriff schiat Ali, Partei Alis) lassen sich ganz allgemein jene Muslime bezeichnen. Im Westen und im Südosten des kurdischen Siedlungsgebietes sind schiitische Kurden sind im anzutreffen. Der Kern der schiitischen Lehre beruht – neben dem Koran und den Lehren Mohammeds - auf den Überlieferungen der historischen zwölf Imame (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 43). Diese schiitischen Kurden sollten nicht mit den alevitischen Kurden im nordwestlichen Kurdistan verwechselt werden. Obwohl die Aleviten ebenfalls Ali und die anderen elf Imame der Schiiten verehren, akzeptieren sie nicht generell die kanonischen Verpflichtungen des orthodoxen Islam, und sie haben ihre eigenen religiöse Rituale, verschiedenen sowohl von denen der Schiiten als auch der Sunniten (vgl. Bruinessen 1997, 191).

Aleviten ist eine Sammelbezeichnung für Anhänger verschiedener, teilweise schiitisch geprägter Glaubensvorstellungen, zu denen auch große kurdische Bevölkerungsgruppen der Türkei gehören (vgl. Engin 1996, 691f). Auch die Anhänger des Bektasi-Ordens und die in der Türkei unter der arabischen Minderheit in der Hatay-Provinz und in der Region Adana vertretenen Nusairier werden zumeist zu den Aleviten gerechnet. Unter den Kurden in der Türkei macht der Anteil der Aleviten etwa 25% aus (ungefähr vier Millionen). Alevitische Kurden leben vor allem in den Provinzen Maras, Malatya, Xarput und Dersim (vgl. NAVEND 2013b). Eine ähnliche Religion ist die der Ahl-e Haqq oder, wie sie im Irak genant werden, Kaka’i. die meisten Ahl-e Haqq behaupten, eine esoterische Sekte innerhalb des schiitischen Islam zu sein, doch einige betrachten ihren Glauben als eine völlig separate Religion (vgl. Bruinessen 1997, 191).

Die Yeziden sind eine uralte kurdische Religionsgemeinschaft, die unter der muslimischen Mehrheit ihren Glaube, ihre Tradition und ihre Gebrauche in der Geschichte bis heute bewahrt hat und noch immer pflegt. Die Yezidi-Religion ist eine synkretische Religion, die in ihrer lehre Elemente aus der zoroastrischen, manichaestischen, jüdischen, christlichen und islamischen Religionen aufweist (vgl. Ibrahim 1983, 105). Die Herkunft der Bezeichnung Yeziden ist umstritten: „Die Mehrzahl der Historiker leitet den Namen Yezidi von dem alten Gott Ezda und seiner kurdischen Bedeutung ‚Der mich erschaffen hat’ ab“ (Ammann 2001, 262).

Im Zentrum des yezidischen Glauben steht Melek Ta’us, der „Engel Pfau“. Nachdem Gott die Welt erschaffen hat, hat er sich nach yezidischem Glaubens aus der Welt zurückgezogen und dem Engel die Herrschaft über die Welt überlassen. 90% der Yeziden leben außerhalb ihrer Heimat in Europa, in Armenien und in Georgien. Derzeit wird ihre Zahl zwischen 100.000 bis 500.000 geschätzt. Im Kurdistan leben Yezidi in den Provinzen Urfa, Mardin und Siirt, Batman und in Irakisch-Kurdistan wohnen Scheichan- Bezirk zwischen den Flüssen Tigris und Zab (vgl. Aziz 1992, 78f). Und leben sie auch in einer kleinen Gegend in Syrien-Kurdistan (vgl. Bruinessen 1997, 191) In der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 45.000 bis 60.000 Yeziden. Sie leben vorwiegend in den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo sie häufig größere Gemeinden bilden (vgl. Issa 2007, 19).

Die heute schwindenden christlichen und jüdischen Gemeinden in der Region werden im Allgemeinen nicht als kurdisch betrachtet, obwohl die Muttersprache einiger Mitglieder Kurdisch ist (vgl. Bruinessen 1997, 191).

1.6 Soziale Strukturen
Die Situation der kurdischen Gesellschaft beschreibt Aziz (1992, 41): „Kurdistan ist ein zerrissenes Land und ein Land voller Widersprüche. Nicht nur geopolitische Grenzen trennen Kurden von Kurden, sondern auch ethnographiesche, religiöse, ökonomische und allgemein politische.“ Das Spektrum sozialer und politischer Organisationsformen in Kurdistan ist relativ weit. Eine typisch kurdische Sozialorganisation gibt es nicht; von Region zu Region, von Stamm zu Stamm sind die Unterschiede sehr groß (vgl. Aziz 1992, 41). Die Organisationsformen der kurdischen Stämme sind höchst komplex und werden mit verschiedensten Bezeichnungen wiedergegeben. Manche europäische Autoren geben die Organisationsformen „Il“, „Ashirat“, „Taife“ und „Ghabile“ als Synonym für Stamm wieder (vgl. Özdemir 2006, 24).

Die Gesellschaftsstruktur im Nahen und Mittleren Osten ist vielfach geprägt von solidarischen Gemeinschaften mit patriarchalischen Vorstellungen und Lebensweisen. Die kurdische Gesellschaft gehört auch zu diesen Solidargemeinschaften. Insgesamt ist die Gesellschaftsstruktur der Kurden als die einer typischen vorderorientalischen Agrargesellschaft anzusehen. Die Industrialisierung ist in den kurdischen Gebieten wenig fortgeschritten. Bestimmte Organisationsmuster des Vorderen Orients sind bei den Kurden bis heute zentral. Hierzu zählen traditionelle Familien-, Abstammungs-, Sippen- und Stammesbindungen (vgl. Kizilhan 2006, 28f). Es ist aus der Geschichte kurdischer Gebiete auch zu sehen, dass Stämme und Stammesstrukturen eine dominante Rolle in der sozialen Organisation dieser Gebiete hatten (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 205f). Der Zweck dieser Stammeszusammenschlüsse liegt in der sozialen, ökonomischen und politischen Sicherheit ihrer Mitglieder. In der Regel gliedert sich ein Stamm in mehrere Unterstämme, welche sich wiederum in kleinere Clans aufteilen. Die Stammesstrukturen sind ebenso wie die Familien bis heute patrilinear aufgebaut (vgl. Bruinessen 1989, 60). Die Führer der Stämme wurden „Agha“ oder „Khan“ genannt. Die Loyalität der Mitglieder eines Stammes gegenüber ihren Führern war sehr stark, demgegenüber bestand zwischen den Mitgliedern keine hierarchische Abstufung. Die Mitglieder folgten ihren Führern, aber sonst war jeder sein eigener Herr und nahm sein recht in eigene Hand (vgl. Özdemir 2006, 24). Theoretisch wird das Amt des Führers durch Vererbung in der Familie weitergegeben. In der Praxis jedoch sind Bestechung und mit Gewalt verbundene Machtkämpfe zwischen verschiedenen Dynastien und einzelnen Stammesmitgliedern durchaus üblich. In früheren Zeiten waren die Aghas meist Großgrundbesitzer, die die Bauern hemmungslos ausbeuteten (vgl. Bruinessen 1989, 60). Im Prinzip gibt es eine erhebliche Position, manche Stammesführer werden jedoch auch gewählt. Eine traditionelle Einrichtung ist die Versammlung der „Rih Spi“, eine Art Ältestenrat, die der Führerschaft beratend zur Seite stehen (vgl. Ammann 2001, 108).

Zwischen den Bauern und den Aghas besteht ein klassisches feudales Ausbeutungsverhältnis. Das Land, das die Stammesführer als ihr rechtmäßiges Eigentum ansehen, wird von den Bauern bestellt, die für ihr Nutzungsrecht eine Steuer entrichten müssen. Manche Aghas können auch Tribut in Form unbezahlter Arbeit fordern. Der Agha ist in jeder Beziehung die zentrale Person im Leben eines kurdischen Dorfes oder Stammes. Er richtet, schlichtet, verteilt Ämter und Funktionen und entscheidet in allen wichtigen öffentlichen Angelegenheiten (vgl. Aziz 1992, 44f). Diese Herrschaft ist ein oberstes Organisationsprinzip typischer vorderorientalischer Gesellschaften, die eine grundsätzliche Ungleichheit der Menschen annimmt. Einer hat immer die Macht über den anderen, wobei die vorrangige Ungleichheitsbeziehung in diesen Solidargruppen zwischen Mann und Frau besteht, denn Frauen haben nur eingeschränkte Rechte. Aber das Ungleichheitsprinzip betrifft auch alle anderen familiären Beziehungen, z.B. die zwischen Vater und Sohn oder zwischen älterem und jüngerem Bruder, wobei jeweils der Letztere dem ersteren bedingungslos zu gehorchen hat. Wenn konsequent umgesetzt, steht die Familie in diesem System unter der Befehlsgewalt des ältesten männlichen Erwachsenen. Die vorderorientalische Definition von Familie funktioniert weniger über eine emotionale Verbundenheit, „sondern als Produktions- und Konsumgemeinschaft, die allen Mitgliedern dar Überleben‘‘ erleichtert die der Sicherheit der Familienmitglieder dient und die Kindern bestimmte Werte weitervermittelt. Der historisch gewachsene enge und bedingungslose Familienzusammenhalt ist nicht nur in den islamischen Glauben integriert worden, sondern auch in vorderorientalische Rechtsvorstellungen eingegangen. Im Osmanischen Reich wurde bis 1923 noch die Sippenhaft praktiziert, im Irak sogar noch bis unter Saddam Hussein (vgl. Kizilhan 2006, 30f).

In den letzten dreißig Jahren haben sich die traditionellen Lebensformen mehr und mehr aufgelöst, ohne dass sich jedoch etwas an dem klassischen Abhängigkeitsverhältnis den Stammesführern und den Bauern geändert hätte. Verantwortlich für die Veränderungen sind zum einen die Zentralisierungsbestrebungen der jeweiligen Regierungen, zum anderen ökonomische Faktoren, wie die mit dem Vordringen des Kapitalismus einhergehende Mechanisierung der Landwirtschaft und die Auflösung selbstgenügsamer Wirtschaftsformen durch das Eindringen industrieller Waren auch in die letzten Winkel des Landes (vgl. Aziz 1992, 41f). Heutzutage haben nicht alle Kurden eine Stammeszugehörigkeit. Die traditionellen Stammesstrukturen zerfallen jedoch heute zunehmend. Insbesondere in Städten bilden die Nichtstammesangehörigen sogar die Mehrheit der Bevölkerung (vgl. Bruinessen 1989, 659).

Für die kurdischen Gesellschaften sind Haushalt und Familie sehr bedeutsame Begriffe wie für andere nahöstliche Gesellschaften. In der kurdischen Gesellschaft „ist das gemeinsame Wohnen im Haushalt die erwünschte und ideale Form des Zusammenlebens. Nach der Heirat bleiben die Söhne oft zuerst mit ihren Ehefrauen im Haushalt des Vaters. Dies kann solange andauern, bis die Paare mehrere Kinder haben. So entwickeln sich die Haushalte zu Drei Generationen-Familien. Diese Merkmale bilden auch die Kriterien für die soziologische Definition eines Haushalts und seiner Größe. Beispielsweise sind türkisch-kurdische Familien im Durchschnitt größer als türkische Familien. Die durchschnittliche Haushaltsgröße in der Türkei beträgt 4,8 Personen, in kurdischen Gebieten ist die Zahl deutlich höher. Fast der Hälfte Haushalte der kurdischen Gebieten leben sieben oder mehr als 8 Personen (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 200f).

Ein weiterer innerer Konflikt resultiert aus dem Ehrverständnis der Kurden. Für Kurden ist ihre Ehre ein wichtiges und die gesellschaftlichen Verhältnisse prägendes Element. „Ehre ist ein moralisches Kapital, das mit Mut, Großzügigkeit und Beherrschung der weiblichen Sexualität aufgebaut wird und immer gefährdet ist. Ehrenmorde und Blutfehden gehören zum Komplex tribaler Werte, und in ihnen zeigt sich die tribale Struktur am deutlichsten“ (Bruinessen 2003, 10). Ebenso wie auch in vielen anderen Volksgruppen ist die Ehre kein individuelles, sondern ein kollektives Gut. Die Ehre einer kurdischen Familie wird ausschließlich durch männliche Familienoberhäupter repräsentiert und auch verteidigt. Hingegen findet die Verkörperung der Ehre durch die Frau statt. Ausweis der Frauenehre und der Familienehre ist die sexuelle Unversehrtheit der Frau, d.h. die Keuschheit vor der Ehe und die Treue in der Ehe. Die Bewahrung der Ehre der Frau liegt in der Verantwortung der gesamten Familie. Wird sie verletzt, gleicht dies einem Ehrverlust der gesamten Familie (vgl. Bruinessen 1989, 59ff und Kizilhan 2002, 4). Nach wie vor kann eine solche Verletzung durch den Ehrenmord geahndet werden. In Familien, welche diesem archaischen System noch immer anhängen, stehen Mädchen und Frauen bis zur ihrer Heirat unter der Aufsicht der Vaters. Ihre Verheiratung ist eine Familienentscheidung und wird nach deren Interessenausgerichtet (vgl. Dogan u.a. 2008, 14).

Seitdem die Kurden im Irak ihre eigenen Gebiete verwalten, so Bruinessen, hat die Zahl der Ehrenmorde in den Städten zugenommen, insbesondere gegenüber Frauen. Diese Zunahme lasse sich teilweise durch die Wanderung von Stammes-angehörigen in die Städte erklären, welche ihre archaischen Gebräuche mitnahmen. Es sei aber auch Ausdruck des Verlustes von allem, was die Kurden besessen haben, mit Ausnahme ihrer Ehre, welche sie nun in der städtischen Kultur, die sie als unmoralisch empfinden, hoch halten (vgl. Bruinessen 2003, 13). Bruinessen lässt an dieser Stelle bewusst offen, ob es sich um eine tatsächlich zahlenmäßige Zunahme von Ehrenmorden handelt, oder ob diese, dadurch dass sie nun vermehrt in Städten vorkommen, lediglich an Aufmerksamkeit gewinnen. Die Vereinten Nationen registrieren jährlich fünftausend Ehrenmorde innerhalb unterschiedlicher Kulturen in der ganzen Welt. Es muss jedoch von einer Dunkelziffer unbekannter Größe ausgegangen werden, denn viele solcher Ehrenmorde, insbesondere in ländlichen Gebieten, werden nicht zur Anzeige gebracht und erscheinen damit auch in keiner Statistik (vgl. Dogan u.a. 2008, 15).

1.7 Demographische Entwicklungen
Zuverlässige Angaben über die Bevölkerungszahl der Kurden gibt es nicht. Die Staaten, in denen die Kurden leben, haben kein Interesse, deren Zahl zu ermitteln. Eine Ausnahme ist die Völkerzählung in der Türkei im Jahr 1965, bei der die Muttersprache gefragt wurde (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 205). Die Schätzungen über die Bevölkerungszahl der Kurden gehen weit auseinander. Behrendt hält wenig davon, Angaben über die Gesamtzahl aller Kurden zu machen. Die Zahlen beruhen allesamt auf Annahmen, Schätzungen oder Hochrechnungen noch älterer Schätzungen, wobei das Ergebnis je nach politischem Standpunkt mal höher mal niedriger ausfällt (vgl. Behrendt 1993, 51). Bruinessen und Vanly begründen ihre demographischen Berechnungen ausführlich. Die beiden Autoren berufen sich auf offizielle Volkszählungsergebnisse und eigene Recher¬chen. Bruinessen schätzt den Anteil der Kurden in der Türkei für 1975 auf 19%. Vanly schätzt den kurdischen Anteil an der Gesamtbevölkerung im Jahre 1983 auf 24% (vgl. Skubsch 2000, 110).

Tabelle 1: Quelle: Türkische Statistikamt (TÜIK) 2013

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Angaben im Jahr 2002 schätzt Pawlowsky die Bevölkerungszahl der Kurden in der Türkei 13 bis 14 Millionen. Der größte Teil der kurdischen Siedlungsgebiete liegt mit etwa 194.000 qkm. Etwa 3 Mio. Kurden leben in Istanbul, 2 bis 3 Mio. an der Südküste, 1 Mio. an der Ägäisküste, 1 Mio. in Zentralanatolien und etwa 6 Mio. in kurdischen Gebieten in der Türkei. Im Nordirak leben 3, 7 Mio. Kurden und diese Region umfasst ca. 437.000. Im Iran leben auf eine Fläche von etwa 125.000 qkm schätzungsweise über 7 Mio. Kurden vorwiegend im Grenzgebiet zur Türkei und zum Irak. Im Syrien leben über Mio. Kurden, von denen die überwiegende Anzahl syrische Staatsbürger mit allen bürgerlichen Rechten und Pflichten sind (vgl. Pawlowsky 2005, 188ff) Nach Angaben NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. im Jahr 1997 leben ca. 34-40 Millionen Kurden weltweit. Der große Anteil der Kurden (ca. 18-20 Millionen) lebt In der Türkei (vgl. NAVEND 2002a).

Tabelle 2: Quelle: NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V., Bonn 2002a

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Thiermann gelten die Kurden heute als weltweit größtes Volk ohne Land. Schätzungsweise wird von einer Zahl von 20 bis 30 Millionen Kurden, von denen etwa die Hälfte in der Türkei ansässig ist, weltweit ausgegangen. An der Gesamtpopulation der Türkei von 74.724.269 Einwohnern im Jahr 2011 (Türkische Statistikamt 2012) stellen Kurden ungefähr 18% dar. Die überwiegende Mehrzahl (70%) der Türken und Kurden in der Türkei sind Muslime sunnitischer Ausrichtung, etwa 15 bis 25 % sind alevitischen Glaubens. Der Islam wird trotz der laizistischen Ausrichtung der Türkei seitens der türkischen Regierung oftmals zur Förderung eines Gemeinschaftssinnes angeführt (vgl. Thiermann 2012, 20).

In der letzten Zeit rückten die Kurden in den türkischen Metropolen sowohl in Deutschland als auch in der Türkei stärker ins Bewusstsein. Während bisher die Gesamtzahl der Kurden in der Türkei von offizieller Seite – wenn überhaupt von Kurden gesprochen wird – eher niedrig angegeben wurde, wird nun betont, welche große Zahl von Kurden in den Westen migriert sei. Nach der ladläufigen türkischen Formulierung lebt mittlerweile mehr als die Hälfte aller Kurden im Westen der Türkei. Im Jahr 1990 lebten 34,8% der 7 Millionen Kurden im Westen und 1995 höchstens 40% (vgl. Wedel 1997, 155).

1.8 Die wirtschaftliche Lage
Jahrhundertlang waren die Kurden vor allem ein Hirten- und Bauernvolk. Ganze Stämme zogen mit ihren Schaf- oder Ziegenherden nomadisierend umher und lebten dabei fast ausschließlich von den Produkten dieser Tiere. Es gibt kaum Statistiken, die ökonomische Strukturen in Gesamtkurdistan erfassen; zuverlässige Daten sind immer auf die einzelnen Staaten beschränkt (vgl. Aziz 1992, 53f).

Der kurdische Landesteil auf türkischem Staatgebiet stellt den größten Anteil an Kurdistan dar und nimmt etwa 30% des türkischen Gebiets ein. Die kurdische Bevölkerung ist vorwiegend bäuerlich, doch in den letzten Jahren findet eine zunehmende Urbanisierung statt. Diese ist das Ergebnis einerseits des Bevölkerungswachstums, andererseits der Mechanisierung der Landwirtschaft. Die wachsenden kurdischen Städte sind alle von Elendsvierteln umgeben (vgl. Senol 1992, 47ff).

Bis heute ist Türkisch-Kurdistan eine ausgeprägt strukturschwache Region. Die geringe Entwicklung Kurdistans ist vor allem das Resultat der türkischen Politik, die das Niveau der Wirtschaft in den kurdischen Gebieten weit unter dem gesamt-türkischen Durchschnitt hält. Es handelt sich dabei ganz eindeutig um eine Politik gegenüber Kurdistan, die sich immer auf Gewalt stützt. Die Investitionen in Kurdistan stehen in keinerlei Verhältnis zu den Reichtümern an Bodenschätzen wie Erdöl, Vieh und landwirtschaftlichen Produkten, die aus Kurdistan abgezogen werden. Wie die folgende Statistik zeigt, entfallen auf die Türkei 87,5 % des Investitionsvolumens, während Kurdistan mit nur 12,5 % weit dahinter zurückbleibt, und das angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaft der Türkei von diesen Reichtümern abhängig ist (Senol 1992, 49f).

In Türkisch- Kurdistan sind 70% des Landes Staatseigentum und 25% Eigentum der Großgrundbesitzer. Ungefähr 40% der Bevölkerung sind Landlose. Die Agrarreform wurde insbesondere in Kurdistan nicht erwünscht, da die staatliche Macht nur durch Koalieren mir den kurdischen Großgrundbesitzern in Kurdistan behalten werden konnte. Mit diesem Vorgehen haben die Kemalisten ihre Macht in Kurdistan befestigt (Garip 2013, 56f).

Seit 1984, in dem der bewaffneten Kampf der Kurden in der Türkei aufgenommen wurde, wird die Bevölkerung in Kurdistan mehr als je zuvor durch Folter, Mord und Verhaftung systematisch unterdrückt und verfolgt, Menschen verschwinden oder fliehen ins Exil. Dadurch wurde materielle Infrastruktur entweder vernichtet oder ihr Aufbau verhindert. In dieser Zeit hat die Arbeitslosigkeit massiv zugenommen – nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten, in die viele Kurden sich nach der Zerstörung ihrer Dörfer zu flüchten genötigt sahen (vgl. Kizilhan 2002, 28ff).

Noch 1960 verfügten die Großgrundbesitzer in Iranisch- Kurdistan, die nur 0,3 Prozent der Bevölkerung ausmachten, über 64 Prozent des bewirtschafteten Landes. Eine bäuerliche Mittelklasse gab es kaum, dagegen waren 72 Prozent schlechtbezahlte Landarbeiter, die keine Vorräte anlegen konnten und die ärmste Bevölkerungsgruppe darstellen. Iranisch-Kurdistan ist auch reich an Bodenschätzen, die zum Teil noch nicht einmal erschlossen sind. Der Gutteil der Bevölkerung arbeitet im landwirtschaftlichen Sektor, dieser ist auch hier die wichtigste Einkommensquelle. Außer der Erdölförderung sind in diesem Teilgebiet keine nennenswerten Industriezweige ansässig. Insgesamt kann der Lebensstandard in Iranisch-Kurdistan als niedrig beschrieben werden (vgl. Aziz 1992, 58).

Die syrischen Kurden sind hauptsächlich Bauern. Die Landwirtschaft in Syrisch-Kurdisan ist intensiv in den Bergen des Kurd-Dagh, extensiv in den beiden anderen Regionen (Ain al-Arab und Djazira). Zur Landwirtschaft kommen andere Wirtschaftszweige hinzu. Diese sind Ziegen- und Schafszucht, Milchproduktion, Weben von Kelim und die Herstellung von Olivenöl und Holzkohle. Das städtische Element, das meist von Kleinhandel und Handwerk lebt, stellt nur 20% der Bevölkerung (vgl. Nazdar 1984, 401).

Die ökonomische Situation in Irakisch-Kurdistan unterscheidet sich wie zu erwarten kaum von der in den anderen besprochenen Ländern. Erwähnenswert sind jedoch die großen Erdölvorkommen im Nordirak, die nach dem Ersten Weltkrieg das Interesse der Westmächte auf sich zogen und bei Vertragabschlüssen zu einer Sonderbehandlung der Provinzen Mossul und Kirkuk geführt haben. Die Regierung in Bagdad hat immer wieder versucht, die Bevölkerungszahl der Kurden in diesen Gebieten möglichst gering erscheinen zu lassen, sei es durch Fälschung der Statistiken oder strenge Maßnahmen wie Zwangsumsiedlungen. Zweck der Übung war es, die Kurden durch Gewährung einer begrenzten Autonomie zu befrieden, ohne die Kontrolle über die großen Ölreserven zu verlieren. Auch im Irak also ist die wirtschaftliche Situation der Kurden ist katastrophal (vgl. Aziz 1992, 64f). Ein weiteres Problem im Irak stellt die Situation der Dorfbevölkerung dar. Die wirtschaftliche Lage der Kurden in Irak ist elend. Nach der Veränderung, so werde der Sturz des Saddam-Regimes im Irak bezeichnet, ist die Arbeitslosigkeit auch bedingt durch die Auflösung der Armee auf 80% gestiegen. In dieser Notlage sei der eine oder andere bereit, sich für ein- oder zweihundert Dollar von Terroristen für Anschläge anwerben zu lassen (vgl. Dogan u.a. 2008, 12).

2. Die Situation der Kurden in den Herkunftsländern
Zur Zeit des Osmanischen Reichs und Persiens bildete die Kurdenregion über einen Zeitraum von dreihundert Jahren eine Art Puffer zwischen Osmanen und Persern. Die Grenzen waren durchlässig und konnten von kurdischen Nomaden unbehelligt passiert werden. Auf beiden Seiten bestanden von den jeweiligen Herrschern anerkannte kurdische Autonomieregionen. Zu einer wirklichen Grenzziehung kam es erst mit dem Zerfall des Osmanischen Reichs und den darauf folgenden Nationsbildungen der Staaten Türkei, Syrien, Irak und Iran. Das Siedlungsgebiet und damit das Volk der Kurden wurden auf diese vier Staaten aufgeteilt, in denen die Kurden bis heute als Minderheiten leben (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 75f).

Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen zentralistische Staatssysteme die Plätze der demgegenüber nur lose integrierten Reiche der Perser und Osmanen ein. Wie andere traditionelle, vorindustrielle und vorkapitalistische Staaten waren Osmanische Reich und das Persische Reich nicht in der Lage, über alle Provinzen und ethnische Gruppen eine faktische politische Kontrolle auszuüben. Die Einverleibung der Bevölkerung war nur kollektiv möglich, indem man sich der Loyalität einer religiösen oder ethnischen Gemeinschaft bzw. ihrer Oberhäupter versicherte. Unter diesen Bedingungen fanden Integration oder Assimilation nur in geringem Ausmaß statt. Die modernen Nachkriegsstaaten Türkei, Iran, Irak und Syrien wurden dagegen in allen Aspekten des ökonomischen, politischen, kulturellen und sprachlichen Lebens streng zentral strukturiert. Die Integration ethnischer Minderheiten durch sprachliche und kulturelle Assimilation war ein vorrangiges Ziel dieser Staaten. Sie richteten sich nach dem Modell der Nationenstaaten in Europa mit einer Sprache, einer Kultur und einem Zentrum der politischen Macht (vgl. Skubsch 2000, 67). „Die Bürger sind individuell, nicht kollektiv an den Staat gebunden. Individuen unterschiedlicher ethnischer oder linguistischer Zuschreibung haben gleiche Rechte und Pflichten gegenüber dem Staat. Die Erfüllung der Gleichheitsrechte hat jedoch die Assimilation zur Folge, da nur die Sprache und Kultur der dominanten Gruppe offiziell anerkannt werden“ (ebd., 2000, 67).

Es ist sehr schwer, den Status der Kurden in der Türkei beschreiben zu können. Wurden sie mit dem Begriff „Minderheit“ hinreichend beschrieben? Für Bozarslan ist der Begriff Minderheit sehr problematisch. Nach ihm ist die kurdische Bevölkerung Minderheit und Mehrheit zugleich. Beide Begriffe werden aufeinander bezogen. Kurden als Individuen hätten zwar den Status als volle Staatsbürger, aber als Mitglied der Gruppe der Kurden könnten sie nicht den gleichen Status in Anspruch nehmen wie die dominante ethnische bzw. nationale Gruppe. Nach Bozarslan können die kurdischen Gebiete in der Türkei sowie im Iran und im Irak als „internal colonies“ beschrieben werden, aus denen die Rohstoffe herausgezogen würden, aber in die wenige ökonomische Mittel zurückfließen würden (Skubsch 2000, 70).

Der türkische Soziologe Besikci behauptet, dass Kurdistan eine Kolonie sei. „Die kurdische Frage ist keine Minderheitenfrage. ... Die Kurden leben in Kurdistan in ihrer eigenen Heimat, in ihrem eigenen Land. Sie sind die Ureinwohner des Landes und sind nicht aus einem anderen Gebiet herzogen“ (Besikci 1991, 21). Mit ihrer Bevölkerungszahl 20 bis 30 Millionen hätte das kurdische Volk mehr Bevölkerung als viele Staaten im Nahen Osten. „Das Grundproblem der kurdischen Frage ist, dass die kurdische Nation und Kurdistan durch die imperialistischen Mächte und durch ihre Kollaborateure im Nahen Osten zersplittert und aufgeteilt wurden und der kurdischen Nation ihr Recht genommen wurde, einen unabhängigen Staat zu gründen“ (ebd., 23).

Also habe Kurdistan den Status einer Kolonie, es sei von der Türkei, dem Irak, dem Iran und Syrien besetzt. Während man aber bei den klassischen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent die Identität der kolonialisierten Völker anerkannt, sei es das Ziel der Kurdistan kolonialisierenden Regimes, die Identität der Kurden zu vernichten (vgl. ebd., 23). „Kurdistan ist noch nicht einmal eine Kolonie, das kurdische Volk ist noch nicht einmal kolonialisiert. Der politische Status Kurdistans und des kurdischen Volkes befindet sich sehr weit unter dem einer Kolonie. Kurdistan hat weder einen politischen Status, noch eine politische Identität. Die Kurden sind ein Volk, welches man versklaven und seiner Identität berauben will, klarer ausgedrückt, es soll mit seiner Kultur und Sprache von der Erdoberfläche getilgt werden. Das Ziel ist es, die kurdische Identität vollkommen zu vernichten“ (ebd., 16f).

Nach Besikci ist die wesentliche Ursache, dass andere Staaten ihre Herrschaft über Kurdistan ausüben konnten, in der nach wie vor feudalistischen und tribalistischen Struktur der kurdischen Gesellschaft. Zur Sicherung ihrer eigenen Macht seien die Aghas oft genug bereit gewesen, Bündnisse mit den Kolonialkräften einzugehen. Ebenso ließen sich verschiedene kurdische Stämme von den türkischen Behörden funktionalisieren (vgl. Besikci 1991, 190). Ein wichtiger Beweis für die „Schwäche der kurdischen Gesellschaft“ sind die Dorfschützer, die Kurden genannt werden und mehr oder weniger freiwillig vom türkischen Staat im Kampf gegen die PKK-Guerilla eingesetzt werden (vgl. Thiermann 2012, 23). Dieses Phänomen wurde von Besikci „Teile-und-Hersche-Politik“ genannt. Es sei den Kurdistan beherrschenden Staaten immer wieder gelungen, die kurdische Gesellschaft zu abteilen. Um die kurdischen Frage zu lösen, müssten die Kurden nicht nur um Selbstbestimmung, sondern auch gegen die bestehende autoritär-hierarchische Ordnung innerhalb der eigenen Gesellschaft kämpfen (Besikci 1991, 190).

2.1 Türkei
Der Vertrag von Sèvres (1920) wurde durch den Frieden Vertrag von Lausanne (1923) revidiert und die Kurden, die in der Türkei ansässig sind, verloren ihr Anrecht auf Minderheitenschutz. Von 1925 bis 1938 kam es in der Türkischen Republik zu mehreren kurdischen Aufständen. Die Niederschlagung der kurdischen Aufstände wird in keinem türkischen Schulbuch erwähnt wie genau die Armenierverfolgung. Die Aufstände gelten in der öffentlichen Rezeption als Angriffe feudalistischer, tribaler oder religiöser Strukturen auf die kemalistischen Reformen. „In der kemalistischen Historiographie werden die kurdischen Aufstände gewöhnlich als letzter Widerstand einer rückständigen, reaktionären Bevölkerung gegen die dringend notwendige Modernisierung dargestellt, und ihre Unterdrückung wird als Bestandteil der zivilisationsbringenden Mission des Regimes betrachtet“ (Bruinessen 1984, zit. in Skubsch 2000, 68).

In den folgenden Jahrzehnten beschleunigten Maßnahmen zur Homogenisierung des türkischen Staates (Kemalismus). In einer Rede deklarierte der türkische Premierminister Ismet Inönü im Jahr 1930: „Alleine die türkische Nation hat das Recht, ethnische und rassische Forderungen in diesem Land zu stellen“ (Timar 1998, 33). Der damalige Premierminister Bülent Ecevit äußerte seine Politik über Kurdische Frage: „Reden über Kurden und ihre nationalen Rechte sowie die Behauptung, dass ihnen auch nationale Rechte zustehen, kann nicht im Rahmen der Meinungsfreiheit zugelassen werden“ (Timar 1998, 33). In der Türkei sind die Kurden nicht als eigenes Volk oder Minderheit anerkannt, sie gelten laut der türkischen Verfassung als Türken. Auf der Basis dieser und anderer gesetzlicher Regelungen wurde von fast allen Regierungen der Republik Türkei die Assimilation der Kurden unter dem Euphemismus Zivilisierung vorangetrieben (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 92f).

Seit Ende der 60er Jahre im studentischen Milieu verbreiteten linkspolitischen Strömungen führten 1978 zur Gründung der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (Partiya Karkerên Kurdistan / PKK) durch Abdullah Öcalan, der damals Student der Politikwissenschaftlichen Fakultät an der Universität Ankara war. Zunächst war das Ziel der ursprünglich marxistisch-leninistisch orientierten Gruppe die Gründung eines unabhängigen kurdischen sozialistischen Nationalstaates in Osten und Südosten der Türkei und seit 1993 die kulturelle und politische Autonomie innerhalb der Türkei (vgl. Demirkol 1997, 35f).[1]
Kurdische Migration in Deutschland
Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des »Islamischen Staates«
Autor: SWP
Erscheinungsort: Berlin
Verleger: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit
Veröffentlichungsdatum: Juli 2018

Für die Regierungen der westlichen Länder ist der Gang der Dinge in Syrien und im Irak ernüchternd. Für die Kurden, die in diesen beiden vom Krieg gezeichneten Staaten leben, ist er dramatisch. Denn mit dem Sieg über den IS endete für die Kurden Syriens und des Irak eine Periode, in der sie sich einerseits einem existenzbedrohenden Gegner gegenübersahen, andererseits aber Teil militärischer Bündnisse waren, auf die sie sich – auch weil die kurdischen Kämpfer für diese Bündnisse unverzichtbar waren – verlassen konnten. Mit dem Ende des Krieges gegen den IS ist diese Unverzichtbarkeit
zur Disposition gestellt und die Kurden beider Länder sind erneut mit der Tatsache konfrontiert, dass sie keine natürliche Schutzmacht haben. Doch wie steht es um die Kurden selbst? Auf welcher wirtschaftlichen, sozialen und politischen Basis beruhen ihre Forderungen nach Selbstbestimmung? Wieweit deckt sich die Politik kurdischer Akteure mit ihrer Rhetorik von einer kurdischen Nation, die durch das Gefühl eines gemeinsamen Schicksals und die Erwartung einer gemeinsamen Zukunft geeint sei und die indes über einen minimalen politischen Konsens verfügt?
Die Autorinnen und Autoren der Studie werfen einen kritischen Blick auf die zeithistorischen, ökonomischen und politischen Parameter des Handelns und Entscheidens kurdischer Akteure. Martin Weiss analysiert die Gründe für das politische Scheitern des Unabhängigkeitsreferendums der irakischen Kurden 2017. Caner Yıldırım und Gülistan Gürbey leuchten das energiepolitische Potential des kurdischen Nord-Irak aus. Arzu Yılmaz deckt Dynamiken des Verhältnisses zwischen den beiden größten kurdischen Parteien des Nahen Ostens auf. Und Katharina Lack schildert die Machtverhältnisse unter den Kurden Syriens.[1]
Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des »Islamischen Staates«
Die kurdische Kultur im Überblick
Autor: Caroline Thon
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Seminararbeit,
Veröffentlichungsdatum: 2002
$1. Einleitung$
Diese Arbeit verspricht einen Überblick über die „kurdische Kultur“. Wer jedoch sind die Kurden? Anhand des Vortrags Jemal Nebez’ über die kurdische Identität diskutiert Max Berehndt, dass es keine„Merkmale“ im Sinne von Sprache, Abstammung, geographische Herkunft, Religion etc. gebe, die von allen Kurden geteilt würden und sie somit zu einer einigermaßen einheitlichen kulturellen Gruppe machen würden. McDowall behauptet diesbezüglich, dass bereits der Ursprung des Begriffs „Kurde“ von einer gemeinsamen ethnischen Wurzel der Kurden weg weist. So bezeichnete der Begriff „Kurde“ zur Zeit seiner Entstehung und auch später eher eine sozio-ökonomische als eine ethnische Gruppe:
„ The term ‚Cyrtii’ was first applied to Seleucid or Parthian mercenary slingers dwelling in the Zagros and it is uncertain that it denoted a coherent linguistic or ethnic group at this juncture.“
Das Kurdentum zeichnet sich also mehr durch Heterogenität als duch eine einheitliche Kultur aus und es stellt sich die (hier leider nicht zu beantwortende) Frage, ob der Begriff „Kurdentum“ nicht eher ein Konstrukt und Instrument nationalistischer Bewegungen ist als eine Bezeichnung für eine reale kulturelle bzw. ethnische Gruppe.
Was nun als „Kurdentum“ oder als„die kurdische Kultur“ bezeichnet wird, werde ich in den folgenden Kapiteln darstellen. Um trotz des hohen Masses kultureller Diversität innerhalb des Kurdentums einen möglichst großflächigen aber nicht zu oberflächlichen Überblick zu bieten, werden sich einige Kapitel dieser Arbeit eher generell mit der kurdischen Kultur auseinandersetzen, während sich andere Kapitel auf ein konkretes Beispiel (in diesem Fall das Dorf Sisin in der türkischen Provinz Hakkari) beziehen werden und somit ein detaillierteres, wenn auch nicht auf die Gesamtheit der Kurden übertragbares Bild liefern.
$2. Basisinformationen$
$2.1 Geographische Lage „Kurdistans“, Bevölkerung und Sprachen$
Histgesehen sind die Kurden wahrscheinlich Abkömmmlinge indo-europäischer Stämme, die um die Zeit 1500 v.Chr. über den Iran nach Westen migrierten. Seit mindestens 2500 Jahren sind sie auf dem Gebiet angesiedelt, das sich heute über vier Staaten erstreckt: Ostanatolien (Türkei), Nordirak, Nordostspitze Syriens und Westiran. Die Größe des ethnographischen „Kurdistans“, also dem kurdischen Siedlungsgebiet, beträgt zwischen 440 000 und 490 000 qkm. Es besteht aus unwegsamem Gebirge und Plateaus, das Herzstück bildet dabei das Zagrosgebirge. Schätzungen über die Größe des kurdischen Volks gehen weit auseinander. David McDowall gibt 24-27 Millionen an. Dabei geht er von folgender Verteilung der Kurden aus: Mindestens 13 Millionen auf türkischem Gebiet (ca. 23% der Gesamtbevölkerung der Türkei), 4,2 Millionen im Irak (ca. 23% der Gesamtbevölkerung des Iraks), 5,7 Millionen im Iran (10% der Gesamtbevölkerung des Irans) und eine Million in Syrien (10% der Gesamtbevölkerung Syriens). Ungefähr eine weitere Million sind über Europa und ex-sowjetische Staaten verstreut.
Sprachlich herrscht eine große Vielfalt. So unterscheidet man zwei Dialektgruppen, die jeweils den iranischen Sprachen zugerechnet werden: Kurmanci, die Sprache der meisten nordischen Kurden und Sorani, welches im Süden gesprochen wird. Von diesen Sprachen gibt es etliche regionale Dialekte. Zudem gibt es Gurani (Dialekt in bestimmten Regionen Südkurdistans), Zaza (im Nordwesten) und ein eher dem Persisch als dem Sorani entsprechenden Dialekt, der im Südosten Kurdistans gesprochen wird.
$2.2 Abriß der kurdischen Geschichte$
Die für uns bekannte Geschichte der Kurden beginnt mit der Eroberung Mesopotamiens im Jahre 637 durch die Araber.[8] Ab diesem Zeitpunkt lebten die Kurden in den folgenden islamischen Reichen und taten sich besonders durch die kriegerische Verteidigung des Reichs hervor. Mit der Errichtung des schiitischen Safawidischen Reichs (dem heutigen Iran) als direkter Nachbar des Osmanischen Reiches im 16. Jahrhundert, wurde Kurdistan zum Grenzgebiet zwischen den zwei Großmächten. Beide Reiche versuchten immer wieder die kurdischen Fürstentümer an sich zu binden, jedoch bewahrten sich diese eine relative Unabhängigkeit. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verlor das Osmanische Reich an Stärke, so dass es seinen Einfluß über die kurdische Region verlor. Nachdem sich unter den Araber und Türken bereits panislamische bzw. pantürkische Gefühle entwickelten, entdeckten auch die Kurden ihre ethnische Identität und somit ihr Nationalbewußtsein. So intiierte 1880/81 der Kurdenscheich Ubaidallah den ersten Aufstand, der von der Idee der kurdischen Identität geprägt war. Dieser wurde jedoch blutig niedergeschlagen. Nach dem Ersten Weltkrieg legten die Siegermächten im Vertrag von Sèvres (1920) die Aufsplitterung des geschlagenen Osmanischen Reichs fest und stellten den Kurden eine autonome Region mit Potential zum Staat in Aussicht.
Jedoch erwirkte die türkische Nationalbewegung unter der Führung Mustafa Kemals durch den Unabhängigskeitskrieg einen neuen Vertrag, dem Vertrag von Lausanne, der große Teile des geplanten Kurdistans der kommenden Republik Türkei zusprach und die Gründung eines kurdischen Staates gar nicht mehr vorsah. Da sich viele Kurden der folgenden Turkifizierungs-Polititk Mustafa Kemals widersetzten und Aufstände übten, reagierte die türkische Regierung extrem repressiv, indem sie im Laufe der Jahre die kurdische Sprache und das Leben der kurdischen Kultur gänzlich verbot und auch Zwangsumsiedlungen durchführte.
Auch im Irak, der nach dem Ersten Weltkrieg vom Osmanischen Reich abgespalten wurde und bis 1932 unter Britischer Verwaltung stand, wurde die Idee eines kurdischen Staates aus strategischen Gründen abgelehnt. Schließlich fürchtete die Regierung einen transnationalen Zusammenschluß der Kurden, der den Irak in Bedrängnis hätte bringen können. Ähnlich wie auch Mustafa Kemal verfolgte der Iran unter Reza Schah zu dieser Zeit die Politik einer „Iranisierung“ der Bevölkerung und zielte auch im Namen einer Zentralisierung des Staates auf die Auflösung der Stammesstrukturen ab. So waren die Kurden im größten Teil ihres Siedlungsgebietes (mit Ausnahme des syrischen) massiver Unterdrückung ausgesetzt und ein kurdischer Staat lag in weiter Ferne.
Im Jahre1946 jedoch wurde im Schutze der Sowjets im westiranischen Mahabad die gleichnamige kurdische Republik ins Leben gerufen. Die Existenz des ersten und bisher auch einzigen kurdischen Staats war allerdings nicht von langer Dauer, da die sowjetische Besatzungsmacht auf Druck der Amerikaner wieder abzog und die Region vom Iran nach nur elf Monaten zurückerobert werden konnte.
Die Situation der Kurden verschärfte sich in den folgenden Jahrzehnten. So betrieben der Irak (1976-87) und jetzt auch Syrien (60er und 70er Jahre) eine rigorose Arabisierungspolitik, die mit Zwangsumsiedlungen kurdischer Dörfer verbunden war. In der Türkei wurden 1979 regelmäßige Razzien in kurdischen Dörfern eingeführt und im Iran verkündete Khomeini in diesem Jahr den „Heiligen Krieg gegen die Kurden“. Allerdings formierte sich unter den Kurden ein organisierter Widerstand. So gründete Mullah Mustafa Barzani im Irak Ende der 50er Jahre die separatistische Bewegung KDP („Demokratische Partei Kurdistans“). Zur Rivalin dieser feudalistisch ausgerichteten Bewegung wird die linke PUK („Patriotische Union Kurdistans“), die Dschalal Talabani im Jahre 1975 ebenfalls im Irak gründet. In der Türkei entstand neun Jahre später die PKK („Arbeiterpartei Kurdistans“) unter der Führung Abdullah Öcalans. Statt Kooperation zu üben stehen sich diese Parteien feindlich gegenüber. Durch diese konsequenten innerkurdische Zerrissenheit war schon nach dem Ersten Weltkrieg die Chance auf einen eigenen Staat verloren gegangen.
Der Kampf zwischen den Organisationen und den jeweiligen Regierungen ist seit jeher von enormer Brutalität gekennzeichnet. So initiierte Saddam Hussein 1988 einen „Vernichtungsfeldzug“ gegen die Rebellen, wobei die kurdische Stadt Helabja Ziel einer Giftgasattacke wurde. Im April 1991 errichtete die Uno aufgrund des unmenschlichen Vorgehens des irakischen Regimes und den Flüchtlingsströmen eine Schutzzone mit kurdischer Selbstverwaltung nördlich des 36. Breitengrades.
Jedoch auch hier lösten die innerkurdischen Differenzen nach den ersten freien Wahlen 1994 „bürgerkriegsähnliche“ Zustände aus, die erst 1998 durch ein Friedensabkommen zwischen der PUK und der KDP beendet wurden.
In der Türkei sind die terroristischen Akt der PKK seit der Festnahme Öcalans im Jahre 1999 selten geworden.
$3. Soziale und politische Organisation$
Besonders in den von der Außenwelt geradezu abgeschnittenen Bergregionen hat sich die kurdische Gesellschaft traditionelle, soziale Organisationsmuster bewahrt. Diese zeichnen sich durch ein segmentäres System aus.
Die kleinste Einheit bildet die erweiterte Familie, die durchschnittlich fünf bis sechs Mitglieder zählt. Je nach finanziellem Status kann ein Mann polygam mit bis zu vier Frauen leben, eine Entscheidung, die oft wirtschaftliche Gründe hat. Ebenso aus wirtschaftlichen Gründen kann im Fall der Verwitwung einer Frau eine Leviratsehe geschlossen werden. Die Familie ist Teil der Patrilineage (kurdisch: Babik, Bavamal, Hoz oder Khel), die das nächstgrößere Segment darstellt. Diese besteht aus mehreren Familien, die über einen gemeinsamen männlichen Ahnen innerhalb der letzten sechs Generationen verbunden sind. Der älteste lebende männliche Nachkomme dieses Vorfahren stellt das Oberhaupt dieser Gruppe. Die Patrilineage bildet oft ein Dorf oder einen Dorfteil (bei den seßhaften Kurden) bzw. eine Weidegemeinschaft (bei den kurdischen Nomaden), wobei die Beziehungen innerhalb der Patrilineage durch endogame Eheschließungen eng miteinander verwoben sind. Der Patrilineage ist von ihren Mitgliedern eine größere Loyalität zu erbringen als allen anderen sozialen Gruppierungen, da sie auch im Falle eines Konflikts auch als Verteidigungseinheit funktionieren muß. Aufgrund dieser Bedingungen stellt diese Abstammungsgruppe einen „realen politischen Machtfaktor“ in der kurdischen Gesellschaft dar.
Mehrere Patrilineages sind in einem Klan (kurdisch: Taife, Tire) zusammengeschlossen.
Dabei fungiert eine Patrilineage als Führung. Aus ihren Reihen geht auch das Oberhaupt des Klans hervor, das sich durch eine „dominierende wirtschaftliche Stellung“ (meist als agha, Großgrundbesitzer) und guten Kontakten zu anderen Klans auszeichnen muß. Dies ist sinnvoll, da der Klan in erster Linie für die „wirtschaftliche und soziale Absicherung seiner Mitglieder“ sorgen soll. Die Oberhäupter der übrigen Patrilineages bildet das Gremium der „Weißbärte“, die dem Klanchef als beratende Institution zur Seite stehen. Auch gibt es Fälle, in denen sich religiöse Bruderschaften zu einem Klan zusammenschliessen bzw. ein ganzer Klan einer Bruderschaft angehört. In solchen Klans übernimmt der Shaik oder Pir, also der religiöse Oberhaupt die Rolle des Klanchefs.[34]
Mehrere Klans können zusammen einen Stamm gründen. Der Stammesverbund stellt hierbei eine „Interessensgemeinschaft“ der Klans dar und muß nicht auf verwandtschaftlichen Bindungen beruhen. Dabei besteht ein Stamm meist - im Gegensatz zum typischen pastoralen Nomadenstamm Vorder- und Zentralasiens - aus nomadischer und seßhafter Bevölkerung. Die Führung des Stamms wird dabei innerhalb einer bestimmten Führungssippe (Kurd.: Begzadeh, Khawanin) vererbt.
Diese soziale Struktur ist in den ländlichen Gebieten Kurdistans heute noch von großer Bedeutung. Allerdings wurde das kurdische Stammeswesen durch Maßnahmen der Folgestaaten des Osmanischen Reichs zu gunsten größerer staatlicher Kontrolle entmachtet, so dass in einigen Bereichen (z.B. Heiratsrestriktionen, Bedeutung der einzelenen Segmente) zur Aufweichung der Tradition kam.
Für die Minderheit der städtischen Mittelschicht und Intelligenz sind diese traditionellen Stammesstrukturen vollkommen obsolet geworden.
$4. Verwandschaft$
Die Bedeutung von Verwandtschaft und verwandtschaftlichen Beziehungen werde ich anhand Lale Yalçin-Heckmanns Forschung in Sisin, einem kurdischen Dorf in der türkischen Provinz Hakkari erläutern.
Die verwandtschaftlichen Verhältnisse spielen dort eine bedeutende Rolle, da sie sehr eng mit der sozialen Struktur des Stammes verbunden und grundlegend für die wirtschaftlichen Beziehungen sind.
In Sisin wird zwischen der affinalen Verwandtschaft (xism) und der Blutsverwandschaft (xwîm) bzw. der erbenden (also männlichen) Blutsverwandschaft (warîs) unterschieden. Diese Begriffe dienen als Kategorien, die nicht im streng genealogischen Sinne die Verhältnisse beschreiben, sondern eher die sozialen Beziehungen widerspiegeln. Ähnlich verhält es sich mit den verwandtschaftlichen Begriffen, die zur Anrede oder Bezeichnung der einzelnen Individuen gebraucht werden.
So werden die Verwandtschaftsbegriffe oft ausgeweitet, um die Intensität oder die Distanz von Beziehungen zu beschreiben. EGO kann z.B. eine Person als xolat (MZ) bezeichnen, nicht weil sie dies im genealogischen Sinne ist, sondern weil sie für EGO wie eine MZ ist. Neben einer solchen bewußten Erweiterung der Verwandtschaftstermini, werden auch der konsanguinalen Verwandtschaft gebraucht als auch in der affinalen Verwandten die verwandtschaftlichen Begriffe unbewußt erweitert.
In der konsanguinalen Verwandtschaft wird dadurch die patrilineare Struktur und die Nähe innerhalb der patrilinearen Verwandschaftsverhältnisse betont (z.B.: FBS sowie FFBS sind für EGO Mam).
Für die affinale Verwandtschaft sind die Termini noch stärker erweitert, so dass fast alle (bis auf FBW / FFBW und MBW / MMBW ) angeheirateten Personen für EGO als bûk (eigentlich: Braut oder Schwiegertochter) und zava (eigentlich: Bräutigam oder Schwiegersohn) zu bezeichnen sind. Materilateral affinale und die affinale Verwandtschaft sind davon ausgenommen, da dass Verhältnis zu ihnen durch die patrinilieare Ideologie eher durch Distanz geprägt ist.
Durch die Erweiterung der Verwandtschaftsbegriffe und ihren Gebrauch werden laut Yalçin- Heckmann „different possibilities of close kin or affinal group definitions and alliances, male and female avoidance or intimacy, joking behaviour, in-law avoidance and respect code, age and sibling order hierarchy and rivalry, inheritance, and property relations“ wider- gespiegelt.
$5. Wirtschaft$
Das kurdische Siedlungsgebiet ist bis heute größtenteils von Agrarwirtschaft, also Ackerbau und Viehzucht, geprägt. Dies läßt sich dadurch begründen, dass die Industrialisierung die oft schwer zugänglichen Dörfer nur sehr selten erreicht hat und wenn nur in geringem Maße. Nur ein geringer Teil der Kurden (25-35%) siedelt in den Städten, wo sie von Handel, Handwerk und Dienstleistungen leben. Im industriellen Sektor sind laut Zuhdi Al-Dahoodi 5 - 10% der Kurden beschäftigt. Davon arbeitet ein kleiner Teil in kurdischen Kleinunternehmen, die meist Werkstätten oder Manufakturen sind und oft von einer Familie betrieben werden.
Viele Arbeiter hingegen arbeiten in Betrieben des jeweiligen Staates. Schließlich werden die Bodenschätze im kurdischen Siedlungsgebiet wie Öl (im iranischen und irakischen Sektor) und Chrom, Braunkohle, Kupfer, Eisen und Phosphat in der Türkei von den jeweiligen staatlichen Unternehmen bzw. von multinationalen Konzernen abgebaut. Die Wirtschaftsweise eines Dorfes beschreibt Lale Yalçin-Heckmann am Beispiel Sisins in der türkischen Provinz Hakkari. Die Bewohner des Dorfes betreiben sowohl Viehzucht als auch Ackerbau. Dabei ist die Viehzucht (Schafen, Ziegen, Hühnern, Eseln, Pferde, Ochsen und Kühe) die finanzielle Einkommensquelle der dortigen Haushalte. Das Geld wird in erster Linie durch den Verkauf von Tieren eingenommen. Hierbei spielt insbesondere der illegale Handel über die naheliegende Türkisch-Irakische Grenze eine große Rolle. Die tierischen Produkte (Eier, Milch, Fell etc.) werden meist nicht verkauft, sondern sind für den Eigenverbrauch bestimmt. Auch der Anbau von Gemüse und Obst wird in Form von
Subsistenzwirtschaft betrieben. Lediglich die Überschüsse werden für den Tauschhandel mit Dörfern auf dem Flachland benutzt.
Innerhalb des Dorfes selbst findet wenig Handel statt. Nur die Gabe des zekats[54] ist ein festgelegter direkter Warenaustausch zwischen den Dorfbewohnern. Da alle Haushalte mit etwa den gleichen Waren ausgestattet sind, kommt es ansonsten nur zum Tausch, wenn es einem Haushalt an einer Ware mangelt, also eine konkrete Nachfrage da ist. Zudem existiert zwischen den Dorfbewohnern ein reziprokes System, das einen gelegentlichen Austausch von Arbeitskräften zwischen den Haushalten regelt, wenn in einer Familie mehr Arbeit als gewohnt anfällt.
Die Reziprozität und auch der zekat, der an alle Dorfhaushalte verteilt wird und nicht - wie im Islam festgelegt - nur an bestimmte, bedürftige Personen, unterstreichen die Egalität der Dorfbewohner.
$5. Religion$
Mit den Arabern erhielt auch der Islam im Jahre 637 n. Chr. Einzug in das kurdische Siedlungsgebiet. Die Kurden, die zuvor verschiedenen Religionen u.a. auch dem Zoroastrismus und dem Christentum anhingen, konvertierten zum großen Teil zu der neuen Religion.[59] Jedoch bildeten sich verschiedene Strömungen heraus, deren Fundament teilweise noch in den früheren Religionen wurzelt.
Die Mehrheit der Kurden (75%) gehört der am weitest verbreiteten islamischen Strömung an, dem sunnitischen Islam. Im Unterschied zu den Türken folgen sie jedoch der shafi’itischen Rechtsschule und nicht der hanafitischen.
15% der Kurden, so McDowall, sind wie ein Großteil der Iraner Ithna ’Ashari Schiiten. Diese siedeln insbesondere in der iranischen Provinz Kirmanshah.
Des weiteren gibt es mehrere kleinere schiitisch-orientierte religiöse Gruppen.
So gibt es z.B. die Aleviten, unter denen mehrere Gruppen zusammengefaßt sind, die verschiedene schiitische Richtungen gemischt mit prä-islamischen, zoroastrischen und schamanischen Elementen vertreten. Die alevitischen Kurden befinden sich besonders im Südosten der Türkei, wo sie aus religiösen Gründen verfolgt werden.
Aber auch vorislamische Religionen werden von den Kurden praktiziert. So gibt es mehrere christliche Religionsgemeinschaften und Juden. Interessant sind diesbezüglich auch die yezidischen Kurden im Nordirak. Ihre Religion verquickt nämlich sowohl heidnische, zoroastrische, manichäistische Elemente als auch Elemente der drei Buchreligionen miteinander.
$6. Resümee$
Wie schon in der Einleitung erwähnt, hat sich die kurdische Kultur in den verschiedenen Regionen des kurdischen Siedlungsgebietes sehr unterschiedlich entwickelt. Dies mag einerseits an der Geographie, also dem schwer zugänglichen Gebirge liegen, das kaum Infrastruktur zulässt. Andererseits werden es auch die sozialen und politischen Umstände sein, die das kurdische Volk nicht haben zusammenwachsen lassen. Schließlich sind sie noch sehr stark in ihr Stämmewesen verwurzelt. Dieses lässt zwar auch Föderationen zu, aber fördert doch grundsätzlich eine dezentrale, individuelle Stammespolitik.
So gestalteten die kurdischen Fürstentümer zu Zeiten des Osmanischen Reichs ihre Politik nicht gemeinsam, sondern suchten nach individuellen Vorteilen, die sich durch die Kooperation mit dem Osmanischen oder dem Persischen Reich für sie ergeben könnten. Auch als der Vertrag von Sèvres ihnen 1920 zu einem eigenen Staat hätte verhelfen können, fehlte es an einem kurdischem Zusammengehörigkeitsgefühl, da einige Stammesführer ihre Machtinteressen nicht durch illoyales Verhalten gegenüber den neu entstandenen Nationalstaaten nicht gefährden wollten. Diese Stammesstrukturen sind auch heute noch in den überwiegend ländlich geprägten und vorindustriellen Gebieten Kurdistans von enormer Bedeutung.
Die Frage ist also, inwiefern eine Gesellschaft, die durch ihr Stämmewesen so sehr partikularistisch ausgerichtet ist, Träger einer gemeinsamen Kultur sein kann. Und gerade in Bezug auf die kurdische Gesellschaft ist dies eine wichtige Frage, da die Antwort bedeuten kann, ob ein eigenständiger kurdischer Nationalstaat überhaupt eine Existenzgrundlage haben würde.
$7. Bibliographie$
Al-Dahoodi, Zuhdi: Die Kurden. Geschichte, Kultur und Überlebenskampf. Umschau Verlag: Frankfurt a. M., 1987.
Behrendt, Max: 2. Definitionen. Wer sind die „Kurden“?. http://www.unics.uni- hannover.de/nhrkbehr/kap21.html, 2001, [ges.30.07.2002].
Franz, Erhard: Kurden und Kurdentum. Zeitgeschichte eines Volkes und seiner Nationalbewegungen. Deutsches Orient-Institut: Hamburg, 1986.
Günter, Wolfgang: Geschichte der Kurden. http://www.emabonn.de/credits/kurden.htm, [ges. 01.08.2002].
Halve, Jens: Die Kurden: Ein Überblick. http://www.gfbv.de/voelker/nahost/kurden.htm1,1998, [ges. 03.08.2002].
MacDowall, David: A Modern History of the Kurds. I.B. Tauris: New York, London, 1996.
Shaw, Stanford J.: Das Osmanische Reich und die Moderne T ü rkei. in: von Grunewald,
Gustave Edmund: Der Islam II. Die Islamischen Reiche nach dem Fall Konstantinopels.
Fischer Weltgeschichte Band 15, Fischer Taschenbuch: Frankfurt a. M, 1999, 13. Aufl., S. 24- 159.
Yalçin-Heckmann, Lale: Tribe and Kinship among the Kurds. Peter Lang: Frankfurt a. M., Bern, New York, Paris, 1991.[1]
Die kurdische Kultur im Überblick
Demokratischer Konföderalismus in Rojava. Ein Versuch zur Überwindung von Macht
Autor: MEHMET AKYAZI
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Universität Duisburg-Essen (Institut für Soziologie)
Veröffentlichungsdatum: 2017
$1. Einleitung$
2. Macht und Herrschaft
2.1. Macht und Herrschaft in der Soziologie
2.2. Kritik von Macht und Herrschaft
2.3. Überwindung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen

3. Demokratischer Konföderalismus in Rojava
3.1. Entwicklungen in Nordsyrien
3.2. Kommunale Basisorganisierung in Rojava
3.3. Perspektiven im Mittleren Osten

4. Fazit

5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1. Internetquellen
5.2. Literatur

1. Einleitung
Das Wort „Macht“ wird zwar häufig benutzt und offensichtlich hat auch jedermann eine genaue Vorstellung, was damit gemeint ist oder bezeichnet wird, doch bei genauerer Be­trachtung offenbart sich eine unendliche Vieldeutigkeit der mit Macht und auch Herr­schaf­t bezeichneten Phänomene (Imbusch 2013: 9). Als eigenständige Phänomenbereiche, die miteinander verwoben sind, ist ihr semantischer Gehalt bis heute umstritten (Imbusch 2016: 207). Die unterschiedlichen Auffassungen von Macht und Herrschaft sol­len im ers­ten Teil der nachfolgenden Arbeit dargestellt werden. Es geht nicht nur darum, Macht und Herrschaft als Phänomen zu beschreiben. Es sollen auch Theorien vorgestellt werden, die nicht nur annehmen, dass gegen­wärtige Macht- und Herrschaftsverhältnisse überwunden wer­den können, son­dern aus einer kritischen Grundhaltung heraus diesen Prozess auch fordern. Damit wäre die Arbeit an einem Punkt angelangt, den man als Utopie bezeichnen kann. Ein Vordenker eines utopi­schen Modells, dessen Schriften den gegenwärtig inhaf­tierten politischen Führer Abdullah Öcalan inspirier­ten, war der US-amerikanische Theo­retiker und libertäre Sozialist Murray Bookchin. Für Bookchin ist utopisches Denken die visionäre Erkenntnis einer neuen Gesellschaft, die die Zukunft in radikal neuen Formen und Werten vermitteln kann (Bookchin 1981: 153). An­knüpfend an seine Ideen von einem Libertären Kommunalis­mus entwickelte Öcalan als maßgebender Anführer einer kurdisch-autono­men Bewegung, ein neues Gesellschaftsmo­dell für den Mittleren Osten, welches er als Demokratische­n Konföderalismus bezeichnete. Seit 1999 ist er auf der Gefängnisinsel Imrali in der Türkei inhaftiert und trotzdem sind seine Schriften und Weisungen noch im­mer maßgebend für seine Bewegung. Während und auch nach seinem Exil-Aufenthalt in Syrien konnte sich seine Bewegung in den kurdisch bewohnten Siedlungsgebieten Syriens etablieren, das als Rojava (dt.: Land des Sonnenuntergangs) bezeichnet wird. Mit dem Be­ginn des Bür­ger­kriegs in Syrien im Jahr 2011 wurden die Truppen des Regimes aus dem Nor­den abgezogen, sodass die Partei der De­mokratischen Union (PYD) weitgehend die Kon­trolle über die kurdisch bewohnten Ge­biete in Rojava übernehmen konnte. Die PYD re­krutierte sich ursprünglich aus ehemaligen Kadern der von Öcalan mitbegründeten Ar­bei­terpartei Kurdistans (PKK) und steht ideologisch in einem engen Verhältnis zu ihrer Schwesterpartei. Nun wird versucht, die Idee vom Demokratischen Konföderalismus in Rojava umzusetzen, sodass aus dem utopischen Modell Öcalans Realität wird. Im zwei­ten Teil der Arbeit sollen die Grenzen dieses Modelles aufgezeigt werden. Be­sonders der seit 2011 andauernde Bürgerkrieg in Syrien und die bewaffnete Auseinander­setzung verschie­dener Gruppen erschwert den Gestaltungsraum für solch ein basisdemo­kratisches Selbst­verwaltungsprojekt. Die zentrale Frage der Arbeit lautet deshalb: Kann mit dem Demokra­tischen Konföderalismus in Rojava Macht überwunden werden? Grund­legend für diese Frage sind die Theorien der Soziologie, die Macht und Herrschaft begriff­lich zu erfassen versuchen. Von ei­nem kritischen Verständnis von Macht ausgehend, wer­den anschließend alternative Konzepte zur Über­windung von Macht- und Herrschaftsver­hältnissen skizziert. Aufgrund der Aktualität des Themas werden im zweiten Teil der Ar­beit vor allem die Werke und Artikel von Politikwissenschaftlern, aber auch Erfahrungsbe­richte von Men­schen vor Ort herange­zogen. Ab­schließend werden mögliche Per­spektiven für den Demo­kratischen Konföderalismus im Mittleren Osten skizziert, wel­cher als reale Utopie einen wegweisenden Moment für die Zukunft darstellen kann:

„Die Utopie erlöst die Zukunft. Durch sie wird sie für die kommenden Generationen wieder verfügbar, so daß sie sie schöpferisch gestalten und durchgreifend emanzipieren können – nicht auf der Grundlage von versteckten Voraussetzungen, sondern bewußten und kunstvollen Handelns.“ (ebd.: 153)
$2. Macht und Herrschaft$
2.1. Macht und Herrschaft in der Soziologie
Macht und Herrschaft sind zwei Begriffe, denen der Soziologe Peter Imbusch ein hohes Maß an „Charme“ zuspricht. Als unverzichtbare Grundbegriffe stellen Macht und Herr­schaft zentrale Kategorien der Sozialwissenschaften dar (Imbusch 2013: 9). Sie sind aller­dings auch Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse, da die beiden Begriffe sozi­ale Tatsachen beschreiben, die vielfältigen Deutungsmustern zugänglich sind:

„Verweisen die einen auf konstruktive Aspekte der Macht für Verständigung oder soziales Handeln, sehen andere in ihr etwas Böses oder gar Dämonisches; assoziieren die einen mit Macht eher Freiheit, so andere Zwang; ist für die einen Macht eher an gemeinsames Handeln gebunden, so rücken andere sie in die Nähe von Kampf und Konflikt[…]benutzen die einen Herrschaft als einen Oberbegriff zu Macht, so betrachten andere sie lediglich als einen Spezi­alfall derselben und ordnen sie dieser unter; bedeutet Herrschaft für die einen Unterdrückung, so erfüllt sie für andere wichtige Ordnungsfunktionen; glauben die einen, Herrschaft abschaf­fen zu können, so halten andere sie für eine Universalie menschlicher Gesellschaften[…]“ (Imbusch 2016: 207).

Während das Alltagsverständnis von Macht weitgehend negativ assoziiert ist, so ist das wissenschaftliche Verständnis von Macht und auch Herrschaft um einiges differenzierter, da bis heute Uneinigkeit und Streit über das angemessene Verständnis der beiden Begriffe vorherrscht und die Interpretationen einen Teil größerer ideologischer Debatten bil­den (Imbusch 2013: 9). So kommen sogar disparate und widersprüchliche Kennzeichnun­gen von Macht und Herrschaft zustande. Die klassische Definition von Max Weber be­schreibt Macht als eine „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch ge­gen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 1990: 28). Mit dieser Definition rückt Weber den Begriff der Macht in die Nähe von sozia­len Kämpfen und Konflikten (Imbusch 2016: 208) und zwar in einem antagonistischen Ver­hältnis zu seinem Verständnis von Herrschaft, bei dem sich das Soziale bis zum Auto­ma­tismus stabilisiert (Neuenhaus-Luciano 2013: 98). Weber definiert Herrschaft als eine Chance, Gehorsam für Befehle zu finden und zwar bei einer angebbaren Gruppe von Men­schen, wobei die Herrschaft auf verschiedenen Motiven der Fügsamkeit beruht; Vorausset­zung hierfür ist allerdings „ein bestimmtes Minimum an Gehorchen wollen, also Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchen“ (Weber 1990: 122). Für Weber ist Herrschaft ein Sonderfall von Macht und führt zur Uniformierung sozialen Handelns. Die Machtkämpfe werden stillgestellt und deshalb bildet Herrschaft nach diesem Verständnis einen Ge­genpol zur Macht (Neuenhaus-Luciano 2013: 97f.). Herrschaft kann demnach als ein institutionali­siertes Dauerverhältnis der Machtausübung einer übergeordneten Gruppe ge­genüber einer untergeordneten Gruppe zusammengefasst werden (Imbusch 2016: 211). Allerdings wurde die Machttheorie von Weber und insbesondere seine Kombination von dezisionistischer Führung und Herrschaftsmaschine mit Hinblick auf den Nationalsozia­lismus in Deutschland kritisch betrachtet, weswegen sich nach 1945 intensive Auseinan­dersetzungen mit seinen Schriften ergaben, die sich vor allem auf den politischen Gehalt seiner Soziolo­gie konzentrierten. Sein auf den Machtbegriff bezogenes Politikverständnis wurde durch diese Kritik weiterentwickelt und ab Mitte der 1960er Jahre rückte die Ratio­nalitäts­konzeption, der Webers Verständnis einer Macht- und Herrschaftskonstellation zugrun­delag, in den Mittelpunkt der kritischen Diskussionen (Neuenhaus-Luciano 2013: 109f.). Als allgegenwärtige Phänomene menschlicher Gesellschaft bilden Macht und Herr­schaft nicht nur Gegenstand sozialwissenschaftlicher Auseinandersetzun­gen. Eine Fülle von un­terschiedlichen theoretischen Zugängen und die stetig anwachsende Litera­tur zu dem Thema konnten das „theoretische Chaos“ um den inhaltlichen Gehalt der beiden Be­griffe und den Stellenwert einzelner Denktraditionen und Paradigmen nicht beseitigen (Imbusch 2013: 26ff.). So gibt es neben individualistisch orientierten Theorien oder ratio­nalen Akteursmodellen, die vom Menschen als egoistischen Nutzenmaximierer ausgehen und die Herrschaft als einen Macht- oder Konfliktreglungsmechanismus betrachten, eine Reihe von kritischen und marxistisch orientierten Theorien. In den Gesellschafts- bzw. Sozialthe­orien gilt Herrschaft als allgemeine soziale Regelungs- und Beziehungsform, bei der sich die Vorteile und Nachteile erst in den konkreten Analysen und zwar unterhalb des abstrakten Herr­schaftsbegriffes erweisen müssen (ebd.: 30f.). Ausschlaggebend für die Bewertung von Macht und Herrschaft sind, neben den verschiedenen ideologischen Positi­onen und Men­schenbildern, auch die Einschätzungen aus der Lebenswelt der Individuen (ebd.: 28f.).
$2.2. Kritik von Macht und Herrschaft$
Sobald die Mechanismen oder Strukturen von Herrschaft tatsächlich wahrgenommen wer­den, handelt es sich in den meisten Fällen um Unbehagen gegenüber „zu viel“ oder „fal­scher“ Herrschaft (Maurer 2013: 352). Eine skeptische Bewertung von Macht findet man deshalb überwiegend bei machtschwachen Gruppen, die dazu tendieren, Macht zu hierar­chisieren und auf ihre negativen Effekte hinzuweisen (Imbusch 2016: 213). Zu einem In­strument kritischer Analyse von Herrschaft kann die Soziologie von Weber nicht entwi­ckelt werden, da seine Fixierung auf Macht und Herrschaft jegliche andere Zweckbestim­mung des Staates verwerfen lässt (Neuenhaus-Luciano 2013: 108). Kritisch gegenüber Macht und Herrschaft äußerten sich hingegen die beiden grundlegenden Theoretiker des Kommunismus, Karl Marx und Friedrich Engels. Sie versuchten die Bedingungen von Macht, die Widersprüche von Herrschaftsverhältnissen und die Möglichkeiten von Macht­verschiebungen und des Machtabbaus aufzuzeigen, wobei die Termini von ihnen nicht ex­plizit definiert wurden (Hösler 2013: 56). So ist für Marx und auch für Engels Macht nicht per se verurteilenswert oder reaktionär, da es nach ihrem Verständnis zusam­men mit der Gewalt immer wieder ein notwendiges Mittel in der Geschichte darstellt, um dem histori­schen Fortschritt zum Durchbruch zu verhelfen; trotzdem ist ihre Gesellschafts­kritik ver­bunden mit einer systemtranszendierenden Perspektive, die auf die Beendigung bestehen­der Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse und dem Abbau poltischer Macht über­haupt zielt (ebd. 64). Mit dem Fehlen einer konkreten Definition von Macht und Herrschaft ergibt sich allerdings eine Kluft zwischen der Theorie und der politischen Praxis. Ist im Alltag eine Herrschaft weitgehend etabliert, so ist auch im klassischen soziologischen Ver­ständnis die Endstufe der Institutionalisierung von Macht erreicht (Imbusch 2013: 15). Ein zentraler Staat weist also einen hohen Grad an institutionalisierter Macht auf und des­halb bezeichnet Öcalan den Staat als „Maximalform von Macht“ (Öcalan 2012: 10). Für die systemtranszendierenden Ansätze von Marx und Engels stellt sich daher die Frage, wie sich die politische Macht in einer Herrschaft aufzuheben hat. Die revolutionäre Macht­übernahme im Oktober 1917 in Russland barg für Öcalan von Anfang an einen grundle­genden Widerspruch in sich, der sich für ihn ebenfalls in vielen anderen real­sozialisti­sche­n Versuchen widerspiegelte:

„Jedoch wollen wir nur ganz kurz anmerken, dass die gesamte 150-Jährige Geschichte des So­zialismus auf dem Paradigma des An-Die-Macht-Kommens aufgebaut war. Lenins Beitrag be­stand darin, dieses Paradigma ohne Umschweife anzuwenden und dafür die richtigen Wege und Methoden herauszufinden[…]Eine ihrer grundlegenden Überzeugungen war, dass die Partei unter den Bedingungen des Imperialismus nur bestehen könne, wenn sie die Macht habe. Doch die Geschichte hat gezeigt, dass diese Auffassung unzutreffend war – wenn auch erst nach siebzig Jahren. Diese Tatsache beweist nicht, dass alles am Marxismus und am Leni­nismus falsch war. Es zeigt lediglich, dass die Thesen über die Macht der Partei falsch waren und der Sozialismus so nicht erreicht werden kann. Die Position von Marx und Engels zu Macht und Staat lässt sich nicht exakt feststellen, da sie sich mehr aufs Theoretikerdasein be­schränkten. Aber sie sprachen von der Notwendigkeit, für eine Übergangszeit den Staat als Herrschaftsinstrument gegen die Bourgeoisie einzusetzen“ (Öcalan 2015: 440).

Für Öcalan stellen Macht und Staat einen Gegenpol zur Demokratie dar. Er strebt eine vollkommene Demokratie an, was für ihn die Auflösung des Staates und die Überwindung von Macht bedeutet:

„Jede Macht braucht einen Staat, jeder Staat aber die Negierung von Demokratie. Eine Klas­sendemokratie ist in der Essenz keine Demokratie, sondern Staatsmacht.[…]Als goldene Re­gel sollte gelten: Je mehr Staat, desto weniger Demokratie. Oder auch: Je mehr Demokratie, desto weniger Staat“ (Öcalan 2015: 178).

Ein völlig entgegengesetztes Verständnis von Macht und Herrschaft wurde insbesondere von Michel Foucault in den 1970ern theoretisch konzipiert. Seine machttheoretische Kon­zeption beschreibt soziale Zusammenhänge als Konfrontation und Kampf, wobei er Macht als allgegenwärtig, ubiquitär und omnipräsent beschreibt; nach Foucaults Vorstellung existieren also keine machtfreien Räume in der Gesellschaft (Kneer 2013: 268). Demnach verändert sich auch die Form der Kritik, da Macht an sich bei Foucault nicht überwunden werden kann:

„Machtbeziehungen sind tief im sozialen Nexus verwurzelt und bilden daher keine zusätzliche Struktur oberhalb der „Gesellschaft“, von deren vollständiger Beseitigung man träumen könnte.[…]Denn dass es keine Gesellschaft ohne Machtbeziehungen geben kann, bedeutet keineswegs, dass die bestehenden Machtbeziehungen notwendig sind oder dass Macht inner­halb der Gesellschaft ein unabwendbares Schicksal darstellt, sondern dass es eine ständige politische Aufgabe bleibt, die Machtbeziehungen und den „Agonismus“ zwischen ihnen und der intransitiven Freiheit zu analysieren, herauszuarbeiten und in Frage zu stellen, ja dass dies sogar die eigentliche politische Aufgabe jeglicher sozialer Existenz darstellt.“ (Foucault 2005: 258f.).

Für Öcalan kommt gerade diese Art der Definition von Macht einer Kapitulation gleich und er ist sogar der Auffassung: „Wenn Einschätzungen dieser Art im Namen einer Ideolo­gie und Bewe­gung für Freiheit und Gleichheit nicht bewusst getroffen werden, so sind sie eine un­be­wusste Folge der Loyalität zum Macht-Komplex“ (vgl. Öcalan 2015: 47). Macht ist aller­dings ein soziales Verhältnis und kann auch nur in diesem Rahmen existieren, denn „Macht kann man nicht für sich allein besitzen, Macht hat man nur in Bezug auf andere Personen“ (Imbusch 2013: 13). Es ist also auch die Frage entscheidend, wer die Macht in einer Gesellschaft hat und so formuliert Öcalan:[1]
Demokratischer Konföderalismus in Rojava. Ein Versuch zur Überwindung von Macht
Rojava-Kurdistan. Ein Staat, den es (noch) nicht gibt
$Rojava-Kurdistan. Ein Staat, den es (noch) nicht gibt$
Autor: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Universität Heidelberg
Veröffentlichungsdatum: 2018

1. Einleitung
2. Verteilung der kurdischen Bevölkerung auf unterschiedliche Nationalstaaten
a) In der Türkei
b) Im Iran
c) Im Irak
d) In Syrien
e) In der Diaspora
3. Die Kurden in Syrien vor dem syrischen Bürgerkrieg
4. Die Rolle der Kurden im syrischen Bürgerkrieg ab 2011
a) Die Errichtung des de facto Staates Rojava in Nordsyrien
b) Der Kampf der Kurden gegen den Islamischen Staat
c) Der Kampf der türkischen Regierung gegen die YPG in Nordsyrien und weitere aktuelle Entwicklungen
5. Zukunftsperspektiven für die kurdische Bevölkerung in Syrien
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Übersichtskarte über die Verteilung der kurdischen Bevölkerung
Abbildung 2: Bevölkerungsgruppen in Syrien und im Libanon
Abbildung 3: Überblick über die kurdischen Migrationsbewegungen
Abbildung 4: Überblickskarte über das Arabisierungsprojekt 1973
Abbildung 5: Grenzen des de-facto Staates Rojava-Kurdistan im Februar 2014
Abbildung 6: Ausgangslage zur Schlacht um Kobanê Mitte September 2014
Abbildung 7: Lage des Hügels Mashtanour, von dem aus die Kämpfer des IS Kobanê unter Beschuss nahmen.
Abbildung 8: Grenzen des de-facto Staates Rojava-Kurdistan im Juni 2015
Abbildung 9: Grenzen des de-facto Staates Rojava-Kurdistan im Oktober 2016
Abbildung 10: Territoriale Aufteilung der Kriegsparteien in Syrien (Stand: Dezember 2017)
Abbildung 11: Territoriale Gliederung Nordwestsyriens unmittelbar vor Beginn der Operation Olivenzweig
1. Einleitung
Es handelt sich bei den Kurden um eine westasiatische Ethnie, die als autochthone ethnische Volksgruppe in der Türkei, im Iran, im Irak und in Syrien vertreten ist. Da es keinen kurdischen Staat gibt, werden die Kurden häufig als Volk ohne eigenen Nationalstaat bezeichnet. Sie sind politisch und in der Ausübung ihrer Kultur in den betroffenen Nationalstaaten regelmäßig eingeschränkt. Somit existiert eine große kurdische Diaspora in angrenzenden Staaten und vor allem in Europa. Es existiert eine eigene kurdische Sprache, die außer im Irak jedoch keine Amtssprache der entsprechenden Nationalstaaten ist. Die kurdische Bevölkerung gehört meistens den sunnitischen Muslimen an. Es gibt allerdings auch geringe Anteile an schiitischen, alawitischen, jesidischen, sonstig christlichen und jüdischen Kurden. (Haarmann, 2004, S. 201ff.)
Während des syrischen Bürgerkrieges kam es im Norden des Landes zur Ausrufung eines de-facto unabhängigen Staates Rojava-Kurdistan. Ziel dieser Arbeit soll es einerseits sein, die Situation der Kurden in den einzelnen Nationalstaaten zu beleuchten und auf die Rolle der Kurden in Syrien vor dem Bürgerkrieg einzugehen. Andererseits soll die Rolle der Kurden im syrischen Bürgerkrieg mit Fokus auf den de-facto Staat Rojava-Kurdistan untersucht werden sowie die Zukunftsperspektiven und -chancen einer kurdischen Autonomie im Norden Syriens diskutiert werden. Diese Diskussion wird auf Basis der politischen Situation in Syrien bis einschließlich Juni 2018 geführt.
2. Verteilung der kurdischen Bevölkerung auf unterschiedliche Nationalstaaten
(Rekacewicz, 2007)
Abbildung 1: Übersichtskarte über die Verteilung der kurdischen Bevölkerung
Gebiete mit mehrheitlich kurdischer Bevölkerung befinden sich im Südosten der Türkei, im Norden Syriens, im Norden des Irak, im Nordwesten und Nordosten des Iran. (vgl. Abbildung 1)
a) In der Türkei
Mit ca. 19 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen die Kurden in der Türkei die größte ethnische Minderheit dar. (Central Intelligence Agency, 2018) Die türkische Regierung betreibt eine Art Assimilierungspolitik zwischen Türken und Kurden und leugnet somit ethnische und kulturelle Unterschiede zwischen kurdischen und türkischen Volksgruppen, um die Türkei als vereinte Nation darzustellen. (Conermann & Haig, 2004) Nach Art. 42, Abs. 9 der türkischen Verfassung ist kurdischsprachiger Unterricht an staatlichen Schulen verboten. (Rumpf, 2018) Damit nimmt der türkische Staat in Kauf, gegen den Vertrag von Lausanne zu verstoßen, der es verbietet, den Gebrauch einer Muttersprache einzuschränken. Bis 1991 waren kurdischsprachige Medien komplett verboten. Seit Anfang der 2000er Jahre lenkt der türkische Staat insofern ein, als dass er kurdischsprachigen Unterricht an Privatschulen und die kurdische Sprache in Medien erlaubt. Es existiert in der Türkei eine legale politische Partei, die kurdische Interessen unterstützt. Es handelt sich dabei um die Halkların Demokratik Partisi (HDP). Neuerdings ist die HDP allerdings zunehmend politischen Repressalien ausgesetzt, so befindet sich der Vorsitzende der Partei, Selahattin Demirtaş, seit November 2016 in Untersuchungshaft. Neben der HDP gibt es in der Türkei noch eine weitere kurdische Partei, die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK), welche als militante kurdische Untergrundorganisation nicht nur von der Türkei, sondern auch u.a. von der EU oder den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Seit 15. August 1984 findet ein bewaffneter Konflikt zwischen Türkei und PKK auf türkischem Staatsgebiet mit über 40.000 Todesopfer statt. (Seufert & Kubaseck, 2006)
b) Im Iran
Die politische Situation im Iran kann grob in eine Phase unter der Schah-Herrschaft und in eine Phase der Islamischen Republik seit der Islamischen Revolution 1979 unterschieden werden.
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es immer wieder Aufstände der kurdischen Bevölkerung gegen die Schah-Herrschaft. Am 22. Januar 1946 kam es schließlich zur Ausrufung einer kurdischen de-facto Republik Mahabad mit eigenem Parlament und Regierung. Nach erfolglosen Verhandlungen zwischen der iranischen Regierung und den Kurden folgte eine iranische Invasion in die Republik Mahabad, welche die Zerschlagung ebendieser zur Folge hatte. Am 30. März 1947 wurden schließlich sämtlicher Minister der ehemaligen Republik Mahabad bis auf einen einzigen hingerichtet. Bis zur Islamischen Revolution 1979 kann eine stetige Unterdrückung der Kurden durch die Pahlavi-Schahs beobachtet werden. Allerdings kam es aufgrund der massiven Unterdrückung der kurdischen Autonomiebewegung im Iran zu keinen weiteren Aufständen. Es kann von einer Art Friedhofsruhe zwischen dem Schah und der kurdischen Bevölkerung im Iran gesprochen werden. (Siegelberg, 1991)
Die repressive Politik des Schahs führte schließlich dazu, dass die iranischen Kurden die Islamische Revolution 1979 unterstützten. Sie erhofften sich in der Islamischen Republik unter Ruhollah Chomeini eine bessere Situation bis hin zu einer kurdischen Autonomie in der Islamischen Republik Iran. Jedoch gibt es bis heute keine Zusicherung von kurdischer Autonomie innerhalb des Iran. Im Juli 2005 kam es zu einer kurdischen Revolte gegen die iranische Regierung, die durch die Tötung des Kurden Schuaneh Ghaderi in der Stadt Mahabad ausgelöst wurde und 20 Todesopfer zur Folge hatte. (Hoffmann, 2009)
c) Im Irak
Unter der Herrschaft der Baath-Partei im Irak waren die Rechte der Kurden sehr eingeschränkt. Es gab zwar zwischen 1970 und 1974 eine begrenzte kurdische Autonomie im Irak, 1988 zeigte der Giftgasangriff auf Halabdscha jedoch die angespannte und repressive Politik der irakischen Regierung gegenüber der kurdischen Bevölkerung. Dies führte dazu, dass die Kurden im 3. Golfkrieg 2003 die USA beim Sturz Saddam Husseins und bei der Eroberung nordirakischer Städte unterstützten. Seitdem ist eine enge Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den irakischen Kurden zu beobachten. Ein weiterer Konflikt besteht zwischen den irakischen Kurden und der Türkei, die eine Zusammenarbeit der irakischen Kurden mit der türkischen PKK unterstellt. So kam es immer wieder zu Militäroffensiven der türkischen Armee im Nordirak. Der letzte größere Militäreinsatz der türkischen Armee fand im Februar 2008 statt. Allgemein ist festzustellen, dass die kurdischen Autonomiebestrebungen im Irak zu Konflikten mit der Türkei führen, da die Türkei eine ähnliche Entwicklung auf ihrem Staatsgebiet befürchtet. Seit dem Sturz Saddam Husseins im 3. Golfkrieg 2003 gewährt die irakische Verfassung den Kurden im Nordirak umfangreiche Selbstbestimmungsrechte, welche zur Gründung der Autonomen Region Kurdistan in den Gouvernements Sulaimaniyya, Erbil, Dahuk und Halabdscha​ führte. (Özdemir, 2006)
Die Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan ist Erbil. Die Region hat einen eigenen Präsidenten, momentan Masud Barzani, und mit den Peschmerga eigene kurdische Streitkräfte. Es gibt Randregionen der Autonomen Region Kurdistan, die zwischen den Kurden und der irakischen Zentralregierung umstritten sind. Dazu gehört u.a. die Stadt Kirkuk, die lange unter kurdischer Kontrolle war, nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum im September 2017 jedoch wieder unter irakische Kontrolle fiel. Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer spielten seit 2014 eine wichtige Rolle im Kampf gegen dem Islamischen Staat im Irak. Seit des kurdischen Unabhängigkeitsreferendums 2017 kommt es vermehrt zu Spannungen zwischen der irakischen Zentralregierung und der Autonomen Region Kurdistan, so erklärte das oberste Gericht im Irak das Referendum für verfassungswidrig. Auch die Spannungen mit den Nachbarstaaten Iran und Türkei nahmen in der Folge des Unabhängigkeitsreferendums zu, was zur zeitweisen Schließung der Landesgrenzen zwischen der Autonomen Region Kurdistan und der Türkei bzw. dem Iran führte. Trotz des positiven Ausgangs des Referendums wurde bis jetzt – vermutlich u.a. aufgrund internationalen Drucks – keine kurdische Unabhängigkeit im Nordirak ausgerufen. (Dolmari, 2018)
Die Autonome Region Kurdistan könnte ein Vorbild für eine kurdische Autonomie in Nordsyrien sein.
d) In Syrien
(Balanche, 2015)
Abbildung 2: Bevölkerungsgruppen in Syrien und im Libanon
Die kurdische Bevölkerung ist in Syrien mehrheitlich im Norden und Nordosten des Landes entlang der türkischen Grenze und entlang des nördlichen Teils der irakischen Grenze beheimatet. In den anderen Landesteilen sind andere Volksgruppen dominant. (vgl. Abbildung 2) Auf die Situation der Kurden in Syrien wird ausführlich in den Kapiteln 3, 4 und 5 eingegangen.
e) In der Diaspora
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Atlas der Globalisierung, 2007)
Abbildung 3: Überblick über die kurdischen Migrationsbewegungen
Aufgrund der Repressalien, die Kurden größtenteils in ihrer Kernregion erfahren, gibt es eine große kurdische Diaspora. Frühere Vertreibungen und Deportationen brachten die kurdischen Emigranten größtenteils in Gebiete, die der kurdischen Kernregion relativ nahe liegen. So gibt es im Libanon, in den kaukasischen Staaten Georgien und Armenien, in einigen zentralasiatischen Staaten, aber auch im Jemen, in Somalia und Eritrea einen geringen Anteil an kurdischer Bevölkerung. Heutzutage emigrieren die Kurden jedoch größtenteils nach Europa und in geringerem Maße in die USA und nach Kanada. In Europa ist das wichtigste Zielland für die kurdische Emigration Deutschland. (vgl. Abbildung 3)
Im deutschsprachigen Raum gibt es mehr als eine Million Kurden, davon lebt die überwiegende Mehrzahl in Deutschland. Die Schätzung über die Anzahl der Kurden in Deutschland ist schwierig, da es keine kurdische Staatsbürgerschaft gibt und es somit häufig schwer festzustellen ist, ob es sich bei einem Immigranten beispielsweise aus der Türkei wirklich um einen Kurden oder um einen Menschen eines anderen Volksstammes mit türkischer Staatsbürgerschaft handelt. Für Immigranten aus anderen Nationalstaaten gilt das gleiche Problem. Bis 1973 wurden zahlreiche Gastarbeiter von der deutschen Regierung unterstützt angeworben, nach Deutschland zu immigrieren. In diesem Zeitraum kamen vermehrt auch kurdische Arbeitsmigranten, vorwiegend Männer, nach Deutschland. 1973 wurde von deutscher Seite ein Anwerbestopp für Gastarbeiter durchgesetzt und es kamen deutlich weniger Arbeitsmigranten nach Deutschland. Ab 1973 ist die kurdische Immigration nach Deutschland politischen Krisen in der kurdischen Kernregion geschuldet. Beispiele für Auslöser vermehrter kurdischer Migrationsbewegungen nach Europa und Deutschland sind der Militärputsch 1980 in der Türkei, der Türkei-PKK-Konflikt oder der Giftgasangriff 1988 auf Halabdscha im Irak.
Die kurdische Bevölkerung ist in der Kurdischen Gemeinde in Deutschland e.V. (KGD) als Dachverband der Kurden in Deutschland organisiert. Es gibt zahlreiche und immer wiederkehrende gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken auch auf deutschem Gebiet. (Cacan, 2016)
3. Die Kurden in Syrien vor dem syrischen Bürgerkrieg
Bis 1918 erstreckte sich das Osmanische Reich u.a. auf dem Gebiet des heutigen Syriens. 1918 wurde das Osmanische Reich aufgelöst und von 1922 bis 1946 war Syrien zusammen mit dem Libanon ein französisches Völkerbundmandat (Mandat français sur la Syrie et le Liban). Im Jahre 1946 erreichte Syrien schließlich seine Unabhängigkeit. (Baron, 2014)
Im Jahre 1957, ca. 11 Jahre nach der Unabhängigkeit Syriens, wurde die erste kurdische Partei in Syrien gegründet. Es handelt sich dabei um die Demokratische Partei Kurdistan-Syrien (DPKS). Ziele der DPKS waren u.a. die Förderung der kurdischen kulturellen Rechte, der wirtschaftliche Fortschritt in Syrien und ein demokratischer Wandel. Die DPKS wurde vom syrischen Staat nie offiziell anerkannt, weshalb die DPKS eine Untergrundorganisation in Syrien blieb. Zahlreiche Mitglieder der DPKS wurden wegen Separatismus angeklagt und eingesperrt. Später zerfiel die DPKS erst in zwei Flügel, zersplitterte dann immer mehr und spielt in der heutigen politischen Landschaft Syriens quasi keine Rolle mehr. (Strohmeier & Yalçın-Heckmann, 2003)
1962 beschloss die syrische Regierung per Dekret, eine Volkszählung in der Provinz al-Hasaka durchzuführen. Aus dieser Volkszählung resultierte, dass 120.000 Kurden (20 % der syrischen Kurden) zu Ausländern erklärt wurden. Medienkampagnen wie „Rettet das Arabertum in der Dschazira!“ oder „Bekämpft die kurdische Bedrohung!“ begleiteten die Volkszählung. (KurdWatch, 2010)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Kara, 2016)
Abbildung 4: Überblickskarte über das Arabisierungsprojekt 1973
1965 plante die syrische Regierung, beduinische Araber entlang der syrisch-türkischen Grenze von der irakischen Grenze im Osten bis Ras-al-Ain im Westen anzusiedeln. Die kurdischen Ortsnamen wurden arabisiert und es war geplant, 140.000 Kurden in die Wüste zu deportieren und kurdische Bauern zu enteignen. (Liebscher, 2013)
1986 wurde die Feier zum kurdischen Neujahresfest Nouruz im kurdischen Viertel von Damaskus durch syrische Sicherheitskräfte beschossen. Dabei kam es zu einem Todesopfer. In der Folge fanden weitere Unruhen in den Kurdengebieten in Nordsyrien statt. Dabei muss aber angemerkt werden, dass die syrische Regierung bei der Niederschlagung der kurdischen Proteste auch von kurdischen Spezialeinheiten unterstützt wurden. Teile der kurdischen Bevölkerung kämpften dabei also gegen ihren eigenen Volksstamm. Auch das Massaker von Hama im Jahre 1982, welches sich gegen die sunnitische Muslimbrüderschaft richtete, wurde durch kurdische Spezialeinheiten unterstützt. (Wanlî, 1988)[1]
Rojava-Kurdistan. Ein Staat, den es (noch) nicht gibt
Der Aufschwung kurdischer Politik
Buch: Der Aufschwung kurdischer Politik
Autor: Günter Seufert
Erscheinungsort: Berlin
Verleger: Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut
Veröffentlichungsdatum: 2015
$Der Aufschwung kurdischer Politik: Zur Lage der Kurden in Irak, Syrien und der Türkei$
Jahrzehntelang galten die etwa 29 Millionen Kurden, die in der Türkei, in Iran, Irak und Syrien leben, primär als Gefahr für die territoriale Integrität dieser Staaten und damit für die Stabilität der Region. Heute ist diese Region von Staatszerfall, überbordendem Terror und Tendenzen einer Auflösung der Ordnung gekennzeichnet, die nach dem Ersten Weltkrieg geschaffen worden war. Im Zuge dieser Entwicklungen haben sich auch die Lage der Kurden und die Rolle, die sie in der regionalen Politik spielen, grundlegend geändert...[1]
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Actual
Ali Baran
Ali Baran (* 1955 im Dorf Bargeni-Axucan, Landkreis Hozat, Tunceli) ist ein kurdischer Sänger. In seiner Familie wurde sowohl Kurmandschi als auch Zazaisch gesprochen. Sein Vater Mahmud Baran war in seiner Heimat ein bekannter Sänger. Er ertrank in einem Stausee. Auch seine Mutter sang, so dass Ali Baran mit Musik aufwuchs. Er lernte mit sechs Jahren die Davul und mit zwölf die Saz/Tembur spielen. Seine musikalischen Vorbilder waren Arif Cizrewi, H. Cizrewi, Kawis Axa und Meryem Xan.
Als er mit
Ali Baran
Strategische Waffenbrüderschaft Deutschland-Türkei
Autor: Fred Schmid, Claus Schreer
Erscheinungsort: München
Verleger: isw sozial-ökologische Wirtschaftsforschung München e. V
Veröffentlichungsdatum: April 1995

” … läßt sich die deutsche Politik von vitalen Sicherheitsinteressen leiten: Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt im Rahmen einer gerechten Weltwirtschaftsordnung”

Verteidigungspolitische Richtlinien/BMVtdg 1992

Nach Außenminister Kinkel gibt es “wirkl
Strategische Waffenbrüderschaft Deutschland-Türkei
Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
Autor: Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: civaka-azad.org
Veröffentlichungsdatum: Maii 2023

Der Krieg in Kurdistan ist auch das bestimmende Thema der aktuellen Wahlen in der Türkei. Die AKP-MHP-Regierung hat diesen Krieg in den letzten Jahren immer weiter ausgeweitet und ihr autoritäres Regime darauf aufgebaut. Mit einem möglichen Machtwechsel in der Türkei ist auch die Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konflikts
Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
Zur Lösung der kurdischen Frage - Visionen einer demokratischen Republik
Autor: Abdullah Öcalan
Erscheinungsort: Berlin.Deutschland
Verleger: Herausgeber: Kurdistan Informations-Zentrum Kaiser Friedrich Str. 63
Veröffentlichungsdatum: September 2000

Zur Verteidigungsrede von Abdullah Öcalan
Prof. Norman Paech
Am 15-02- 1999 wurde Abdullah Öcalan auf dem Weg von der Residenz des griechischen Botschafters in Nairobi (Kenia) zum Flughafen entführt und in dem Flugzeug eines türkischen
Geschäftsmannes gefesselt in die Türkei gebracht. Ein Gangster-stück, welches
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Mangels eines Nationalstaates hat sich beim Kurdischen auch keine einheitliche Nationalsprache herausgebildet. Vielmehr handelt es sich um mehrere teilweise stark differierende Dialekte deren linguistische Zuordnung teilweise umstritten ist. Alle kurdischen Dialekte oder Sprachen gehören aber zum iranischen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie und unterscheiden sich damit deutlich vom Arabischen oder Türkischen. Im Groben wird heute zwischen den Gro
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Schlusspunkt unter einem wenig überzeugenden Kapitel europäi-scher Rechtskultur. Kein Staat wollte einem Mann Asyl gewähren,der darum nachsuchte und wie kein anderer politischer Flüchtling einen Anspruch auf eine Zuflucht gehabt hätte. Aber keine Regie-rung wollte seine Botschaft hören und sich ernsthaft auf die kur-dische Frage einlassen, als ginge sie die Tragödie des kurdischen Volkes an der Peripherie Europas nichts an. Sie wollten ihm nicht einmal die Möglichkeit der Verteidigung seiner Sache vor einem Internationalen Tribunal geben. Aus Angst, dass dann der ganze Umfang einer Jahrzehnte langen Unterdrückungs- und Vernich-tungsmaschinerie ihres NATO-Verbündeten der Weltöffentlichkeit präsentiert und in die Verhandlung eingebracht worden wäre, lie-ferten sie ihn der türkischen Gerichtsbarkeit aus. Dabei war ihnen nicht unbekannt, dass der Europäische Gerichtsho...[1]
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Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
Autor: Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: civaka-azad.org
Veröffentlichungsdatum: Maii 2023

Der Krieg in Kurdistan ist auch das bestimmende Thema der aktuellen Wahlen in der Türkei. Die AKP-MHP-Regierung hat diesen Krieg in den letzten Jahren immer weiter ausgeweitet und ihr autoritäres Regime darauf aufgebaut. Mit einem möglichen Machtwechsel in der Türkei ist auch die Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Kurdistan-Konflikts verbunden. Eine demokratische Öffnung des Landes und die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit sind zweifellos mit der Frage verbunden.

Wir möchten die zentrale Stellung des türkischen Krieges gegen das Selbstbestimmungsrecht der Kurd:innen für die Zukunft des Landes und der gesamten Region zum Anlass nehmen, um uns in diesem Dossier der kurdischen Frage aus einer historischen Perspektive anzunähern. Wir setzen uns darin mit den geschichtlichen Ursprüngen der Frage seit der Gründung der türkischen Republik, der Gründung und dem Wandel der Arbeiterpartei Kurdistans und dem Krieg der AKP gegen die Kurd:innen auseinander.[1]
Der türkische Krieg gegen die kurdische Selbstbestimmung
„Antimuslimischen Rassismus ernst nehmen – Kritik an muslimischen Organisationen zulassen“
Erscheinungsort: Köln
Verleger: Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland e.V.
Veröffentlichungsdatum: September 2022

Mit der Veröffentlichung des ersten Bandes dieser Broschüre und allem, was dem vorangegangen ist – also der Beginn unserer öffentlichen Auseinandersetzung mit Ungleichwertigkeitsideologien der Migrationsgesellschaften auf der einen und dem Kampf gegen was dem vorangegangen ist – also der Beginn unserer öffentlichen Auseinandersetzung mit Ungleichwertigkeitsideologien der Migrationsgesellschaften auf der einen und dem Kampf gegen jegliche Diskriminierung auf der anderen Seite –, gibt es eine Veränderung in der alevitischen Jugend, aber auch in der öffentlichen Debatte, deren Teil wir geworden sind.[1]
„Antimuslimischen Rassismus ernst nehmen – Kritik an muslimischen Organisationen zulassen“
Wiener Jahrbuchs für Kurdische Studien 5
Herausgegeben von: Katharina Brizić, Agnes Grond, Christoph Osztovics, #Thomas Schmidinger# und Maria Six-Hohenbalken
Erscheinungsort: Wien. Austria
Verleger: P R A E S E N S V E R L A G
Veröffentlichungsdatum: 2017

Description (deu): Der fünfte Band des Wiener Jahrbuchs für Kurdische Studien richtet sich an eine breite Leserschaft mit Interesse an Sprache, Migration und sozialem Zusammenhalt, seien es Studierende oder Fortgeschrittene, seien es in Forschung oder Praxis Tätige. Die im Band vertretenen Disziplinen schlagen einen weiten Bogen von Linguistik und Soziolinguistik über Soziologie und Politikwissenschaft bis hin zu Kultur- und Sozialanthropologie, Migrationsforschung, Memory und Genocide Studies und vielen mehr. Der Grund für diese Weite liegt im Gegenstand selbst: Dies ist ein Buch zum Kurdischen. Es gibt nur wenige Themen, so meinen wir, die in so viele Disziplinen ausstrahlen, zugleich aber auch so unmittelbar die Ebene menschlicher Erfahrung berühren wie das Kurdische.
Kurdisch tut dies bereits auf der linguistischen Mikro-Ebene, als sprachliche ‘Einheit’, von wo die Diskussion stets unverzüglich zu fundamentalen Fragen des ‘Wesens’, der Verwandtschaften und Grenzen von Sprachen führt, und von dort weiter zu Identität, sozialem Zusammenhalt, kollektivem Gedächtnis und deren Bedeutung für jegliche Definition von Sprache. Nur selten sind die verschiedenen Aspekte so offensichtlich und unausweichlich miteinander verwoben wie im Falle des Kurdischen. Kurdisch ist deshalb ein besonders geeigneter Ausgangspunkt, wenn es darum geht zu verstehen, dass Sprache niemals getrennt von menschlicher Erfahrung, von Erinnerung, Politik, sozialer Entwicklung und sozialem Zusammenhalt gedacht werden kann — und nicht erst in unseren spätmodernen Zeiten. Kurdisch zeugt eindrucksvoll von der tiefen Beziehung des Menschen zu Sprache. Denn dass sich das Kurdische so lebendig in Schrift und Wort erhalten hat, ist alles andere als selbstverständlich. [1]
Wiener Jahrbuchs für Kurdische Studien 5
Das Unternehmen „Mammut“
Autor: Mag. Pherset Zuber Mohammed Rosbeiani
Erscheinungsort: Berlin.Deutschland
Verleger: Humboldt-Universität .Berlin
Veröffentlichungsdatum:2011

EINLEITUNG
1.Europa, Deutschland und der Orient im Überblick.
Über Jahrhunderte herrschte ein gespanntes Verhältnis und ein mit vielen Vorurteilen behafteter Umgang des Abendlandes mit dem Morgenland, sosehr der Orient1 für Europa auch immer ein großes Faszinosum, wahrlich immer 1 Der Ausdruck Orient als der Gegensatz zum Okzident, dem Abendland, ist als Begriff bereits in der griechi-schen bzw. lateinischen Sprache nachweisbar und bedeutet Morgenland. Er stellt zunächst ein Konstrukt der „mythischen Geograhie“, ein weltanschauliches Stereotyp dar. Bereits die römische Verwaltungssprache aber fasste diesen Begriff klarer. Unter dem römischen Kaiser Diokletian (239 – 312) verwaltete der Statthalter (prae-fectus praetorio per orientem) die Diözese ‚Orient‘ mit den Regionen Palästina, Phoenica, Arabia, Ägypten,Kleinasien sowie Thrakien mit einem kleinen europäischen Anteil. Bei der Teilung des Imperiums in West- bzw.Oströmisches Reich im Jahre 395 verlief an dieser Grenze fortan die Trennung der Bevölkerung in einen latei-nisch sprechenden Teil (Westrom) und einen griechisch oder andere Sprachen sprechenden Teil (Ostrom). Seit Ausgang des Mittelalters verbindet die neuzeitliche, allerdings stereotyp populäre Meinung den Begriff Orient häufig mit ambivalenten Begriffspaaren wie: ‚Despotie und Dekadenz, luxurierend, grausam und sinnlich, natur-verhaftet und geschichtslos‘, zugleich mit so uralten Metaphern wie der ‚uralten Weisheit‘ oder dem ‚Licht aus dem Osten‘. Vgl. in sinngemäßer Form: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, 4.völlig neu bearb. Aufl., Tübingen 2003, Bd.6 (N-Q), Sp.651f. „Nach-und antikoloniale Diskurse, die derartige Konstrukte analysieren (cultural remapping), sind durch Edward W.Said und Martin Bernal auch in den Altertumswissenschaften rezipiert worden. Die Genese des ‚Westens‘ ver-dankt sich einem steten, bis an das Ende der Antike wirksamen, kulturellen Druck aus dem ‚Osten‘ von ‚langer Dauer‘...Der Prozeß der Kultur ist als solcher, auch im Mittelmeerraum, Rezeption Synthese, Akkumulation von Energie und Information, friedliche oder gewaltsame Aneignung heterogener Bestandteile“. Vgl. Ebd. Ausge-hend von diesem hier sehr theorethisch beschriebenen, aber bereits in der Antike wirksamen, über das Mittelalter und die Zeit der Kreuzzüge bis in die Neuzeit nachweisbaren Beziehungsgeflechten, vollzogen sich auch seit Beginn der Neuzeit die wechselseitigen Kontakte, Beziehungen, Konflikte und der kulturelle Austausch zwischen Orient und Okzident.[1]
Das Unternehmen „Mammut“
Mely Kiyak
Mely Kiyak (* 1976 in Sulingen) ist eine deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Kolumnistin.

Leben
Kiyak ist Tochter eines aus der Türkei stammenden kurdischen Einwanderers. Nach ihrem Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig begann sie, als Journalistin für den Mitteldeutschen Rundfunk und die Leipziger Volkszeitung zu arbeiten. 1998 wurde sie deutsche Staatsbürgerin.

Seit 2005 ist Kiyak in Berlin als Autorin und freie Journalistin tätig. Ihre Texte erschienen unter anderem in der Zeit, der Welt und der taz. Von 2008 bis 2013 erschien von Kiyak in der Frankfurter Rundschau, später auch parallel in der Berliner Zeitung, eine politische Kolumne. Seit Ende 2013 schreibt sie auf der Website des Berliner Maxim-Gorki-Theaters eine regelmäßige Kolumne, seit 2014 auch auf Zeit online. Im Zentrum ihrer Artikel, Kommentare, Berichte, Rezensionen, Feuilletons, Fernseh- und Diskussionsbeiträge (z. B. auch innerhalb des ARD-Presseclubs) stehen Migrations- und Integrationspolitik sowie Kultur.
„Von den Immigranten zu verlangen, sich mit Haut und Haar einem diffusen Deutschsein auszuliefern, von dem die Deutschen selbst nicht wissen, was das sein könnte, ist vermessen.“

– Mely Kiyak: Die Zeit, 2006
Für die Körber-Stiftung arbeitete Kiyak wesentlich an dem Buch Zweiheimisch (2006) über bikulturelles Leben in Deutschland mit und veröffentlichte 2007 das Buch 10 für Deutschland.
Sie verbringt regelmäßig einige Tage in der Benediktinerinnenabtei zur Heiligen Maria in Fulda und gibt dort mit Schwester Christa die Zeitschrift Winke für den Biogärtner heraus.

Sarrazin-Kontroverse
Im Mai 2012 bezeichnete Kiyak in ihrer Kolumne für die Berliner Zeitung sowie die Frankfurter Rundschau Thilo Sarrazin, dessen rechte Gesichtshälfte infolge der Operation eines Tumors teilweise gelähmt ist, nach einem Fernsehauftritt als „lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur“. Hierfür wurde sie in der Welt und der Bild kritisiert. Eine Woche nach Erscheinen des Beitrags legte Kiyak ihre Intention dar, auf die „nicht körperlich bedingten Unvollkommenheiten in seinem Auftritt hinzuweisen […]. Wenn ich den physiologischen Hintergrund gekannt hätte, hätte ich das Bild nicht gewählt. Ich bedauere das sehr!“ Nach anhaltender Kritik sprachen die Chefredaktionen der abdruckenden Zeitungen von einer „perfiden Hetzkampagne“ gegen die Autorin, welche insbesondere über das Blog Politically Incorrect forciert werde. Kiyak dokumentierte die Art und Zielrichtung dieser Angriffe in einem kritischen Artikel über das Blog in der Berliner Zeitung. Auch die Journalisten-Vereinigung Neue Deutsche Medienmacher und die taz nahmen Kiyak in Schutz. Der Freitag kommentierte, dass Kiyak „den Shitstorm, den sie gegen [… Sarrazin] in Gang setzen wollte“, am Ende auch selbst zu spüren bekommen habe.

Der Deutsche Presserat sah den „Verstoß gegen die publizistischen Grundsätze als so schwerwiegend“ an, dass er eine Missbilligung gegenüber der Berliner Zeitung aussprach. Sarrazin sei „in seiner Menschenwürde verletzt“ worden. Wegen der Entschuldigung Kiyaks wurde jedoch keine Rüge ausgesprochen.

„Hate Poetry“
Seit 2012 trat Kiyak zusammen mit den Journalisten Deniz Yücel, Yassin Musharbash, Özlem Topçu, Özlem Gezer, Hasnain Kazim, Doris Akrap und Ebru Taşdemir im Rahmen der „antirassistischen Leseshow“ Hate Poetry auf, bei denen sie im Stile eines Poetry Slams zornerfüllte Leserbriefe vorlasen.

Veröffentlichungen
$Bücher:$
Werden sie uns mit Flix-Bus deportieren? Carl Hanser Verlag, München 2022, ISBN 978-3-446-27275-0.
Frausein. Carl Hanser Verlag, München 2020, ISBN 978-3-446-26746-6.
Haltung. Ein Essay gegen das Lautsein. Dudenverlag, Berlin 2018, ISBN 978-3-411-71765-1.
Istanbul Notizen. Shelff Verlagsbureau, Berlin 2013, ISBN 978-3-936738-90-2.
Herr Kiyak dachte, jetzt fängt der schöne Teil des Lebens an. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-038212-2.
Briefe an die Nation und andere Ungereimtheiten. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-596-19619-7.
Ein Garten liegt verschwiegen. Hoffmann und Campe, Hamburg 2011, ISBN 978-3-455-40349-7.
10 für Deutschland. Gespräche mit türkeistämmigen Abgeordneten. Edition Körber-Stiftung, Hamburg 2007, ISBN 978-3-89684-068-4.
Beiträge in Anthologien:

Elefantenrunde. In: Nicol Ljubić (Hrsg.): Schluss mit der Deutschenfeindlichkeit! Geschichten aus der Heimat. Hoffmann und Campe, Hamburg 2012, ISBN 978-3-455-50246-6.
Warum sich in der Kulturszene nicht bemerkbar macht, was sonst noch los ist. In: Susanne Stemmler (Hrsg.): Multikultur 2.0 – Willkommen im Einwanderungsland Deutschland. Wallstein Verlag, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0840-4.
Zwei Briefe. In: Hilal Sezgin (Hrsg.): Manifest der Vielen – Deutschland erfindet sich neu. Blumenbar, Berlin 2011, ISBN 978-3-936738-74-2.
Auszeichnungen
2006: Stipendium des Senats für Wissenschaft, Forschung und Kultur für Berliner Schriftsteller.
2011: Theodor-Wolff-Preis, Kategorie „Kommentar/Glosse/Essay“
2014: Journalist des Jahres – Kategorie „Sonderpreis“ (für Hate Poetry, Gruppenpreis mit den weiteren Mitgründern)
2015: Stipendium des Berliner Senats
2021: Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik für ihr Werk Frausein und ihre Tätigkeit als Kolumnistin und Essayistin
2021: Christine-Literaturpreis der BücherFrauen für Frausein[1]
Mely Kiyak
Necati Şaşmaz
Necati Şaşmaz
Muhammed Necati Şaşmaz (* 15. Dezember 1971 in Sivrice, #Elazığ# ) ist ein türkischer Schauspieler. Bekannt geworden ist er mit der Rolle des Polat Alemdar in der Serie Tal der Wölfe und den dazugehörigen Kinofilmen.

Leben
Necati ist der Sohn von Abdulkadir Şaşmaz. Vater und Großvater der Brüder waren Scheichs des Qadiriyya-Ordens.

Necati Şaşmaz eigentlicher Beruf lag in der Tourismusbranche. Er beendete seine Berufsausbildung in Kanada. Necati Şaşmaz lebte mithilfe einer Green Card sechs Jahre in den USA. Seinen Wehrdienst leistete er in 28 Tagen ab. Nachdem er 2001 seine Familie in der Türkei besucht hatte, flog er am 11. September 2001 zurück in die USA. Doch wegen der Terroranschläge am selben Tag, musste sein Flugzeug zurückkehren. Dem Drängen seiner Eltern nachgebend, beschloss er, nicht mehr in die USA zurückzukehren.

Als er beschloss, sein Leben von nun an in der Türkei zu verbringen, eröffnete er ein Versicherungsbüro. Wenig später traf er sich in Istanbul mit dem Produzenten Osman Sınav. Necati Şaşmaz ging davon aus, dass er ein Angebot für einen Platz in einem Produktionsteam bekommen würde. Stattdessen bot Osman Sınav ihm die Hauptrolle in einer neuen Serie an. Necati Şaşmaz bat um Bedenkzeit und nahm einen Monat später die Rolle an. Die Serie läuft mit Unterbrechungen erfolgreich und brachte auch mehrere Kinofilme hervor. Necati Şaşmaz sagte, dass man ihn nur in Ankara mit seinem Namen rufe, aber in Istanbul nenne ihn jeder Polat.

2012 heiratete er Nagehan Kaşıkçı.

Filmografie
Fernsehserien
2003–2005: Tal der Wölfe (Kurtlar Vadisi)
2007: Tal der Wölfe – Terror (Kurtlar Vadisi Terör)
Nach der ersten Episode wurde Kurtlar Vadisi Terör verboten. Die zweite Episode wurde zu Ehren von gefallenen Soldaten später gesendet.

2007–2018: Tal der Wölfe – Hinterhalt (Kurtlar Vadisi Pusu)
Filme
2006: Tal der Wölfe – Irak (Kurtlar Vadisi Irak)
2011: Tal der Wölfe – Palästina (Kurtlar Vadisi Filistin)
2017: Tal der Wölfe – Vaterland (Kurtlar Vadisi Vatan)[1]
Necati Şaşmaz
Strategiepapier über die regionale Autonomie Sindschar (kurd. Şengal)
Autor: Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan
Erscheinungsort: Göttingen .Deutschland
Veröffentlichungsdatum:2015

Die Situation im Irak ist politisch unübersichtlich, das Land gespalten und die Regierung war bislang nicht in der Lage, den Genozid des IS („Islamischer Staat“) an den Eziden und anderen Gruppen zu stoppen. Die Irak-Krise mit den weiterhin ungelösten Konflikten zwischen den Kurden, Schiiten und Sunniten ist selbst zu einer Katastrophe für die Außen- und Sicherheitspolitik im Nahen und Mittleren Osten und der westlichen Welt geworden. Auf Grund der zunehmenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen im Nahen und Mittleren Osten, vor allem in Syrien und im Irak, sind neue Ansätze, auch für den Schutz der Minderheitenreligionen im Irak notwendig.

Die Europäische Union, die USA, die Kurden in Erbil und die Zentralregierung in Bagdad sollten eine umfassende Strategie für die Zeit nach dem Rückzug des IS aus dem Irak entwickeln, unter Berücksichtigung historischer, religiöser und ethnischer Gegebenheiten, wie z. B. der Situation der Eziden in Sindschar.

Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan stellt in diesem Strategiepapier Ansätze und Möglichkeiten vor, Frieden in Irakisch-Kurdistan zu gewährleisten und wie eine Gesellschaft aufgebaut werden kann, in der ethnische und religiöse Minderheiten friedlich miteinander leben können. [1]
Strategiepapier über die regionale Autonomie Sindschar (kurd. Şengal)
Die Verträge von Lausanne und Craiova und ihre Vorgeschichte
Autor: Possegger, Mark
Erscheinungsort: Karl-Franzens-Universität Graz
Verleger: UNI GRAZ
Veröffentlichungsdatum:2014

Die Arbeit befasst sich mit der Vorgeschichte und Geschichte beider Verträge von Lausanne und Craiova und versucht die Gemeinsamkeiten sowie die Unterschiede der zu diesen beiden Verträgen gehörenden „Bevölkerungstransfers“ darzustellen. In der Vorgeschichte zu Lausanne und Craiova wird vor allem viel Wert gelegt auf die Herausbildung der christlichen Nationalstaaten aus dem Osmanischen Reich in Südosteuropa und in Folge dessen auf die Migrationsströme, die dadurch ausgelöst wurden. Für das Verständnis ist es wichtig, die Kontinuität von Zwangsmigrationen in Südosteuropa seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts festzuhalten, die mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches einher gingen. Darüber hinaus wird der Lausanner Vertrag und der darin festgesetzte „Bevölkerungstransfer“ zwischen Griechenland und der Türkei von 1923 erforscht. Es wird davon ausgegangen, dass der griechisch-türkische „Bevölkerungsaustausch“ die nachfolgenden „Bevölkerungstransfers“ im II. WK nachhaltig in der Durchführung der „Umsiedlungen“ beeinflusst hat. Desweiteren wird der Frage nachgegangen, ob aus diesem Grund Parallelen zwischen dem griechisch-türkischen und rumänisch-bulgarischen „Bevölkerungstransfer“ existieren oder ob es sich trotzdem um zwei in ihrer Entstehung und Durchführung grundverschiedenen „Bevölkerungstransfers“ handelt. Außerdem wird der Vertrag von Craiova untersucht, der den „Bevölkerungsaustausch“ zwischen Bulgarien und Rumänien 1940 festgesetzt hat. Abschließend sei gesagt, dass diese „Bevölkerungstransfers“ am Rande der Legalität durchgeführt wurden und über viele Menschen unsägliches Leid gebracht hatten.[1]
Die Verträge von Lausanne und Craiova und ihre Vorgeschichte
Völkerrechtliche Fragen der Sezession Kurdistans
Autor: Mustafa Aktas
Erscheinungsort: Karl-Franzens-Universität Graz .Austria
Veröffentlichungsdatum: 2019

Das irakische Volk nahm am 15. Oktober 2005 in einem Referendum die neue irakische Verfassung an. Die Wahlbeteiligung lag bei 63 Prozent. Die Verfassung bestimmt, dass der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat ist.Im Jahr 2005 wurde Kurdistan dadurch zu einer autonomen Region, was auch in der irakischen Verfassung verankert wurde. Sie hat die Kontrolle über die Erforschung und Ausbeutung von Bodenschätzen, die Sicherheits-, Bildungs- und Gesundheitspolitik, die Entwicklung der Infrastruktur sowie die Polizei und den Geheimdienst. Obwohl hier staatliche oder staatsähnliche Institutionen aufgebaut worden sind, ist Kurdistan aber noch immer kein unabhängiger Staat. Nachdem die Kurden gegen den Islamischen Staat große Erfolge erzielen konnten und ein großes Gebiet, vor allem Musul und Kerkuk, unter ihre Kontrolle gebracht hatten, änderte sich die Situation. 2018 wurde ein Unabhängigkeitsreferendum durchgeführt. In der gegenständlichen Diplomarbeit wird dargelegt, ob die Kurden in Nordirak einen Rechtsanspruch auf einen eigenen Staat haben. Hierfür werden völkerrechtliche Grundlagen herangezogen und analysiert. Es wird auch untersucht, inwieweit der Fall Kosovo, der ähnlich gelagert ist wie der Irakisch-Kurdistan, mit Letzterem vergleichbar ist. In weiterer Folge werden die Auswirkungen eines unabhängigen Irakisch-Kurdistans auf den mittleren Osten behandelt.[1]
Völkerrechtliche Fragen der Sezession Kurdistans
Berivan Aslan
Kurzbiografie
Geb.: 16-10-1981, Kulu (Türkei)

Politische Mandate/Funktionen
Abgeordnete zum Nationalrat (XXV. GP), GRÜNE
29-10-2013-08-11-2017

Berufliche Tätigkeit: Juristin
Weitere Politische Mandate/Funktionen
Mitglied des Landesvorstandes der Grünen Bildungswerkstatt Tirol

Beruflicher Werdegang
Nationalratsabgeordnete
Juristische Mitarbeiterin, Unabhängiger Verwaltungssenat 1.1.2013-27.10.2013
Rechtspraktikantin/ Vorsitzende der RechtspraktikantInnen in Tirol, Bezirksgericht, Landesgericht und Staatsanwaltschaft Innsbruck 2011-2012
Rechts- und Sozialberaterin, Zentrum für MigrantInnen in Tirol 2007-2011
Projektmitarbeiterin, Projekt „Vielfalt [daheim] in Tirol“ - nationales Projekt der Tiroler Landesregierung 2010-2011
Projektmitarbeiterin, Projekt „Migrant´s mobility“ - transnationales EU-Projekt 2010-2011
Trainerin, BFI-Projekt „ABC Cafe“ 2009-2010
Studienassistenz, Universität Innsbruck (Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie) 2007-2009
Referentin, Projekt „Tiroler Jugendoffensive“ nationales Projekt der Tiroler Landesregierung 2007-2011
Projektmitarbeiterin, Projekt Future/transnationales Projekt 2007-2008
Projektmitarbeiterin und Mitbegründerin, Projekt Aranea /Förderung transkultureller und feministischer Mädchenarbeit 2007-2008
Angestellte, Telekommunikationsbereich 2004-2005
Projektmitarbeiterin, Equal Projekt Join In /europäische Gemeinschaftsinitiative gegen Diskriminierung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund 2006-2007
Moderatorin und Organisatorin, diverse kulturelle und soziale Veranstaltungen 2005-2008
Übersetzerin und Dolmetscherin, Bundesasylamt Innsbruck 2003-2007
Mitarbeiterin, Congresshaus Innsbruck 1998-2004

Bildungsweg
Doktoratsstudium Leopold Franzens Universität Innsbruck
Diplomstudium Rechtswissenschaften (Mag. iur.) Leopold Franzens Universität Innsbruck
Studium der Politikwissenschaft Leopold Franzens Universität Innsbruck
Wirtschaftskundliches Realgymnasium Innsbruck
Hauptschule Telfs
Volksschule Telfs.[1]
Berivan Aslan
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1
Autor: Bundesamt für Verfassungsschutz
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Bundesamt für Verfassungsschutz
Veröffentlichungsdatum:2019

Neben der Ideologie und den Zielen der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (#PKK# ) wird in dieser Broschüre der historische Hintergrund des Kurdenkonflikts beleuchtet. Den inhaltlichen Schwerpunkt bilden die Situation sowie die Aktivitäten der PKK in Deutschland und Europa.

Die PKK ist noch immer die mitgliederstärkste und schlagkräftigste nichtislamistische extremistische Ausländerorganisation in Deutschland. Sie ist in der Lage, Personen weit über den Kreis der eigenen Anhängerschaft hinaus zu mobilisieren. Ereignisse und krisenhafte Entwicklungen in der Türkei und den Heimatregionen der Kurden können unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland haben. Mit einem dadurch oftmals erhöhten Demonstrationsaufkommen von Anhängern der PKK steigt das Risiko von Provokationen und Zusammenstößen – insbesondere mit nationalistischen bzw. rechtsextremistischen Türken. Die PKK ist nach wie vor in der Lage und bereit, Gewalt zumindest punktuell auch in Deutschland einzusetzen bzw. Gewalttaten ihrer jugendlichen Anhänger zu dulden.

Aus dem Inhalt:
Historischer Hintergrund des Kurdenkonflikts
Gründung, Ideologie und Ziele der PKK
Die PKK in Deutschland und Europa
Organisationsverbot
Medienwesen
Öffentlichkeitswirksame Aktionen
Beziehungen zwischen der PKK und Linksextremisten
Lobbyarbeit
Finanzierung.[1]
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) 1
Türkei verstehen Von Atatürk bis Erdoğan
Türkei verstehen Von Atatürk bis Erdoğan
Autor: Gerhard Schweizer
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: CPI – Clausen & Bosse, Leck
Veröffentlichungsdatum: 2016

Atatürk, Erdoğan und ein neuer Blick auf die Türkei Wenn man Westeuropäer, besonders Deutsche, fragt, welche Namen türkischer Politiker ihnen spontan einfallen, nennen sie überwiegend nur zwei Namen: Atatürk und Erdoğan. Der eine hat sich ins historische Gedächtnis auch der Europäer als der Begründer der Republik Türkei verewigt, der mit seiner Vorstellung von »türkischer Moderne« maßgeblich die Entwicklung seines Landes bestimmt hat. Der andere be herrscht seit seinem überraschenden und fulminanten Wahlsieg im November 2002 die Schlagzeilen der internationalen
Medien mit seiner Botschaft einer »islamisch-türkischen Moderne«. Erdoğan ist zum mächtigsten Politiker seit Atatürk ge worden, und er beansprucht, Atatürk in wesentlichen Grundfragen zu korrigieren und sich neben dem Begründer der Republik Türkei einen ebenso bedeutenden Platz zu sichern. Auffallend ist Erdoğans Ehrgeiz, bis 2023 als Staatspräsident im Amt zu bleiben und mit derselben Machtfülle wie einst Atatürk das Jahrhundert-Jubiläum der Republik Türkei zu feiern.[1]
Türkei verstehen Von Atatürk bis Erdoğan
„Die Kurdenproblematik in der Türkei
„Die Kurdenproblematik in der Türkei
Autor: Sibel GÜLER
Erscheinungsort: Wien
Verleger: Universität Wien
Veröffentlichungsdatum: November 2010

Seit vielen Jahrzehnten wird in Europa immer wieder die „Kurdenfrage“ oder das „kurdische Problem“ in der Türkei diskutiert – meist ausgelöst durch akute Zwischenfälle und Konflikte, die immer wieder gehäuft auftreten. Dieses „kurdische Problem“ zeigt, dass Probleme nicht durch Aussitzen gelöst werden können. Es wuchs, solange es aufgeschoben und ignoriert wurde. Heute zeigt sich, dass die Lösung nicht alleine durch Sicherheitsmaßnahmen, militärische Aktionen und heimliche Allianzen mit Nachbarstaaten erreicht werden kann. Das kurdische Problem ist in seiner Dimension mittlerweile ein großes und überregionales Problem, dessen Lösung verzögert und das damit noch größer wurde....[1]
„Die Kurdenproblematik in der Türkei
Kurdische Migration in Deutschland
Autor: Kurdische Migration in Deutschland
AUTOR: RÜSEN CACAN
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Universität zu Köln (Institut für vergleichende Bildungsforschung und Sozialwissenschaften)
Veröffentlichungsdatum: 2014
$Einleitung$
1. Einführung in die kurdische Geschichte
1.1 Ethnogenese
1.2 Geographische Lage
1.3 Geschichtlicher Überblick
1.4 Die Kurdische Sprache
1.5 Religionen
1.6 Soziale Strukturen
1.7 Demographische Entwicklungen
1.8 Die wirtschaftliche Lage

2. Die Situation der Kurden in den Herkunftsländern
2.1 Türkei
2.2 Iran
2.3 Irak
2.4 Syrien
2.5 UdSSR

3. Flucht aus Kurdistan
3.1 Konflikten zwischen Religionen
3.2 Wirtschaftliche Gründe
3.3 Politische Verfolgung

4. Migration
4.1 Definition
4.2 Kurdische Migranten in Deutschland
4.2.1 Kurdische Arbeitsmigranten
4.2.2 Kurdische Flüchtlinge
4.3 Aufenthaltsgesetze
4.4 Asylrechte

5. Allgemeine soziale Situation der Kurden in Deutschland
5.1 Lebensbedingungen der Kurden in Deutschland
5.2 Sozial und kulturelle Rechte
5.3 Politische Rechte
5.4 Die kurdische Frauen
5.5 Kurdische Organisationen
5.6 Die Bildungssituation der Migranten in Deutschland
5.7 Förderung der Muttersprache
5.8 Kurdische Medien

6. Der Bezug Deutschlands zur Kurdenfrage
6.1 Die Beziehung zwischen Deutschland und Türkei
6.2 Einfluss der türkischen Regierung gegenüber Kurden in Deutschland

7. Selbstwahrnehmungen von Kurden
7.1 Bewusstsein der Kurden in Deutschland
7.2 Differenzierungen unter kurdischen Migranten
7.3 Politische Differenzierungen zwischen kurdischen Migranten

8. Integration
8.1 Integrationspolitik
8.2 Integration und Diskriminierung
8.3 Integration und Kurdenspezifische Migrationspolitik

9. Resümee
Literaturverzeichnis
Vorwort
In meiner Arbeit werde ich die historisch-politischen Hintergründe der kurdischen Frage in den vier Herkunftsstaaten (Türkei, Iran, Irak und Syrien) der kurdischen Migranten darstellen, so dass man die Möglichkeit hat, die Geschichte kurdischer Zuwanderung nachzuvollziehen und die Situation der kurdischen Migranten einzuordnen.
Zur Erleichterung des Leseflusses wurde in meiner Arbeit nur die männliche Geschlechtsform verwendet, wobei selbstverständlich diese Form die weibliche mit einschließt.

Einleitung
Die kurdische Frage rückte in den 90er Jahren durch den zweiten Golfkrieg, den Krieg zwischen der kurdischen Widerstandsbewegung und dem türkischen Militär in der Türkei sowie durch die vehementen Proteste von Angehörigen der kurdischen Minderheit in der Bundesrepublik Deutschland in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses. Diese Arbeit geht der Frage nach, wie sich die Tatsache auswirkt, dass kurdische Einwanderer im Unterschied zu vergleichbar großen Migrantengruppen nicht über die institutionalisierte Lobby eines Herkunftsstaates verfügen.

In meiner Arbeit werden die sozioökonomischen und politischen Hintergründe von Kurden betreffenden Fragen nachgegangen. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem türkisch-kurdischen Konflikt in der Türkei, bei den Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit kurdischen Demonstrationen in der Bundesrepublik sowie der grundsätzlichen Frage des Umgangs mit Minderheiten in erster Linie um ein Problem handelt, das politisch zu lösen wäre. Umgekehrt gehen aber politische Interpretationen der kurdischen Frage und gesellschaftliche Diskurse über Kurden in die pädagogische Theorie und Praxis ein. Um dem auf die Spur zu kommen, ist ein interdisziplinärer Ansatz notwendig, der übergeordnete Zusammenhänge mit einbezieht. Es ist notwendig, auf den historisch-politischen Hintergrund der kurdischen Frage, wie sie sich in der Türkei, im Irak, Iran und in Syrien stellt, einzugehen sowie die Interessen zu hinterfragen, die den Entscheidungen der deutschen Politik in Bezug auf die kurdische Frage zugrunde liegen.

Im Laufe der Geschichte wurde der Name Kurdistan im unterschiedlichen geografischen und politischen Sinn verwendet und bezeichnete dabei jeweils Gebiete unterschiedlicher Lage und Ausdehnung. Der Begriff „Kurdistan“ entstand erstmals im elften Jahrhundert, ohne geographisch eingegrenzt zu werden. Die Kurden wurden durch die staatlichen Grenzen zuerst in zwei Teile zwischen Perser und Osmanen geteilt. Im Vertrag von Lausanne (24. Juli 1923) wurden die neuen Machtverhältnisse zwischen der Türkei und den Besatzungsmächten Vereinigtes Königreich, Frankreich und Italien festgesetzt sowie vertraglich niedergeschrieben. Das Siedlungsgebiet der Kurden befand sich von da an in vier Staaten, nämlich der Türkei, im Iran, Irak sowie in Syrien. Diese Grenzen jedoch definierten keineswegs Barrieren innerhalb des kurdischen Volkes.

Die Kurden leben meistens in der Türkei, im Irak, im Iran, in Syrien und in der Ex-Sowjetunion. Dabei gibt es nur wenige Zugeständnisse von offizieller Seite, wie die fehlende amtlich anerkannte Sprache und Schrift. Oft werden sie durch eine strikte und unnachgiebige Assimilierungspolitik schon in ihrer Heimat „zu Fremden“ gemacht. Sie leben im eigenen Land unter mangelhaften Versorgungsbedingungen in den Bereichen Kultur, Sprache, Bildung, Gesundheit sowie unter allgemein sehr eingeschränkten wirtschaftlichen Bedingungen, bis hin zur tiefsten Armut. Die Entwicklung der kurdischen Potentiale wird in den kurdischen Landsteilen durch die politischen Bedingungen unterdrückt, bzw. schon deren Entstehung verhindert.

In Deutschland ist die Frage nach der Integration als Bedarf der rechtlichen und demokratischen Klärung der Ausländersituation entstanden. Nach fast 50-jähriger Immigration leben inzwischen etwa eine Million Kurden in Europa. Sie sind als Arbeitsimmigranten aus der Türkei, dem Iran, Irak und aus Syrien, Armenien und Aserbaidschan gekommen oder mussten ihre Heimat als Flüchtlinge verlassen. Seit kurdische Gastarbeiter mit ihren Familien nach Deutschland gekommen sind, gibt es eine Frage nach deren Lebensbedingungen und Integration. Das Thema der kurdischen Integration in Deutschland bedarf einer Aufstellung von weiteren Daten und Fakten über ihre Lebenssituation, einer Darstellung über Deutsche sowie des kurdischen Integrationsprozesses in seiner chronologischen Reihenfolge. Dabei sind auch Faktoren wie die Einflüsse politischer Ideen und Kräfte zu berücksichtigen.

Nach der rechtlichen Situation lassen sich die kurdischen Migranten in der Bundesrepublik wie folgt einteilen: in Arbeitsmigranten, Flüchtlinge sowie Asylbewerber und Asylberechtigte. Kurden werden in Deutschland vorwiegend als Türken, Araber, und Iraner definiert, obwohl sie privat an der Pflege kurdischer Traditionen und Sprache festhalten.
Oft werden Kurden in den deutschen Medien mit Unterdrückung, Verfolgung oder Vernichtung und anderen Meldungen in Zusammenhang gebracht. Dabei geht es meistens um Themen wie Krieg, Demonstrationen, Ehrenmord oder PKK-Verbot.
Ein ethisch motiviertes Handeln in den Medienberichten über Kurden ist somit kaum zu erkennen.

Minderheiten wurden in der deutschen Geschichte in der Regel immer dann zur Kenntnis genommen, wenn befürchtet wurde, dass sie zu einem Problem werden könnten. Auch die Wahrnehmung kurdischer Migranten steht in dieser Tradition. Von der bundesdeutschen Öffentlichkeit werden sie vor allem als Störfaktor empfunden. Vorherrschend ist die Sichtweise, ein Konflikt zwischen Kurden und Türken sei in die Bundesrepublik „importiert“ worden. Die kurdische Frage, wie sie sich in der Bundesrepublik stellt, ist aber kein Konfliktimport. Aus politisch-ideologischen Gründen verweigert die Politik die Anerkennung der Tatsache, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland ist und zollt deswegen der offiziellen Kulturideologie der Herkunftsländer weit mehr Anerkennung, als dem nationalen bzw. ethnischen Selbstverständnis der Zugewanderten. Aus außenpolitischen Machtinteressen nimmt die Bundesrepublik Rücksicht auf die Forderungen der offiziellen türkischen Politik. Demgegenüber hatte die deutsche Regierung nie Probleme, Maßnahmen zu treffen, die im Widerspruch zur offiziellen Politik des früheren Jugoslawiens standen, wie die frühzeitige Anerkennung kroatischer Institutionen zeigt. Im Gegensatz zu anderen Minderheiten, die in der deutschen Geschichte immer wieder für außenpolitische Interessen funktionalisiert wurden, steht die kurdische Minderheit deutschen, politischen Interessen aber im Weg.

Trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten zwischen türkischen und kurdischen Migranten aus der Türkei bezüglich der rechtlichen und sozialen Situation, gibt es erhebliche, Kurden diskriminierende Unterschiede im institutionellen Bereich. Einen großen Aspekt dieser Diskriminierung stellt die mangelhafte Anerkennung und Förderung der kurdischen Sprache im Rahmen der Schule im Unterschied zu vergleichbaren Migrantenminderheiten dar.

1. Einführung in die kurdische Geschichte
Die Herkunft der Kurden liegt im vorgeschichtlichen Dunkeln, weil die meisten Informationen über die Kurden vor dem Mittelalter, genauer; vor der Annahme des Islams und der damit einsetzenden Erwähnung in muslimischen Quellen, bruchstückhaft und umstritten sind. Vermutlich sind die Vorfahren der Kurden um die Wende vom zweiten zum ersten Jahrhundert v. Chr. im Zuge von Einwanderungswellen indogermanischer Arier nach West-Iran gekommen (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 25f). Diese Region, Mesopotamien, war die Wiege der menschlichen Zivilisation. In unterem Teil lebten u.a die Babylonier, Assyrern, Sumerer, Akader. In oberen Teil Kartuner, Meder, Urartäer und andere Völker. Von den Zivilisationen dieser Völker sind viele Fragmente zurückgeblieben. Aber von den damaligen Völkern leben heute nur noch wenige darunter Kurden, Armenier und eine kleine Minderheit von Assyrer (vgl. Demirkol 1997, 9).

1.1 Ethnogenese
Es gibt keinem der Länder, in denen Kurden leben, verlässliche Schätzungen über ihre Zahl. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen. Einer ist der jeweiligen Regierungspolitik zu suchen: Die betroffenen Regierungen spezifizieren die verschiedenen linguistischem und religiösen Gruppen innerhalb ihrer Grenzen aus Gründen der nationalen Integration gewöhnlich nicht oder sind, wenn sie es tun, sehr zurückhaltend mit der Veröffentlichung der Ergebnisse. Ein anderer Grund ist, dass es vom politischen und sozialen Kontext abhängt, ob sich eine Person als Kurde bezeichnet oder nicht (vgl. Bruinessen 1997, 186).

Unter den Kurden finden wir einen Kern, dessen ethnische Identität unzweideutig kurdisch ist und der umgeben ist von einer fließenden Masse mit verschiedenen Graden von „Kurdischheit“, Menschen, die außer kurdisch auch noch etwas anderes sind und die ihre kurdische Identität betonen können oder auch nicht (vgl. Bruinessen 1997, 187). Nach Erhard gelten diejenigen als Kurden, die sich zum ersten als solche identifizieren und die zum zweiten von anderen Volksgruppen und Kurden als Angehörige des kurdischen Volkes anerkannt werden. Über diese Zugehörigkeit aufgrund der eigenen Identifikation und der Anerkennung von außen hinaus, gibt es einige weitere identitätsstiftende Merkmale, welche jedoch nicht auf alle Kurden angewendet werden können. Hierzu gehören Sprache, Religion, Abstammung und auch das verbreitete Zusammengehörigkeitsgefühl (vgl. Dogan u.a. 2008, 7).

Die Kurden sind nicht Türken und Araber. Der Narrativ, Kurden als Türken darzustellen, lässt sich auf die rigide kemalistische Praxis zurückführen. Kurden stellen neben Arabern und Türken eines der größten Völker im Nahen Osten. Mit Blick auf die Geschichte dieses alten Volks ist zu bemerken, dass sich Kurden in ihrer Geschichte immer im Einflussbereich verschiedener, sich abwechselnder Großreiche befanden. Typischerweise ist jedoch nicht ganz klar, ab wann man von den Kurden sprechen kann. Assyrische und sumerische Schriften aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. belegen die Existenz eines „Qurti“-Volks, das im nördlichen Zagros-Gebirge (im heutigen Iran) gelebt haben soll (vgl. Yildiz 1992, 5). Auf den beiden sumerischen Steinschwellen wird das Land „Kardaka“, das nordöstlich von Mesopotamien liegen soll (vgl. Senol 1992, 28).

Das Wort Kurde wurde schon in der Antike von Xenophon verwendet. Aber über ihre Herkunft gibt es wenige Informationen. Es wird angenommen, dass die Kurden von Meder oder Skythen abstammen (vgl. Demirkol 1997, 9). Der griechische Historiker Xenophon berichtet in seinem wohlbekannten Werk „Anabasis“ über die Vorfälle der griechischen Soldaten, nördlich von Mesopotamien beim „Rückzug der Zehntausend“ in den Jahren 401-400 v. Chr., mit einer Volksgruppe namens „Karduch“ (vgl. Senol 1992, 28). Die Mythologie von Newroz wurde vor dieser Zeit überliefert. Das kurdische Newroz-Fest lässt sich auf das Jahr 612 v. Chr. zurückverfolgen, dem gleichen Jahr in dem das Medische Reich errichtet wurde: „Nach einer alten kurdischen Legende befreite der Schmied Kawa am 21 März 612 v. Chr. die Völker des Mittleren Ostens aus der Tyrannei des Fürsten Dahak. Seitdem wird der 21. März […] als Symbol für Befreiung, Widerstand und Freiheit gefeiert. Dieser Tag wird Newroz genannt und heißt ‚ neuer Tag“ (Yildiz 1994, 6).

Die Kurden sind eines der ältesten Völker der Erde. Dennoch sind sie, bei einer Gesamtpopulation von geschätzten 30 - 40 Millionen Menschen bis heute das zahlenmäßig größte Volk der Erde ohne eigenen Staat. Die Bezeichnung Kurdistan findet zum ersten Mal nach der Auflösung des Groß- Seldschukenreiches gegen Ende des 11. Jahrhunderts Erwähnung (vgl. Dogan u.a. 2008, 6). Zum ersten Mal stießen die Kurden mit den Türken zusammen. Die Seldschuken drangen aus Zentralasien nach Anatolien vor. Mit der siegreichen Schlacht von Manziker im Jahr 1071 gegen das byzantinische Reich wurden die kurdischen Gebiete dem Seldschukenreich einverleibt (vgl. Yildiz 1994, 7). Unter dem langjährigen Herrscher Sultan Sanschar (1118-1157) entstand im Staat Chorsan (Ost-Persien) eine Provinz mit dem Namen Kurdistan, was soviel bedeutete wie Land der Kurden. Im Osmanischen Reich gab es gleichfalls eine Provinz mit Namen Kurdistan (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 20). Im heutigen Sprachgebrauch wird der Begriff Kurdistan offiziell nur noch für die Provinz Sanandaj im Iran verwendet (vgl. Dogan u.a. 2008, 6).

1.2 Geographische Lage
Eine allgemein akzeptierte geographische Definition Kurdistans gibt es nicht. Das ist nicht überraschend, weil mit dem Begriff ganz verschiedene Vorstellungen verbunden werden. Kurdische Nationalisten verwenden ihn mit Nachdruck, während die Staaten, auf deren Territorien Kurdistan liegt, ihn leugnen oder ignorieren. Kurdistan ist auf der einen Seite (z.B. in der Türkei) ein verpöntes zuweilen auch verbotenes Wort, auf der anderen Seite ein politischer Kampfbegriff, der das Ziel eines beträchtlichen Teils der Kurden benennt (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 20).

Es gibt heute kein exaktes geographisches Territorium Kurdistan und es ist auch nicht fixiert, und so lässt sich Kurdistan auch nicht genau in festgelegten Grenzen definieren. Je nachdem, auf welches internationale Abkommen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts man sich bezieht, können die kurdischen Gebiete ganz unterschiedliche Ausmaße annehmen. Die Kurden selbst sind sozusagen ein Volk ohne einen Staat. Die meisten Kurden leben in einem zusammenhängenden Siedlungsgebiet, das weite Teile der Türkei, des Iran, des Irak und Syrien umfasst. Weder existierende noch antizipierte Nationalstaaten weisen ethnische Homogenität auf (vgl. Amman 2001, 64).

In der Literatur tauchte die Bezeichnung „Kurdistan“ erstmals im elften Jahrhundert auf. Geographisch gesehen ist Kurdistan eine ausgedehnte Gebirgslandschaft in Vorderasien und wird heute auf sechs verschiedene Staaten verteilt, nämlich Irak, Iran, Aserbaidschan, Armenien, Türkei und Syrien. Eine von allen Völkern der Region akzeptierte einheitliche Karte Kurdistan gibt es nicht (vgl. Ibrahim 1983, 109). Die gesamte Fläche Kurdistans beträgt über 500.000 qkm, davon liegen in Ost-Kurdistan 175.000 qkm, in Süd-Kurdistan 75.000 qkm, in Süd-West-Kurdistan 15.000 qkm und in Nord-West Kurdistan 235.000 qkm (vgl. Kizilhan 1995, 17).

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Abbildung 1: Kurdische Siedlungsgebiete (Quelle: NAVEND - Zentrum für Kurdische Studien e.V., Bonn, 2013a)

Im Norden bilden Erzurum, Kars und der Urmiye See die Grenze von Kurdistans; die östliche Grenze verläuft vom Urmiye See aus entlang den Zagros-Ketten bis zum Persischen Golf; „im Süden verläuft die Grenze vom Persischen Golf bis hin zum westlichen Teil der Zagros-Ketten, vorbei am alten Babylon und an Bagdad, weiter östlich des Tigris und dann stromaufwärts auch westlich von diesem. Dann folgt das von Suleymania, Mossul und Kirkuk umschlossene Gebiet und in einer westwärts gerichteten Linie der nordöstliche Teil Syriens von Aleppo bis Iskenderum; westlich von Iskenderum verläuft dann die Grenze über Maras, Malatya, Sivas, Erzincan und Dersim bis nach Erzurum. Das ist das Land, auf dem die Kurden gelebt haben und leben (vgl. Kizilhan 1995, 17f).

1.3 Geschichtlicher Überblick
Im Altertum kämpften die Kurden gegen alle Könige Assyriens. Sie schlossen sich später den Chaldäern an, eroberten mit ihnen 612 v. Chr. Ninive und gründeten das Medische Reich. Im Jahr 550 v. Chr. wurde das Medische Reich durch Achämeniden zerstört. Danach begann die Zeit der verschiedenen Herrschaften über Kurdistan (vgl. Kizilhan 1995, 19).

Mit dem Aufbruch des Islams nach Norden versuchten die Araber im Jahr 637 erst die Kurden zu unterwerfen und zu islamisieren. Dass die Kurden gegen Araber einen großen Widerstand leisteten, konnten die Araber erst im 8. Jahrhundert sie zwangsislamisieren (vgl. Demirkol 1997, 9). Bis zu diesem Zeitpunkt waren fast alle Kurden von ihrer Religion her Angehörige Zarathustras, der iranischer, kurdischer Prophet und der 600 v. Chr. lebte (vgl. Kizilhan 1995, 19).

Im 11 Jahrhundert mussten sich die Kurden gegen die Byzantiner und die Seldschuken wehren, da Byzantiner nach Osten drängten und die Seldschuken von Zentralasien nach Westen marschierten (vgl. Kizilhan 1995, 20). Nach dem Sieg der Seldschuken gegen Byzantiner im Jahr 1071 geriet Kurdistan nach und nach unter die Herrschaft der Seldschuken. Im 13. und 14. Jahrhundert herrschten die Mongolen in Kurdistan. Dann kamen die türkischen Stämme (Akkoyunlu und Karakoyunlu) aus Mittelasien nach Anatolien. Ihre Herrschaft dauerte bis zum Überfall der Osmanen im Jahre 1514 (vgl. Demirkol, 1997, 9).

Im späten Mittelalter konnten die Kurden unter wechselnden Dynastien ihre Eigenständigkeit wahren. Sie hatten innerhalb des osmanischen Reiches zahlreiche Fürstentümer und erlebten in dieser Zeit eine bedeutende Blütezeit. Bis Ende des 17. Jahrhunderts wurde diese Zeit von Kurden als kurdische Renaissance in materieller und kultureller Hinsicht bezeichnet (vgl. Kizilhan 1995, 20).

Im Jahr 1689 wurde Kurdistan erstmals mit dem Vertrag von Qasr-i Shirin, der einen jahrhundertlangen Frieden in der Region zufolge hatte, zwischen dem persischen und dem osmanischen Reich aufgeteilt (vgl. Özdemir 2006, 29). Diese Frieden Vertrag wurde von Kurden die „Erste kurdische Teilung“ genant (vgl. Deschner 2003, 11). Dies war auch zugleich die erste große Teilung des kurdischen Volkes als Sunniten und Schiiten, deren Überwindung immer noch ein großes Problem darstellt. Der schiitische und alevitische Glaube wird hier gleichgesetzt und wird in ihre Unterschiede hier nicht eingegangen (vgl. Demirkol 1997, 10). „Die verschiedenen Fürstentümer verhandelten mit den Türken und Persern und konnten so ihre Selbständigkeit bewahren, mussten aber als Gegenleistung Soldaten für die Heere dieser Großmächte bereithalten. In dieser Zeit fällt der Höhepunkt der kurdischen Literatur und Kultur“ (Kizilhan 1995, 20).

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts begann die Neidergang des Osmanischen Reiches und verlor seinen Einfluss über die kurdische Region. Vom Jahr 1876 an häuften sich die kurdischen Revolten gegen das osmanischen Reich (1879-80, 1886-89, 1923) Dieser Aufstände wurden von den Osmanen grausam unterdrückt (vgl. Kizilhan 1995, 21). Nachdem französische Revolution entwickelt sich eine panislamische bzw. pantürkische Bewegungen im Osmanischen Reich. Auch die Kurden entdeckten ihre ethnische Identität und somit ihr Nationalbewusstsein. Nach dem 1. Weltkrieg legten die Alliierten im Vertrag von Sèvres im Jahr 1920 die Aufsplitterung des geschlagenen Osmanischen Reichs fest und stellten den Kurden eine autonome Region mit Potential zum Staat in Aussicht. Unter der Führung Mustafa Kemals erwirkte die türkische Nationalbewegung durch den Unabhängigkeitskrieg einen neuen Vertrag. den Vertrag von Lausanne. der im Jahr 1923 unterzeichnet wurde Dieser Vertrag sprach große Teile des geplanten Kurdistans der kommenden Republik Türkei zu und wurde die Gründung eines kurdischen Staates nicht mehr vorgesehen (vgl. McDowall 1996, 137f). „Der Lausanner Vertrag berücksichtigte die ethnischen, wirtschaftlichen und historischen Gegebenheiten nicht. Er teilte das kurdische Volk in vier Teile auf“ (Kizilhan 1995, 21).

Die vereinbarten Vorgaben im Vertrag von Lausanne wurden durch den türkischen Nationalstaat nicht eingehalten. Die Kurden wurden Bergtürken genant und ihre distinkte kulturelle Existenz geleugnet. Die Ortsnamen, in dem die Kurden Leben wurden in ihrem Gebiet türkisiert (vgl. Ammann 2001, 79). Viele Kurden setzten sich gegen nationalistische Politik Mustafa Kemals wider und übten Aufstände (1925, 1929, 1937). Reaktionen der türkischen Regierung waren extrem repressiv und wurde im Laufe der Jahre die kurdische Sprache und Kultur gänzlich verboten und führten sie auch Zwangsumsiedlungen durch (vgl. Özdemir 2006, 73). Als bewiesen gilt zudem, dass im Rahmen dieser Assimilationsbestrebungen der türkischen Regierung der Gebrauch kurdischer Sprachen verboten und die Umsiedlung (auf Grundlage des Deportationsgesetzes vom 14. Juni 1930) von Teilen der kurdischen Bevölkerung in den Westen der Türkei angeordnet wurde. Im Anschluss an die Niederschlagung der lokalen Aufstände herrschte von 1938 bis 1960 in den kurdischen Provinzen der Türkei nahezu ununterbrochen Ausnahmezustand (Brieden 1996, 52).

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Irak vom Osmanischen Reich abgespalten und bis 1932 stand unter britischer Verwaltung. Die Idee eines kurdischen Staates wurde aus strategischen Gründen abgelehnt (vgl. McDowall 1996, 168). Ähnlich wie auch Mustafa Kemal verfolgte der Iran unter Reza Schah zu dieser Zeit die Politik einer ,,Iranisierung der Bevölkerung und zielte auch im Namen einer Zentralisierung des Staates auf die Auflösung der Stammesstrukturen ab. So waren die Kurden im größten Teil ihres Siedlungsgebietes (mit Ausnahme des syrischen) massiver Unterdrückung ausgesetzt und ein kurdischer Staat lag in weiter Ferne. Im Jahre 1946 jedoch wurde unter dem Schutz der Sowjets in Mahabad (kurdische Stadt im Westiran) die gleichnamige kurdische Republik ins Leben gerufen. Die Existenz des ersten und bisher auch einzigen kurdischen Staats war allerdings nicht von langer Dauer, da die sowjetische Besatzungsmacht auf Druck der Amerikaner wieder abzog und die Region vom Iran nach nur elf Monaten zurückerobert werden konnte (vgl. McDowall 1996, 222f).

Es ist zu sehen, dass das gesamte 19. Jahrhundert von kurdischen Aufständen geprägt war. Diese Aufstände erfolgten bereits ein kurdisch-nationalistisches Motiv und wurden oft blutig niedergeschlagen. Die bis heute erhaltene Vierteilung Kurdistans wurde im Vertrag von Lausanne festgelegt, der zwischen den Alliierten und den Türken unter Ausschluss kurdischer Vertreter am 27.07.1923 geschlossen wurde (vgl. Özdemir 2006, 73). Seit dem Inkrafttreten dieses Vertrages sind Kurden auf dem Papier, also in ihren Pässen und allen anderen offiziellen Dokumenten Türken, Syrer, Iraker oder Iraner (vgl. Kizilhan 1995, 20f).

Über die Staatsgrenzen, die sich durch das kurdische Gebiet ziehen, schreibt Deschner (2003, 14): „Die Grenzen, die Kurdistan teilen, sind weder natürliche, wirtschaftliche noch kulturelle Grenzen. Es sind künstliche Grenzen, die gegen den Willen des kurdischen Volkes nach den Interessen der Teilungsmächte und eines von den Westmächten definierten, Gleichgewichts‘ gezogen wurden. Sie haben ganze Landschaften, ja Städte und Dörfer, ganze Stämme und sogar Sippen und Familien voneinander getrennt.“

1.4 Die Kurdische Sprache
Die Sprache ist die wichtigste kurdische Identifikation. Dieser Umstand bleibt unberührt von der Tatsache, dass nicht alle, die Kurden sind, auch die kurdische Sprache beherrschen. Kurdisch wird den westiranischen Sprachen zugerechnet, die zur indoeuropäischen Sprachfamilie gehören (vgl. Ammann 2001, 69). Die Kurden sehen ihre kulturellen Wurzeln in den iranischen und indischen Hochkulturen der vergangenen Jahrtausende. Es gibt heute keine standardisierte einheitliche kurdische Sprache. Die kurdische Sprache unterteilt sich in mehrere Dialekte und Mundarten, die stark voneinander abweichen und daher wechselseitig nur schwer verständlich sind und ist nirgendwo Hauptsprache des jeweiligen Nationalstaates. Zu den Dialekten zählt man für gewöhnlich Kurmandschi, Sorani, Zazaki und Gorani. Diese Differenzierungen und die fehlende politische Einheit unter den Kurden haben dazu beitragen, dass die Kommunikation unter ihnen beeinträchtigt ist (Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 31; Kizilhan 1995, 19).

In der Literatur werden Kurmandschi und Sorani als wichtigste kurdische Dialekte benennt. Kurmandschi wird in den meisten kurdischen Gebieten der Türkei, in den nördlichen Gebieten des Irak und Iran, in der Enklave Khorasan (Iran), den kurdischen Gebiete Syriens und von Kurden der ehemaligen Sowjetunion gesprochen. Sorani wird im Großteil der kurdischen Gebiete des Iran und Irak gesprochen. Zazaki oder Zaza, regional auch als Dimili oder Kurmancki bezeichnet, nimmt eine Sonderstellung ein. Zazaki wird in dem Gebiet zwischen Diyarbakir, Sivas und Erzurum in der Türkei gesprochen. Gorani wird um Kermanshah im Iran gesprochen (vgl. Ammann 2001, 69f). Von Kurdischer Seite wird die Zahl der Kurmandschi-Sprecher auf 15 Millionen, jene der Sorani-Sprecher auf 6 und die der Zaza-Spprecher auf 4 Millionen geschätzt (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 32). In den Ländern, in denen die Kurden leben, hat sich kurdische Sprache unter ganz verschiedenen Bedingungen entwickelt. Die besondere Situation war bis vor kurzem in der Türkei. Vor der Niederschlagung der kurdischen Aufstände in den zwanziger und dreißiger Jahren bis zum Beginn der 1990er Jahre war die kurdische Sprache hinweg verboten. Zwar wurden ab und zu kurzfristig die Gesetze wieder gelockert, dann wurde der Gebrauch kurdischer Sprache sogar unter Strafe gestellt, danach wieder legalisiert. Bezüglich der „Legalität‘‘ des Kurdischen herrscht also in der Türkei vielfach eine widersprüchliche, durchwachsene und unübersichtliche Situation. Im Irak unterlag die kurdische Sprache (Sorani) keinen derartigen Beschränkungen, ähnlich ist die Situation im Iran. Den kurdischen Minderheiten in Syrien und dem Kaukasus räumt man häufig eine untergeordnete Rolle in Bezug auf die Erhaltung und Pflege der kurdischen Sprache ein (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 32ff). Obwohl die kurdische Sprache in den Siedlungsgebieten bis hin zu ihrem gesetzlichen Verbot unterdrückt und bekämpft wurde und noch immer wird, ist sie doch nicht ausgestorben. Dafür sorgen nicht nur die Kurden in den Siedlungsgebieten, sondern auch zahlreiche kurdische Intellektuelle im Exil, beispielsweise in Deutschland, Frankreich und Schweden. Als Publizisten und Literaten engagieren sie sich für den Erhalt der kurdischen Sprache und pflegen diese (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 30f).

1.5 Religionen
Es gibt kaum ein historisches Ereignis, das das Leben der Kurden so nachhältig beeinflusst wie die Ausbreitung des Islams im 7. Jahrhundert. Seine strikten Sitten und Gebote fassten unter der Bauern und Nomaden Fuß, seine Weltordnung konnte die alten heidnischen Kosmologien und Gebräuche, den Feuerkult und die blühenden Mythologien fast vollständig ersetzen (vgl. Aziz 1992, 78).

Religion hat trotz oberflächlicher Säkularisierung ihren zentralen Platz in der Identität behalten oder sogar verstärkt, besonders im Fall der Minderheiten. Religionsgemeinschaften wie die der Aleviten (in der Türkei), Yeziden (Türkei, Irak, Syrien), Ahl-i Haqq oder Kaka’i (Iran-Irak), Zwölfer-Schiiten (Iran-Irak) sowie die christliche Minderheiten haben den Charakter von Ethnien angenommen, die sich stark von den sunnitischen Muslimen abgrenzen und in bestimmter Hinsicht weniger kurdisch als Letztere sind, indem für sie die eigene religiöse Identität die wichtigste ist und sie außer dem kurdischen auch noch aus anderen möglichen übergreifenden Identitäten wählen können (vgl. Bruinessen 2003, 9).

In kurdischen Gebieten des Vorderen Orients sind durch Jahrtausend hindurch Religionen entstanden und untergegangen. Die kulturellen Wurzeln der Vorfahren der Kurden liegen überwiegend in den altiranischen und altindischen Zivilisationen begründet. Ihre religiösen Anschauungen umfassten die Verehrung von Naturalelementen wie Wasser und Feuer und die Einteilung der Gesellschaft in eine Priesterkaste und Laien. Daraus entwickelte sich der Zoroastrismus, gestiftet durch den Propheten Zarathustra um 1000 v. Chr., dessen Kern sich um dualistische Pole wie die von Gut und Böse, Anfang und Ende usw. dreht. Ein weiterer religiöser Einfluss ist der Manichäismus des religiösen Stifters Mani (216-277 n. Chr.) (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 42).

Heute sind die meisten Kurden orthodoxe sunnitische Moslems, die der Schafi’i-Tradition, einer der vier islamischen Rechtschulen, folgen (vgl. Aziz 1992, 78). Im Unterschied zu ihren türkischen Nachbarn sind die Mehrzahl der Kurden Anhänger der schafiitischen Rechtsschule. Die kurdische Sunna hat zahlreiche mystische Elemente und ist stark mit verbunden (vgl. Ibrahim 1983, 105). Die andere Konfession des Islams, die Schia, folgt insoweit der Sunna. Als Schiiten (der Name leitet sich her von dem Begriff schiat Ali, Partei Alis) lassen sich ganz allgemein jene Muslime bezeichnen. Im Westen und im Südosten des kurdischen Siedlungsgebietes sind schiitische Kurden sind im anzutreffen. Der Kern der schiitischen Lehre beruht – neben dem Koran und den Lehren Mohammeds - auf den Überlieferungen der historischen zwölf Imame (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 43). Diese schiitischen Kurden sollten nicht mit den alevitischen Kurden im nordwestlichen Kurdistan verwechselt werden. Obwohl die Aleviten ebenfalls Ali und die anderen elf Imame der Schiiten verehren, akzeptieren sie nicht generell die kanonischen Verpflichtungen des orthodoxen Islam, und sie haben ihre eigenen religiöse Rituale, verschiedenen sowohl von denen der Schiiten als auch der Sunniten (vgl. Bruinessen 1997, 191).

Aleviten ist eine Sammelbezeichnung für Anhänger verschiedener, teilweise schiitisch geprägter Glaubensvorstellungen, zu denen auch große kurdische Bevölkerungsgruppen der Türkei gehören (vgl. Engin 1996, 691f). Auch die Anhänger des Bektasi-Ordens und die in der Türkei unter der arabischen Minderheit in der Hatay-Provinz und in der Region Adana vertretenen Nusairier werden zumeist zu den Aleviten gerechnet. Unter den Kurden in der Türkei macht der Anteil der Aleviten etwa 25% aus (ungefähr vier Millionen). Alevitische Kurden leben vor allem in den Provinzen Maras, Malatya, Xarput und Dersim (vgl. NAVEND 2013b). Eine ähnliche Religion ist die der Ahl-e Haqq oder, wie sie im Irak genant werden, Kaka’i. die meisten Ahl-e Haqq behaupten, eine esoterische Sekte innerhalb des schiitischen Islam zu sein, doch einige betrachten ihren Glauben als eine völlig separate Religion (vgl. Bruinessen 1997, 191).

Die Yeziden sind eine uralte kurdische Religionsgemeinschaft, die unter der muslimischen Mehrheit ihren Glaube, ihre Tradition und ihre Gebrauche in der Geschichte bis heute bewahrt hat und noch immer pflegt. Die Yezidi-Religion ist eine synkretische Religion, die in ihrer lehre Elemente aus der zoroastrischen, manichaestischen, jüdischen, christlichen und islamischen Religionen aufweist (vgl. Ibrahim 1983, 105). Die Herkunft der Bezeichnung Yeziden ist umstritten: „Die Mehrzahl der Historiker leitet den Namen Yezidi von dem alten Gott Ezda und seiner kurdischen Bedeutung ‚Der mich erschaffen hat’ ab“ (Ammann 2001, 262).

Im Zentrum des yezidischen Glauben steht Melek Ta’us, der „Engel Pfau“. Nachdem Gott die Welt erschaffen hat, hat er sich nach yezidischem Glaubens aus der Welt zurückgezogen und dem Engel die Herrschaft über die Welt überlassen. 90% der Yeziden leben außerhalb ihrer Heimat in Europa, in Armenien und in Georgien. Derzeit wird ihre Zahl zwischen 100.000 bis 500.000 geschätzt. Im Kurdistan leben Yezidi in den Provinzen Urfa, Mardin und Siirt, Batman und in Irakisch-Kurdistan wohnen Scheichan- Bezirk zwischen den Flüssen Tigris und Zab (vgl. Aziz 1992, 78f). Und leben sie auch in einer kleinen Gegend in Syrien-Kurdistan (vgl. Bruinessen 1997, 191) In der Bundesrepublik Deutschland leben ca. 45.000 bis 60.000 Yeziden. Sie leben vorwiegend in den Bundesländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo sie häufig größere Gemeinden bilden (vgl. Issa 2007, 19).

Die heute schwindenden christlichen und jüdischen Gemeinden in der Region werden im Allgemeinen nicht als kurdisch betrachtet, obwohl die Muttersprache einiger Mitglieder Kurdisch ist (vgl. Bruinessen 1997, 191).

1.6 Soziale Strukturen
Die Situation der kurdischen Gesellschaft beschreibt Aziz (1992, 41): „Kurdistan ist ein zerrissenes Land und ein Land voller Widersprüche. Nicht nur geopolitische Grenzen trennen Kurden von Kurden, sondern auch ethnographiesche, religiöse, ökonomische und allgemein politische.“ Das Spektrum sozialer und politischer Organisationsformen in Kurdistan ist relativ weit. Eine typisch kurdische Sozialorganisation gibt es nicht; von Region zu Region, von Stamm zu Stamm sind die Unterschiede sehr groß (vgl. Aziz 1992, 41). Die Organisationsformen der kurdischen Stämme sind höchst komplex und werden mit verschiedensten Bezeichnungen wiedergegeben. Manche europäische Autoren geben die Organisationsformen „Il“, „Ashirat“, „Taife“ und „Ghabile“ als Synonym für Stamm wieder (vgl. Özdemir 2006, 24).

Die Gesellschaftsstruktur im Nahen und Mittleren Osten ist vielfach geprägt von solidarischen Gemeinschaften mit patriarchalischen Vorstellungen und Lebensweisen. Die kurdische Gesellschaft gehört auch zu diesen Solidargemeinschaften. Insgesamt ist die Gesellschaftsstruktur der Kurden als die einer typischen vorderorientalischen Agrargesellschaft anzusehen. Die Industrialisierung ist in den kurdischen Gebieten wenig fortgeschritten. Bestimmte Organisationsmuster des Vorderen Orients sind bei den Kurden bis heute zentral. Hierzu zählen traditionelle Familien-, Abstammungs-, Sippen- und Stammesbindungen (vgl. Kizilhan 2006, 28f). Es ist aus der Geschichte kurdischer Gebiete auch zu sehen, dass Stämme und Stammesstrukturen eine dominante Rolle in der sozialen Organisation dieser Gebiete hatten (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 205f). Der Zweck dieser Stammeszusammenschlüsse liegt in der sozialen, ökonomischen und politischen Sicherheit ihrer Mitglieder. In der Regel gliedert sich ein Stamm in mehrere Unterstämme, welche sich wiederum in kleinere Clans aufteilen. Die Stammesstrukturen sind ebenso wie die Familien bis heute patrilinear aufgebaut (vgl. Bruinessen 1989, 60). Die Führer der Stämme wurden „Agha“ oder „Khan“ genannt. Die Loyalität der Mitglieder eines Stammes gegenüber ihren Führern war sehr stark, demgegenüber bestand zwischen den Mitgliedern keine hierarchische Abstufung. Die Mitglieder folgten ihren Führern, aber sonst war jeder sein eigener Herr und nahm sein recht in eigene Hand (vgl. Özdemir 2006, 24). Theoretisch wird das Amt des Führers durch Vererbung in der Familie weitergegeben. In der Praxis jedoch sind Bestechung und mit Gewalt verbundene Machtkämpfe zwischen verschiedenen Dynastien und einzelnen Stammesmitgliedern durchaus üblich. In früheren Zeiten waren die Aghas meist Großgrundbesitzer, die die Bauern hemmungslos ausbeuteten (vgl. Bruinessen 1989, 60). Im Prinzip gibt es eine erhebliche Position, manche Stammesführer werden jedoch auch gewählt. Eine traditionelle Einrichtung ist die Versammlung der „Rih Spi“, eine Art Ältestenrat, die der Führerschaft beratend zur Seite stehen (vgl. Ammann 2001, 108).

Zwischen den Bauern und den Aghas besteht ein klassisches feudales Ausbeutungsverhältnis. Das Land, das die Stammesführer als ihr rechtmäßiges Eigentum ansehen, wird von den Bauern bestellt, die für ihr Nutzungsrecht eine Steuer entrichten müssen. Manche Aghas können auch Tribut in Form unbezahlter Arbeit fordern. Der Agha ist in jeder Beziehung die zentrale Person im Leben eines kurdischen Dorfes oder Stammes. Er richtet, schlichtet, verteilt Ämter und Funktionen und entscheidet in allen wichtigen öffentlichen Angelegenheiten (vgl. Aziz 1992, 44f). Diese Herrschaft ist ein oberstes Organisationsprinzip typischer vorderorientalischer Gesellschaften, die eine grundsätzliche Ungleichheit der Menschen annimmt. Einer hat immer die Macht über den anderen, wobei die vorrangige Ungleichheitsbeziehung in diesen Solidargruppen zwischen Mann und Frau besteht, denn Frauen haben nur eingeschränkte Rechte. Aber das Ungleichheitsprinzip betrifft auch alle anderen familiären Beziehungen, z.B. die zwischen Vater und Sohn oder zwischen älterem und jüngerem Bruder, wobei jeweils der Letztere dem ersteren bedingungslos zu gehorchen hat. Wenn konsequent umgesetzt, steht die Familie in diesem System unter der Befehlsgewalt des ältesten männlichen Erwachsenen. Die vorderorientalische Definition von Familie funktioniert weniger über eine emotionale Verbundenheit, „sondern als Produktions- und Konsumgemeinschaft, die allen Mitgliedern dar Überleben‘‘ erleichtert die der Sicherheit der Familienmitglieder dient und die Kindern bestimmte Werte weitervermittelt. Der historisch gewachsene enge und bedingungslose Familienzusammenhalt ist nicht nur in den islamischen Glauben integriert worden, sondern auch in vorderorientalische Rechtsvorstellungen eingegangen. Im Osmanischen Reich wurde bis 1923 noch die Sippenhaft praktiziert, im Irak sogar noch bis unter Saddam Hussein (vgl. Kizilhan 2006, 30f).

In den letzten dreißig Jahren haben sich die traditionellen Lebensformen mehr und mehr aufgelöst, ohne dass sich jedoch etwas an dem klassischen Abhängigkeitsverhältnis den Stammesführern und den Bauern geändert hätte. Verantwortlich für die Veränderungen sind zum einen die Zentralisierungsbestrebungen der jeweiligen Regierungen, zum anderen ökonomische Faktoren, wie die mit dem Vordringen des Kapitalismus einhergehende Mechanisierung der Landwirtschaft und die Auflösung selbstgenügsamer Wirtschaftsformen durch das Eindringen industrieller Waren auch in die letzten Winkel des Landes (vgl. Aziz 1992, 41f). Heutzutage haben nicht alle Kurden eine Stammeszugehörigkeit. Die traditionellen Stammesstrukturen zerfallen jedoch heute zunehmend. Insbesondere in Städten bilden die Nichtstammesangehörigen sogar die Mehrheit der Bevölkerung (vgl. Bruinessen 1989, 659).

Für die kurdischen Gesellschaften sind Haushalt und Familie sehr bedeutsame Begriffe wie für andere nahöstliche Gesellschaften. In der kurdischen Gesellschaft „ist das gemeinsame Wohnen im Haushalt die erwünschte und ideale Form des Zusammenlebens. Nach der Heirat bleiben die Söhne oft zuerst mit ihren Ehefrauen im Haushalt des Vaters. Dies kann solange andauern, bis die Paare mehrere Kinder haben. So entwickeln sich die Haushalte zu Drei Generationen-Familien. Diese Merkmale bilden auch die Kriterien für die soziologische Definition eines Haushalts und seiner Größe. Beispielsweise sind türkisch-kurdische Familien im Durchschnitt größer als türkische Familien. Die durchschnittliche Haushaltsgröße in der Türkei beträgt 4,8 Personen, in kurdischen Gebieten ist die Zahl deutlich höher. Fast der Hälfte Haushalte der kurdischen Gebieten leben sieben oder mehr als 8 Personen (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 200f).

Ein weiterer innerer Konflikt resultiert aus dem Ehrverständnis der Kurden. Für Kurden ist ihre Ehre ein wichtiges und die gesellschaftlichen Verhältnisse prägendes Element. „Ehre ist ein moralisches Kapital, das mit Mut, Großzügigkeit und Beherrschung der weiblichen Sexualität aufgebaut wird und immer gefährdet ist. Ehrenmorde und Blutfehden gehören zum Komplex tribaler Werte, und in ihnen zeigt sich die tribale Struktur am deutlichsten“ (Bruinessen 2003, 10). Ebenso wie auch in vielen anderen Volksgruppen ist die Ehre kein individuelles, sondern ein kollektives Gut. Die Ehre einer kurdischen Familie wird ausschließlich durch männliche Familienoberhäupter repräsentiert und auch verteidigt. Hingegen findet die Verkörperung der Ehre durch die Frau statt. Ausweis der Frauenehre und der Familienehre ist die sexuelle Unversehrtheit der Frau, d.h. die Keuschheit vor der Ehe und die Treue in der Ehe. Die Bewahrung der Ehre der Frau liegt in der Verantwortung der gesamten Familie. Wird sie verletzt, gleicht dies einem Ehrverlust der gesamten Familie (vgl. Bruinessen 1989, 59ff und Kizilhan 2002, 4). Nach wie vor kann eine solche Verletzung durch den Ehrenmord geahndet werden. In Familien, welche diesem archaischen System noch immer anhängen, stehen Mädchen und Frauen bis zur ihrer Heirat unter der Aufsicht der Vaters. Ihre Verheiratung ist eine Familienentscheidung und wird nach deren Interessenausgerichtet (vgl. Dogan u.a. 2008, 14).

Seitdem die Kurden im Irak ihre eigenen Gebiete verwalten, so Bruinessen, hat die Zahl der Ehrenmorde in den Städten zugenommen, insbesondere gegenüber Frauen. Diese Zunahme lasse sich teilweise durch die Wanderung von Stammes-angehörigen in die Städte erklären, welche ihre archaischen Gebräuche mitnahmen. Es sei aber auch Ausdruck des Verlustes von allem, was die Kurden besessen haben, mit Ausnahme ihrer Ehre, welche sie nun in der städtischen Kultur, die sie als unmoralisch empfinden, hoch halten (vgl. Bruinessen 2003, 13). Bruinessen lässt an dieser Stelle bewusst offen, ob es sich um eine tatsächlich zahlenmäßige Zunahme von Ehrenmorden handelt, oder ob diese, dadurch dass sie nun vermehrt in Städten vorkommen, lediglich an Aufmerksamkeit gewinnen. Die Vereinten Nationen registrieren jährlich fünftausend Ehrenmorde innerhalb unterschiedlicher Kulturen in der ganzen Welt. Es muss jedoch von einer Dunkelziffer unbekannter Größe ausgegangen werden, denn viele solcher Ehrenmorde, insbesondere in ländlichen Gebieten, werden nicht zur Anzeige gebracht und erscheinen damit auch in keiner Statistik (vgl. Dogan u.a. 2008, 15).

1.7 Demographische Entwicklungen
Zuverlässige Angaben über die Bevölkerungszahl der Kurden gibt es nicht. Die Staaten, in denen die Kurden leben, haben kein Interesse, deren Zahl zu ermitteln. Eine Ausnahme ist die Völkerzählung in der Türkei im Jahr 1965, bei der die Muttersprache gefragt wurde (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 205). Die Schätzungen über die Bevölkerungszahl der Kurden gehen weit auseinander. Behrendt hält wenig davon, Angaben über die Gesamtzahl aller Kurden zu machen. Die Zahlen beruhen allesamt auf Annahmen, Schätzungen oder Hochrechnungen noch älterer Schätzungen, wobei das Ergebnis je nach politischem Standpunkt mal höher mal niedriger ausfällt (vgl. Behrendt 1993, 51). Bruinessen und Vanly begründen ihre demographischen Berechnungen ausführlich. Die beiden Autoren berufen sich auf offizielle Volkszählungsergebnisse und eigene Recher¬chen. Bruinessen schätzt den Anteil der Kurden in der Türkei für 1975 auf 19%. Vanly schätzt den kurdischen Anteil an der Gesamtbevölkerung im Jahre 1983 auf 24% (vgl. Skubsch 2000, 110).

Tabelle 1: Quelle: Türkische Statistikamt (TÜIK) 2013

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Nach Angaben im Jahr 2002 schätzt Pawlowsky die Bevölkerungszahl der Kurden in der Türkei 13 bis 14 Millionen. Der größte Teil der kurdischen Siedlungsgebiete liegt mit etwa 194.000 qkm. Etwa 3 Mio. Kurden leben in Istanbul, 2 bis 3 Mio. an der Südküste, 1 Mio. an der Ägäisküste, 1 Mio. in Zentralanatolien und etwa 6 Mio. in kurdischen Gebieten in der Türkei. Im Nordirak leben 3, 7 Mio. Kurden und diese Region umfasst ca. 437.000. Im Iran leben auf eine Fläche von etwa 125.000 qkm schätzungsweise über 7 Mio. Kurden vorwiegend im Grenzgebiet zur Türkei und zum Irak. Im Syrien leben über Mio. Kurden, von denen die überwiegende Anzahl syrische Staatsbürger mit allen bürgerlichen Rechten und Pflichten sind (vgl. Pawlowsky 2005, 188ff) Nach Angaben NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V. im Jahr 1997 leben ca. 34-40 Millionen Kurden weltweit. Der große Anteil der Kurden (ca. 18-20 Millionen) lebt In der Türkei (vgl. NAVEND 2002a).

Tabelle 2: Quelle: NAVEND – Zentrum für Kurdische Studien e.V., Bonn 2002a

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach Thiermann gelten die Kurden heute als weltweit größtes Volk ohne Land. Schätzungsweise wird von einer Zahl von 20 bis 30 Millionen Kurden, von denen etwa die Hälfte in der Türkei ansässig ist, weltweit ausgegangen. An der Gesamtpopulation der Türkei von 74.724.269 Einwohnern im Jahr 2011 (Türkische Statistikamt 2012) stellen Kurden ungefähr 18% dar. Die überwiegende Mehrzahl (70%) der Türken und Kurden in der Türkei sind Muslime sunnitischer Ausrichtung, etwa 15 bis 25 % sind alevitischen Glaubens. Der Islam wird trotz der laizistischen Ausrichtung der Türkei seitens der türkischen Regierung oftmals zur Förderung eines Gemeinschaftssinnes angeführt (vgl. Thiermann 2012, 20).

In der letzten Zeit rückten die Kurden in den türkischen Metropolen sowohl in Deutschland als auch in der Türkei stärker ins Bewusstsein. Während bisher die Gesamtzahl der Kurden in der Türkei von offizieller Seite – wenn überhaupt von Kurden gesprochen wird – eher niedrig angegeben wurde, wird nun betont, welche große Zahl von Kurden in den Westen migriert sei. Nach der ladläufigen türkischen Formulierung lebt mittlerweile mehr als die Hälfte aller Kurden im Westen der Türkei. Im Jahr 1990 lebten 34,8% der 7 Millionen Kurden im Westen und 1995 höchstens 40% (vgl. Wedel 1997, 155).

1.8 Die wirtschaftliche Lage
Jahrhundertlang waren die Kurden vor allem ein Hirten- und Bauernvolk. Ganze Stämme zogen mit ihren Schaf- oder Ziegenherden nomadisierend umher und lebten dabei fast ausschließlich von den Produkten dieser Tiere. Es gibt kaum Statistiken, die ökonomische Strukturen in Gesamtkurdistan erfassen; zuverlässige Daten sind immer auf die einzelnen Staaten beschränkt (vgl. Aziz 1992, 53f).

Der kurdische Landesteil auf türkischem Staatgebiet stellt den größten Anteil an Kurdistan dar und nimmt etwa 30% des türkischen Gebiets ein. Die kurdische Bevölkerung ist vorwiegend bäuerlich, doch in den letzten Jahren findet eine zunehmende Urbanisierung statt. Diese ist das Ergebnis einerseits des Bevölkerungswachstums, andererseits der Mechanisierung der Landwirtschaft. Die wachsenden kurdischen Städte sind alle von Elendsvierteln umgeben (vgl. Senol 1992, 47ff).

Bis heute ist Türkisch-Kurdistan eine ausgeprägt strukturschwache Region. Die geringe Entwicklung Kurdistans ist vor allem das Resultat der türkischen Politik, die das Niveau der Wirtschaft in den kurdischen Gebieten weit unter dem gesamt-türkischen Durchschnitt hält. Es handelt sich dabei ganz eindeutig um eine Politik gegenüber Kurdistan, die sich immer auf Gewalt stützt. Die Investitionen in Kurdistan stehen in keinerlei Verhältnis zu den Reichtümern an Bodenschätzen wie Erdöl, Vieh und landwirtschaftlichen Produkten, die aus Kurdistan abgezogen werden. Wie die folgende Statistik zeigt, entfallen auf die Türkei 87,5 % des Investitionsvolumens, während Kurdistan mit nur 12,5 % weit dahinter zurückbleibt, und das angesichts der Tatsache, dass die Wirtschaft der Türkei von diesen Reichtümern abhängig ist (Senol 1992, 49f).

In Türkisch- Kurdistan sind 70% des Landes Staatseigentum und 25% Eigentum der Großgrundbesitzer. Ungefähr 40% der Bevölkerung sind Landlose. Die Agrarreform wurde insbesondere in Kurdistan nicht erwünscht, da die staatliche Macht nur durch Koalieren mir den kurdischen Großgrundbesitzern in Kurdistan behalten werden konnte. Mit diesem Vorgehen haben die Kemalisten ihre Macht in Kurdistan befestigt (Garip 2013, 56f).

Seit 1984, in dem der bewaffneten Kampf der Kurden in der Türkei aufgenommen wurde, wird die Bevölkerung in Kurdistan mehr als je zuvor durch Folter, Mord und Verhaftung systematisch unterdrückt und verfolgt, Menschen verschwinden oder fliehen ins Exil. Dadurch wurde materielle Infrastruktur entweder vernichtet oder ihr Aufbau verhindert. In dieser Zeit hat die Arbeitslosigkeit massiv zugenommen – nicht nur auf dem Land, sondern auch in den Städten, in die viele Kurden sich nach der Zerstörung ihrer Dörfer zu flüchten genötigt sahen (vgl. Kizilhan 2002, 28ff).

Noch 1960 verfügten die Großgrundbesitzer in Iranisch- Kurdistan, die nur 0,3 Prozent der Bevölkerung ausmachten, über 64 Prozent des bewirtschafteten Landes. Eine bäuerliche Mittelklasse gab es kaum, dagegen waren 72 Prozent schlechtbezahlte Landarbeiter, die keine Vorräte anlegen konnten und die ärmste Bevölkerungsgruppe darstellen. Iranisch-Kurdistan ist auch reich an Bodenschätzen, die zum Teil noch nicht einmal erschlossen sind. Der Gutteil der Bevölkerung arbeitet im landwirtschaftlichen Sektor, dieser ist auch hier die wichtigste Einkommensquelle. Außer der Erdölförderung sind in diesem Teilgebiet keine nennenswerten Industriezweige ansässig. Insgesamt kann der Lebensstandard in Iranisch-Kurdistan als niedrig beschrieben werden (vgl. Aziz 1992, 58).

Die syrischen Kurden sind hauptsächlich Bauern. Die Landwirtschaft in Syrisch-Kurdisan ist intensiv in den Bergen des Kurd-Dagh, extensiv in den beiden anderen Regionen (Ain al-Arab und Djazira). Zur Landwirtschaft kommen andere Wirtschaftszweige hinzu. Diese sind Ziegen- und Schafszucht, Milchproduktion, Weben von Kelim und die Herstellung von Olivenöl und Holzkohle. Das städtische Element, das meist von Kleinhandel und Handwerk lebt, stellt nur 20% der Bevölkerung (vgl. Nazdar 1984, 401).

Die ökonomische Situation in Irakisch-Kurdistan unterscheidet sich wie zu erwarten kaum von der in den anderen besprochenen Ländern. Erwähnenswert sind jedoch die großen Erdölvorkommen im Nordirak, die nach dem Ersten Weltkrieg das Interesse der Westmächte auf sich zogen und bei Vertragabschlüssen zu einer Sonderbehandlung der Provinzen Mossul und Kirkuk geführt haben. Die Regierung in Bagdad hat immer wieder versucht, die Bevölkerungszahl der Kurden in diesen Gebieten möglichst gering erscheinen zu lassen, sei es durch Fälschung der Statistiken oder strenge Maßnahmen wie Zwangsumsiedlungen. Zweck der Übung war es, die Kurden durch Gewährung einer begrenzten Autonomie zu befrieden, ohne die Kontrolle über die großen Ölreserven zu verlieren. Auch im Irak also ist die wirtschaftliche Situation der Kurden ist katastrophal (vgl. Aziz 1992, 64f). Ein weiteres Problem im Irak stellt die Situation der Dorfbevölkerung dar. Die wirtschaftliche Lage der Kurden in Irak ist elend. Nach der Veränderung, so werde der Sturz des Saddam-Regimes im Irak bezeichnet, ist die Arbeitslosigkeit auch bedingt durch die Auflösung der Armee auf 80% gestiegen. In dieser Notlage sei der eine oder andere bereit, sich für ein- oder zweihundert Dollar von Terroristen für Anschläge anwerben zu lassen (vgl. Dogan u.a. 2008, 12).

2. Die Situation der Kurden in den Herkunftsländern
Zur Zeit des Osmanischen Reichs und Persiens bildete die Kurdenregion über einen Zeitraum von dreihundert Jahren eine Art Puffer zwischen Osmanen und Persern. Die Grenzen waren durchlässig und konnten von kurdischen Nomaden unbehelligt passiert werden. Auf beiden Seiten bestanden von den jeweiligen Herrschern anerkannte kurdische Autonomieregionen. Zu einer wirklichen Grenzziehung kam es erst mit dem Zerfall des Osmanischen Reichs und den darauf folgenden Nationsbildungen der Staaten Türkei, Syrien, Irak und Iran. Das Siedlungsgebiet und damit das Volk der Kurden wurden auf diese vier Staaten aufgeteilt, in denen die Kurden bis heute als Minderheiten leben (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 75f).

Nach dem Ersten Weltkrieg nahmen zentralistische Staatssysteme die Plätze der demgegenüber nur lose integrierten Reiche der Perser und Osmanen ein. Wie andere traditionelle, vorindustrielle und vorkapitalistische Staaten waren Osmanische Reich und das Persische Reich nicht in der Lage, über alle Provinzen und ethnische Gruppen eine faktische politische Kontrolle auszuüben. Die Einverleibung der Bevölkerung war nur kollektiv möglich, indem man sich der Loyalität einer religiösen oder ethnischen Gemeinschaft bzw. ihrer Oberhäupter versicherte. Unter diesen Bedingungen fanden Integration oder Assimilation nur in geringem Ausmaß statt. Die modernen Nachkriegsstaaten Türkei, Iran, Irak und Syrien wurden dagegen in allen Aspekten des ökonomischen, politischen, kulturellen und sprachlichen Lebens streng zentral strukturiert. Die Integration ethnischer Minderheiten durch sprachliche und kulturelle Assimilation war ein vorrangiges Ziel dieser Staaten. Sie richteten sich nach dem Modell der Nationenstaaten in Europa mit einer Sprache, einer Kultur und einem Zentrum der politischen Macht (vgl. Skubsch 2000, 67). „Die Bürger sind individuell, nicht kollektiv an den Staat gebunden. Individuen unterschiedlicher ethnischer oder linguistischer Zuschreibung haben gleiche Rechte und Pflichten gegenüber dem Staat. Die Erfüllung der Gleichheitsrechte hat jedoch die Assimilation zur Folge, da nur die Sprache und Kultur der dominanten Gruppe offiziell anerkannt werden“ (ebd., 2000, 67).

Es ist sehr schwer, den Status der Kurden in der Türkei beschreiben zu können. Wurden sie mit dem Begriff „Minderheit“ hinreichend beschrieben? Für Bozarslan ist der Begriff Minderheit sehr problematisch. Nach ihm ist die kurdische Bevölkerung Minderheit und Mehrheit zugleich. Beide Begriffe werden aufeinander bezogen. Kurden als Individuen hätten zwar den Status als volle Staatsbürger, aber als Mitglied der Gruppe der Kurden könnten sie nicht den gleichen Status in Anspruch nehmen wie die dominante ethnische bzw. nationale Gruppe. Nach Bozarslan können die kurdischen Gebiete in der Türkei sowie im Iran und im Irak als „internal colonies“ beschrieben werden, aus denen die Rohstoffe herausgezogen würden, aber in die wenige ökonomische Mittel zurückfließen würden (Skubsch 2000, 70).

Der türkische Soziologe Besikci behauptet, dass Kurdistan eine Kolonie sei. „Die kurdische Frage ist keine Minderheitenfrage. ... Die Kurden leben in Kurdistan in ihrer eigenen Heimat, in ihrem eigenen Land. Sie sind die Ureinwohner des Landes und sind nicht aus einem anderen Gebiet herzogen“ (Besikci 1991, 21). Mit ihrer Bevölkerungszahl 20 bis 30 Millionen hätte das kurdische Volk mehr Bevölkerung als viele Staaten im Nahen Osten. „Das Grundproblem der kurdischen Frage ist, dass die kurdische Nation und Kurdistan durch die imperialistischen Mächte und durch ihre Kollaborateure im Nahen Osten zersplittert und aufgeteilt wurden und der kurdischen Nation ihr Recht genommen wurde, einen unabhängigen Staat zu gründen“ (ebd., 23).

Also habe Kurdistan den Status einer Kolonie, es sei von der Türkei, dem Irak, dem Iran und Syrien besetzt. Während man aber bei den klassischen Kolonien auf dem afrikanischen Kontinent die Identität der kolonialisierten Völker anerkannt, sei es das Ziel der Kurdistan kolonialisierenden Regimes, die Identität der Kurden zu vernichten (vgl. ebd., 23). „Kurdistan ist noch nicht einmal eine Kolonie, das kurdische Volk ist noch nicht einmal kolonialisiert. Der politische Status Kurdistans und des kurdischen Volkes befindet sich sehr weit unter dem einer Kolonie. Kurdistan hat weder einen politischen Status, noch eine politische Identität. Die Kurden sind ein Volk, welches man versklaven und seiner Identität berauben will, klarer ausgedrückt, es soll mit seiner Kultur und Sprache von der Erdoberfläche getilgt werden. Das Ziel ist es, die kurdische Identität vollkommen zu vernichten“ (ebd., 16f).

Nach Besikci ist die wesentliche Ursache, dass andere Staaten ihre Herrschaft über Kurdistan ausüben konnten, in der nach wie vor feudalistischen und tribalistischen Struktur der kurdischen Gesellschaft. Zur Sicherung ihrer eigenen Macht seien die Aghas oft genug bereit gewesen, Bündnisse mit den Kolonialkräften einzugehen. Ebenso ließen sich verschiedene kurdische Stämme von den türkischen Behörden funktionalisieren (vgl. Besikci 1991, 190). Ein wichtiger Beweis für die „Schwäche der kurdischen Gesellschaft“ sind die Dorfschützer, die Kurden genannt werden und mehr oder weniger freiwillig vom türkischen Staat im Kampf gegen die PKK-Guerilla eingesetzt werden (vgl. Thiermann 2012, 23). Dieses Phänomen wurde von Besikci „Teile-und-Hersche-Politik“ genannt. Es sei den Kurdistan beherrschenden Staaten immer wieder gelungen, die kurdische Gesellschaft zu abteilen. Um die kurdischen Frage zu lösen, müssten die Kurden nicht nur um Selbstbestimmung, sondern auch gegen die bestehende autoritär-hierarchische Ordnung innerhalb der eigenen Gesellschaft kämpfen (Besikci 1991, 190).

2.1 Türkei
Der Vertrag von Sèvres (1920) wurde durch den Frieden Vertrag von Lausanne (1923) revidiert und die Kurden, die in der Türkei ansässig sind, verloren ihr Anrecht auf Minderheitenschutz. Von 1925 bis 1938 kam es in der Türkischen Republik zu mehreren kurdischen Aufständen. Die Niederschlagung der kurdischen Aufstände wird in keinem türkischen Schulbuch erwähnt wie genau die Armenierverfolgung. Die Aufstände gelten in der öffentlichen Rezeption als Angriffe feudalistischer, tribaler oder religiöser Strukturen auf die kemalistischen Reformen. „In der kemalistischen Historiographie werden die kurdischen Aufstände gewöhnlich als letzter Widerstand einer rückständigen, reaktionären Bevölkerung gegen die dringend notwendige Modernisierung dargestellt, und ihre Unterdrückung wird als Bestandteil der zivilisationsbringenden Mission des Regimes betrachtet“ (Bruinessen 1984, zit. in Skubsch 2000, 68).

In den folgenden Jahrzehnten beschleunigten Maßnahmen zur Homogenisierung des türkischen Staates (Kemalismus). In einer Rede deklarierte der türkische Premierminister Ismet Inönü im Jahr 1930: „Alleine die türkische Nation hat das Recht, ethnische und rassische Forderungen in diesem Land zu stellen“ (Timar 1998, 33). Der damalige Premierminister Bülent Ecevit äußerte seine Politik über Kurdische Frage: „Reden über Kurden und ihre nationalen Rechte sowie die Behauptung, dass ihnen auch nationale Rechte zustehen, kann nicht im Rahmen der Meinungsfreiheit zugelassen werden“ (Timar 1998, 33). In der Türkei sind die Kurden nicht als eigenes Volk oder Minderheit anerkannt, sie gelten laut der türkischen Verfassung als Türken. Auf der Basis dieser und anderer gesetzlicher Regelungen wurde von fast allen Regierungen der Republik Türkei die Assimilation der Kurden unter dem Euphemismus Zivilisierung vorangetrieben (vgl. Strohmeier/Yalcin-Heckmann 2000, 92f).

Seit Ende der 60er Jahre im studentischen Milieu verbreiteten linkspolitischen Strömungen führten 1978 zur Gründung der „Arbeiterpartei Kurdistans“ (Partiya Karkerên Kurdistan / PKK) durch Abdullah Öcalan, der damals Student der Politikwissenschaftlichen Fakultät an der Universität Ankara war. Zunächst war das Ziel der ursprünglich marxistisch-leninistisch orientierten Gruppe die Gründung eines unabhängigen kurdischen sozialistischen Nationalstaates in Osten und Südosten der Türkei und seit 1993 die kulturelle und politische Autonomie innerhalb der Türkei (vgl. Demirkol 1997, 35f).[1]
Kurdische Migration in Deutschland
Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des »Islamischen Staates«
Autor: SWP
Erscheinungsort: Berlin
Verleger: Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit
Veröffentlichungsdatum: Juli 2018

Für die Regierungen der westlichen Länder ist der Gang der Dinge in Syrien und im Irak ernüchternd. Für die Kurden, die in diesen beiden vom Krieg gezeichneten Staaten leben, ist er dramatisch. Denn mit dem Sieg über den IS endete für die Kurden Syriens und des Irak eine Periode, in der sie sich einerseits einem existenzbedrohenden Gegner gegenübersahen, andererseits aber Teil militärischer Bündnisse waren, auf die sie sich – auch weil die kurdischen Kämpfer für diese Bündnisse unverzichtbar waren – verlassen konnten. Mit dem Ende des Krieges gegen den IS ist diese Unverzichtbarkeit
zur Disposition gestellt und die Kurden beider Länder sind erneut mit der Tatsache konfrontiert, dass sie keine natürliche Schutzmacht haben. Doch wie steht es um die Kurden selbst? Auf welcher wirtschaftlichen, sozialen und politischen Basis beruhen ihre Forderungen nach Selbstbestimmung? Wieweit deckt sich die Politik kurdischer Akteure mit ihrer Rhetorik von einer kurdischen Nation, die durch das Gefühl eines gemeinsamen Schicksals und die Erwartung einer gemeinsamen Zukunft geeint sei und die indes über einen minimalen politischen Konsens verfügt?
Die Autorinnen und Autoren der Studie werfen einen kritischen Blick auf die zeithistorischen, ökonomischen und politischen Parameter des Handelns und Entscheidens kurdischer Akteure. Martin Weiss analysiert die Gründe für das politische Scheitern des Unabhängigkeitsreferendums der irakischen Kurden 2017. Caner Yıldırım und Gülistan Gürbey leuchten das energiepolitische Potential des kurdischen Nord-Irak aus. Arzu Yılmaz deckt Dynamiken des Verhältnisses zwischen den beiden größten kurdischen Parteien des Nahen Ostens auf. Und Katharina Lack schildert die Machtverhältnisse unter den Kurden Syriens.[1]
Die Kurden im Irak und in Syrien nach dem Ende der Territorialherrschaft des »Islamischen Staates«
Die kurdische Kultur im Überblick
Autor: Caroline Thon
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Seminararbeit,
Veröffentlichungsdatum: 2002
$1. Einleitung$
Diese Arbeit verspricht einen Überblick über die „kurdische Kultur“. Wer jedoch sind die Kurden? Anhand des Vortrags Jemal Nebez’ über die kurdische Identität diskutiert Max Berehndt, dass es keine„Merkmale“ im Sinne von Sprache, Abstammung, geographische Herkunft, Religion etc. gebe, die von allen Kurden geteilt würden und sie somit zu einer einigermaßen einheitlichen kulturellen Gruppe machen würden. McDowall behauptet diesbezüglich, dass bereits der Ursprung des Begriffs „Kurde“ von einer gemeinsamen ethnischen Wurzel der Kurden weg weist. So bezeichnete der Begriff „Kurde“ zur Zeit seiner Entstehung und auch später eher eine sozio-ökonomische als eine ethnische Gruppe:
„ The term ‚Cyrtii’ was first applied to Seleucid or Parthian mercenary slingers dwelling in the Zagros and it is uncertain that it denoted a coherent linguistic or ethnic group at this juncture.“
Das Kurdentum zeichnet sich also mehr durch Heterogenität als duch eine einheitliche Kultur aus und es stellt sich die (hier leider nicht zu beantwortende) Frage, ob der Begriff „Kurdentum“ nicht eher ein Konstrukt und Instrument nationalistischer Bewegungen ist als eine Bezeichnung für eine reale kulturelle bzw. ethnische Gruppe.
Was nun als „Kurdentum“ oder als„die kurdische Kultur“ bezeichnet wird, werde ich in den folgenden Kapiteln darstellen. Um trotz des hohen Masses kultureller Diversität innerhalb des Kurdentums einen möglichst großflächigen aber nicht zu oberflächlichen Überblick zu bieten, werden sich einige Kapitel dieser Arbeit eher generell mit der kurdischen Kultur auseinandersetzen, während sich andere Kapitel auf ein konkretes Beispiel (in diesem Fall das Dorf Sisin in der türkischen Provinz Hakkari) beziehen werden und somit ein detaillierteres, wenn auch nicht auf die Gesamtheit der Kurden übertragbares Bild liefern.
$2. Basisinformationen$
$2.1 Geographische Lage „Kurdistans“, Bevölkerung und Sprachen$
Histgesehen sind die Kurden wahrscheinlich Abkömmmlinge indo-europäischer Stämme, die um die Zeit 1500 v.Chr. über den Iran nach Westen migrierten. Seit mindestens 2500 Jahren sind sie auf dem Gebiet angesiedelt, das sich heute über vier Staaten erstreckt: Ostanatolien (Türkei), Nordirak, Nordostspitze Syriens und Westiran. Die Größe des ethnographischen „Kurdistans“, also dem kurdischen Siedlungsgebiet, beträgt zwischen 440 000 und 490 000 qkm. Es besteht aus unwegsamem Gebirge und Plateaus, das Herzstück bildet dabei das Zagrosgebirge. Schätzungen über die Größe des kurdischen Volks gehen weit auseinander. David McDowall gibt 24-27 Millionen an. Dabei geht er von folgender Verteilung der Kurden aus: Mindestens 13 Millionen auf türkischem Gebiet (ca. 23% der Gesamtbevölkerung der Türkei), 4,2 Millionen im Irak (ca. 23% der Gesamtbevölkerung des Iraks), 5,7 Millionen im Iran (10% der Gesamtbevölkerung des Irans) und eine Million in Syrien (10% der Gesamtbevölkerung Syriens). Ungefähr eine weitere Million sind über Europa und ex-sowjetische Staaten verstreut.
Sprachlich herrscht eine große Vielfalt. So unterscheidet man zwei Dialektgruppen, die jeweils den iranischen Sprachen zugerechnet werden: Kurmanci, die Sprache der meisten nordischen Kurden und Sorani, welches im Süden gesprochen wird. Von diesen Sprachen gibt es etliche regionale Dialekte. Zudem gibt es Gurani (Dialekt in bestimmten Regionen Südkurdistans), Zaza (im Nordwesten) und ein eher dem Persisch als dem Sorani entsprechenden Dialekt, der im Südosten Kurdistans gesprochen wird.
$2.2 Abriß der kurdischen Geschichte$
Die für uns bekannte Geschichte der Kurden beginnt mit der Eroberung Mesopotamiens im Jahre 637 durch die Araber.[8] Ab diesem Zeitpunkt lebten die Kurden in den folgenden islamischen Reichen und taten sich besonders durch die kriegerische Verteidigung des Reichs hervor. Mit der Errichtung des schiitischen Safawidischen Reichs (dem heutigen Iran) als direkter Nachbar des Osmanischen Reiches im 16. Jahrhundert, wurde Kurdistan zum Grenzgebiet zwischen den zwei Großmächten. Beide Reiche versuchten immer wieder die kurdischen Fürstentümer an sich zu binden, jedoch bewahrten sich diese eine relative Unabhängigkeit. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts verlor das Osmanische Reich an Stärke, so dass es seinen Einfluß über die kurdische Region verlor. Nachdem sich unter den Araber und Türken bereits panislamische bzw. pantürkische Gefühle entwickelten, entdeckten auch die Kurden ihre ethnische Identität und somit ihr Nationalbewußtsein. So intiierte 1880/81 der Kurdenscheich Ubaidallah den ersten Aufstand, der von der Idee der kurdischen Identität geprägt war. Dieser wurde jedoch blutig niedergeschlagen. Nach dem Ersten Weltkrieg legten die Siegermächten im Vertrag von Sèvres (1920) die Aufsplitterung des geschlagenen Osmanischen Reichs fest und stellten den Kurden eine autonome Region mit Potential zum Staat in Aussicht.
Jedoch erwirkte die türkische Nationalbewegung unter der Führung Mustafa Kemals durch den Unabhängigskeitskrieg einen neuen Vertrag, dem Vertrag von Lausanne, der große Teile des geplanten Kurdistans der kommenden Republik Türkei zusprach und die Gründung eines kurdischen Staates gar nicht mehr vorsah. Da sich viele Kurden der folgenden Turkifizierungs-Polititk Mustafa Kemals widersetzten und Aufstände übten, reagierte die türkische Regierung extrem repressiv, indem sie im Laufe der Jahre die kurdische Sprache und das Leben der kurdischen Kultur gänzlich verbot und auch Zwangsumsiedlungen durchführte.
Auch im Irak, der nach dem Ersten Weltkrieg vom Osmanischen Reich abgespalten wurde und bis 1932 unter Britischer Verwaltung stand, wurde die Idee eines kurdischen Staates aus strategischen Gründen abgelehnt. Schließlich fürchtete die Regierung einen transnationalen Zusammenschluß der Kurden, der den Irak in Bedrängnis hätte bringen können. Ähnlich wie auch Mustafa Kemal verfolgte der Iran unter Reza Schah zu dieser Zeit die Politik einer „Iranisierung“ der Bevölkerung und zielte auch im Namen einer Zentralisierung des Staates auf die Auflösung der Stammesstrukturen ab. So waren die Kurden im größten Teil ihres Siedlungsgebietes (mit Ausnahme des syrischen) massiver Unterdrückung ausgesetzt und ein kurdischer Staat lag in weiter Ferne.
Im Jahre1946 jedoch wurde im Schutze der Sowjets im westiranischen Mahabad die gleichnamige kurdische Republik ins Leben gerufen. Die Existenz des ersten und bisher auch einzigen kurdischen Staats war allerdings nicht von langer Dauer, da die sowjetische Besatzungsmacht auf Druck der Amerikaner wieder abzog und die Region vom Iran nach nur elf Monaten zurückerobert werden konnte.
Die Situation der Kurden verschärfte sich in den folgenden Jahrzehnten. So betrieben der Irak (1976-87) und jetzt auch Syrien (60er und 70er Jahre) eine rigorose Arabisierungspolitik, die mit Zwangsumsiedlungen kurdischer Dörfer verbunden war. In der Türkei wurden 1979 regelmäßige Razzien in kurdischen Dörfern eingeführt und im Iran verkündete Khomeini in diesem Jahr den „Heiligen Krieg gegen die Kurden“. Allerdings formierte sich unter den Kurden ein organisierter Widerstand. So gründete Mullah Mustafa Barzani im Irak Ende der 50er Jahre die separatistische Bewegung KDP („Demokratische Partei Kurdistans“). Zur Rivalin dieser feudalistisch ausgerichteten Bewegung wird die linke PUK („Patriotische Union Kurdistans“), die Dschalal Talabani im Jahre 1975 ebenfalls im Irak gründet. In der Türkei entstand neun Jahre später die PKK („Arbeiterpartei Kurdistans“) unter der Führung Abdullah Öcalans. Statt Kooperation zu üben stehen sich diese Parteien feindlich gegenüber. Durch diese konsequenten innerkurdische Zerrissenheit war schon nach dem Ersten Weltkrieg die Chance auf einen eigenen Staat verloren gegangen.
Der Kampf zwischen den Organisationen und den jeweiligen Regierungen ist seit jeher von enormer Brutalität gekennzeichnet. So initiierte Saddam Hussein 1988 einen „Vernichtungsfeldzug“ gegen die Rebellen, wobei die kurdische Stadt Helabja Ziel einer Giftgasattacke wurde. Im April 1991 errichtete die Uno aufgrund des unmenschlichen Vorgehens des irakischen Regimes und den Flüchtlingsströmen eine Schutzzone mit kurdischer Selbstverwaltung nördlich des 36. Breitengrades.
Jedoch auch hier lösten die innerkurdischen Differenzen nach den ersten freien Wahlen 1994 „bürgerkriegsähnliche“ Zustände aus, die erst 1998 durch ein Friedensabkommen zwischen der PUK und der KDP beendet wurden.
In der Türkei sind die terroristischen Akt der PKK seit der Festnahme Öcalans im Jahre 1999 selten geworden.
$3. Soziale und politische Organisation$
Besonders in den von der Außenwelt geradezu abgeschnittenen Bergregionen hat sich die kurdische Gesellschaft traditionelle, soziale Organisationsmuster bewahrt. Diese zeichnen sich durch ein segmentäres System aus.
Die kleinste Einheit bildet die erweiterte Familie, die durchschnittlich fünf bis sechs Mitglieder zählt. Je nach finanziellem Status kann ein Mann polygam mit bis zu vier Frauen leben, eine Entscheidung, die oft wirtschaftliche Gründe hat. Ebenso aus wirtschaftlichen Gründen kann im Fall der Verwitwung einer Frau eine Leviratsehe geschlossen werden. Die Familie ist Teil der Patrilineage (kurdisch: Babik, Bavamal, Hoz oder Khel), die das nächstgrößere Segment darstellt. Diese besteht aus mehreren Familien, die über einen gemeinsamen männlichen Ahnen innerhalb der letzten sechs Generationen verbunden sind. Der älteste lebende männliche Nachkomme dieses Vorfahren stellt das Oberhaupt dieser Gruppe. Die Patrilineage bildet oft ein Dorf oder einen Dorfteil (bei den seßhaften Kurden) bzw. eine Weidegemeinschaft (bei den kurdischen Nomaden), wobei die Beziehungen innerhalb der Patrilineage durch endogame Eheschließungen eng miteinander verwoben sind. Der Patrilineage ist von ihren Mitgliedern eine größere Loyalität zu erbringen als allen anderen sozialen Gruppierungen, da sie auch im Falle eines Konflikts auch als Verteidigungseinheit funktionieren muß. Aufgrund dieser Bedingungen stellt diese Abstammungsgruppe einen „realen politischen Machtfaktor“ in der kurdischen Gesellschaft dar.
Mehrere Patrilineages sind in einem Klan (kurdisch: Taife, Tire) zusammengeschlossen.
Dabei fungiert eine Patrilineage als Führung. Aus ihren Reihen geht auch das Oberhaupt des Klans hervor, das sich durch eine „dominierende wirtschaftliche Stellung“ (meist als agha, Großgrundbesitzer) und guten Kontakten zu anderen Klans auszeichnen muß. Dies ist sinnvoll, da der Klan in erster Linie für die „wirtschaftliche und soziale Absicherung seiner Mitglieder“ sorgen soll. Die Oberhäupter der übrigen Patrilineages bildet das Gremium der „Weißbärte“, die dem Klanchef als beratende Institution zur Seite stehen. Auch gibt es Fälle, in denen sich religiöse Bruderschaften zu einem Klan zusammenschliessen bzw. ein ganzer Klan einer Bruderschaft angehört. In solchen Klans übernimmt der Shaik oder Pir, also der religiöse Oberhaupt die Rolle des Klanchefs.[34]
Mehrere Klans können zusammen einen Stamm gründen. Der Stammesverbund stellt hierbei eine „Interessensgemeinschaft“ der Klans dar und muß nicht auf verwandtschaftlichen Bindungen beruhen. Dabei besteht ein Stamm meist - im Gegensatz zum typischen pastoralen Nomadenstamm Vorder- und Zentralasiens - aus nomadischer und seßhafter Bevölkerung. Die Führung des Stamms wird dabei innerhalb einer bestimmten Führungssippe (Kurd.: Begzadeh, Khawanin) vererbt.
Diese soziale Struktur ist in den ländlichen Gebieten Kurdistans heute noch von großer Bedeutung. Allerdings wurde das kurdische Stammeswesen durch Maßnahmen der Folgestaaten des Osmanischen Reichs zu gunsten größerer staatlicher Kontrolle entmachtet, so dass in einigen Bereichen (z.B. Heiratsrestriktionen, Bedeutung der einzelenen Segmente) zur Aufweichung der Tradition kam.
Für die Minderheit der städtischen Mittelschicht und Intelligenz sind diese traditionellen Stammesstrukturen vollkommen obsolet geworden.
$4. Verwandschaft$
Die Bedeutung von Verwandtschaft und verwandtschaftlichen Beziehungen werde ich anhand Lale Yalçin-Heckmanns Forschung in Sisin, einem kurdischen Dorf in der türkischen Provinz Hakkari erläutern.
Die verwandtschaftlichen Verhältnisse spielen dort eine bedeutende Rolle, da sie sehr eng mit der sozialen Struktur des Stammes verbunden und grundlegend für die wirtschaftlichen Beziehungen sind.
In Sisin wird zwischen der affinalen Verwandtschaft (xism) und der Blutsverwandschaft (xwîm) bzw. der erbenden (also männlichen) Blutsverwandschaft (warîs) unterschieden. Diese Begriffe dienen als Kategorien, die nicht im streng genealogischen Sinne die Verhältnisse beschreiben, sondern eher die sozialen Beziehungen widerspiegeln. Ähnlich verhält es sich mit den verwandtschaftlichen Begriffen, die zur Anrede oder Bezeichnung der einzelnen Individuen gebraucht werden.
So werden die Verwandtschaftsbegriffe oft ausgeweitet, um die Intensität oder die Distanz von Beziehungen zu beschreiben. EGO kann z.B. eine Person als xolat (MZ) bezeichnen, nicht weil sie dies im genealogischen Sinne ist, sondern weil sie für EGO wie eine MZ ist. Neben einer solchen bewußten Erweiterung der Verwandtschaftstermini, werden auch der konsanguinalen Verwandtschaft gebraucht als auch in der affinalen Verwandten die verwandtschaftlichen Begriffe unbewußt erweitert.
In der konsanguinalen Verwandtschaft wird dadurch die patrilineare Struktur und die Nähe innerhalb der patrilinearen Verwandschaftsverhältnisse betont (z.B.: FBS sowie FFBS sind für EGO Mam).
Für die affinale Verwandtschaft sind die Termini noch stärker erweitert, so dass fast alle (bis auf FBW / FFBW und MBW / MMBW ) angeheirateten Personen für EGO als bûk (eigentlich: Braut oder Schwiegertochter) und zava (eigentlich: Bräutigam oder Schwiegersohn) zu bezeichnen sind. Materilateral affinale und die affinale Verwandtschaft sind davon ausgenommen, da dass Verhältnis zu ihnen durch die patrinilieare Ideologie eher durch Distanz geprägt ist.
Durch die Erweiterung der Verwandtschaftsbegriffe und ihren Gebrauch werden laut Yalçin- Heckmann „different possibilities of close kin or affinal group definitions and alliances, male and female avoidance or intimacy, joking behaviour, in-law avoidance and respect code, age and sibling order hierarchy and rivalry, inheritance, and property relations“ wider- gespiegelt.
$5. Wirtschaft$
Das kurdische Siedlungsgebiet ist bis heute größtenteils von Agrarwirtschaft, also Ackerbau und Viehzucht, geprägt. Dies läßt sich dadurch begründen, dass die Industrialisierung die oft schwer zugänglichen Dörfer nur sehr selten erreicht hat und wenn nur in geringem Maße. Nur ein geringer Teil der Kurden (25-35%) siedelt in den Städten, wo sie von Handel, Handwerk und Dienstleistungen leben. Im industriellen Sektor sind laut Zuhdi Al-Dahoodi 5 - 10% der Kurden beschäftigt. Davon arbeitet ein kleiner Teil in kurdischen Kleinunternehmen, die meist Werkstätten oder Manufakturen sind und oft von einer Familie betrieben werden.
Viele Arbeiter hingegen arbeiten in Betrieben des jeweiligen Staates. Schließlich werden die Bodenschätze im kurdischen Siedlungsgebiet wie Öl (im iranischen und irakischen Sektor) und Chrom, Braunkohle, Kupfer, Eisen und Phosphat in der Türkei von den jeweiligen staatlichen Unternehmen bzw. von multinationalen Konzernen abgebaut. Die Wirtschaftsweise eines Dorfes beschreibt Lale Yalçin-Heckmann am Beispiel Sisins in der türkischen Provinz Hakkari. Die Bewohner des Dorfes betreiben sowohl Viehzucht als auch Ackerbau. Dabei ist die Viehzucht (Schafen, Ziegen, Hühnern, Eseln, Pferde, Ochsen und Kühe) die finanzielle Einkommensquelle der dortigen Haushalte. Das Geld wird in erster Linie durch den Verkauf von Tieren eingenommen. Hierbei spielt insbesondere der illegale Handel über die naheliegende Türkisch-Irakische Grenze eine große Rolle. Die tierischen Produkte (Eier, Milch, Fell etc.) werden meist nicht verkauft, sondern sind für den Eigenverbrauch bestimmt. Auch der Anbau von Gemüse und Obst wird in Form von
Subsistenzwirtschaft betrieben. Lediglich die Überschüsse werden für den Tauschhandel mit Dörfern auf dem Flachland benutzt.
Innerhalb des Dorfes selbst findet wenig Handel statt. Nur die Gabe des zekats[54] ist ein festgelegter direkter Warenaustausch zwischen den Dorfbewohnern. Da alle Haushalte mit etwa den gleichen Waren ausgestattet sind, kommt es ansonsten nur zum Tausch, wenn es einem Haushalt an einer Ware mangelt, also eine konkrete Nachfrage da ist. Zudem existiert zwischen den Dorfbewohnern ein reziprokes System, das einen gelegentlichen Austausch von Arbeitskräften zwischen den Haushalten regelt, wenn in einer Familie mehr Arbeit als gewohnt anfällt.
Die Reziprozität und auch der zekat, der an alle Dorfhaushalte verteilt wird und nicht - wie im Islam festgelegt - nur an bestimmte, bedürftige Personen, unterstreichen die Egalität der Dorfbewohner.
$5. Religion$
Mit den Arabern erhielt auch der Islam im Jahre 637 n. Chr. Einzug in das kurdische Siedlungsgebiet. Die Kurden, die zuvor verschiedenen Religionen u.a. auch dem Zoroastrismus und dem Christentum anhingen, konvertierten zum großen Teil zu der neuen Religion.[59] Jedoch bildeten sich verschiedene Strömungen heraus, deren Fundament teilweise noch in den früheren Religionen wurzelt.
Die Mehrheit der Kurden (75%) gehört der am weitest verbreiteten islamischen Strömung an, dem sunnitischen Islam. Im Unterschied zu den Türken folgen sie jedoch der shafi’itischen Rechtsschule und nicht der hanafitischen.
15% der Kurden, so McDowall, sind wie ein Großteil der Iraner Ithna ’Ashari Schiiten. Diese siedeln insbesondere in der iranischen Provinz Kirmanshah.
Des weiteren gibt es mehrere kleinere schiitisch-orientierte religiöse Gruppen.
So gibt es z.B. die Aleviten, unter denen mehrere Gruppen zusammengefaßt sind, die verschiedene schiitische Richtungen gemischt mit prä-islamischen, zoroastrischen und schamanischen Elementen vertreten. Die alevitischen Kurden befinden sich besonders im Südosten der Türkei, wo sie aus religiösen Gründen verfolgt werden.
Aber auch vorislamische Religionen werden von den Kurden praktiziert. So gibt es mehrere christliche Religionsgemeinschaften und Juden. Interessant sind diesbezüglich auch die yezidischen Kurden im Nordirak. Ihre Religion verquickt nämlich sowohl heidnische, zoroastrische, manichäistische Elemente als auch Elemente der drei Buchreligionen miteinander.
$6. Resümee$
Wie schon in der Einleitung erwähnt, hat sich die kurdische Kultur in den verschiedenen Regionen des kurdischen Siedlungsgebietes sehr unterschiedlich entwickelt. Dies mag einerseits an der Geographie, also dem schwer zugänglichen Gebirge liegen, das kaum Infrastruktur zulässt. Andererseits werden es auch die sozialen und politischen Umstände sein, die das kurdische Volk nicht haben zusammenwachsen lassen. Schließlich sind sie noch sehr stark in ihr Stämmewesen verwurzelt. Dieses lässt zwar auch Föderationen zu, aber fördert doch grundsätzlich eine dezentrale, individuelle Stammespolitik.
So gestalteten die kurdischen Fürstentümer zu Zeiten des Osmanischen Reichs ihre Politik nicht gemeinsam, sondern suchten nach individuellen Vorteilen, die sich durch die Kooperation mit dem Osmanischen oder dem Persischen Reich für sie ergeben könnten. Auch als der Vertrag von Sèvres ihnen 1920 zu einem eigenen Staat hätte verhelfen können, fehlte es an einem kurdischem Zusammengehörigkeitsgefühl, da einige Stammesführer ihre Machtinteressen nicht durch illoyales Verhalten gegenüber den neu entstandenen Nationalstaaten nicht gefährden wollten. Diese Stammesstrukturen sind auch heute noch in den überwiegend ländlich geprägten und vorindustriellen Gebieten Kurdistans von enormer Bedeutung.
Die Frage ist also, inwiefern eine Gesellschaft, die durch ihr Stämmewesen so sehr partikularistisch ausgerichtet ist, Träger einer gemeinsamen Kultur sein kann. Und gerade in Bezug auf die kurdische Gesellschaft ist dies eine wichtige Frage, da die Antwort bedeuten kann, ob ein eigenständiger kurdischer Nationalstaat überhaupt eine Existenzgrundlage haben würde.
$7. Bibliographie$
Al-Dahoodi, Zuhdi: Die Kurden. Geschichte, Kultur und Überlebenskampf. Umschau Verlag: Frankfurt a. M., 1987.
Behrendt, Max: 2. Definitionen. Wer sind die „Kurden“?. http://www.unics.uni- hannover.de/nhrkbehr/kap21.html, 2001, [ges.30.07.2002].
Franz, Erhard: Kurden und Kurdentum. Zeitgeschichte eines Volkes und seiner Nationalbewegungen. Deutsches Orient-Institut: Hamburg, 1986.
Günter, Wolfgang: Geschichte der Kurden. http://www.emabonn.de/credits/kurden.htm, [ges. 01.08.2002].
Halve, Jens: Die Kurden: Ein Überblick. http://www.gfbv.de/voelker/nahost/kurden.htm1,1998, [ges. 03.08.2002].
MacDowall, David: A Modern History of the Kurds. I.B. Tauris: New York, London, 1996.
Shaw, Stanford J.: Das Osmanische Reich und die Moderne T ü rkei. in: von Grunewald,
Gustave Edmund: Der Islam II. Die Islamischen Reiche nach dem Fall Konstantinopels.
Fischer Weltgeschichte Band 15, Fischer Taschenbuch: Frankfurt a. M, 1999, 13. Aufl., S. 24- 159.
Yalçin-Heckmann, Lale: Tribe and Kinship among the Kurds. Peter Lang: Frankfurt a. M., Bern, New York, Paris, 1991.[1]
Die kurdische Kultur im Überblick
Demokratischer Konföderalismus in Rojava. Ein Versuch zur Überwindung von Macht
Autor: MEHMET AKYAZI
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Universität Duisburg-Essen (Institut für Soziologie)
Veröffentlichungsdatum: 2017
$1. Einleitung$
2. Macht und Herrschaft
2.1. Macht und Herrschaft in der Soziologie
2.2. Kritik von Macht und Herrschaft
2.3. Überwindung von Macht- und Herrschaftsverhältnissen

3. Demokratischer Konföderalismus in Rojava
3.1. Entwicklungen in Nordsyrien
3.2. Kommunale Basisorganisierung in Rojava
3.3. Perspektiven im Mittleren Osten

4. Fazit

5. Quellen- und Literaturverzeichnis
5.1. Internetquellen
5.2. Literatur

1. Einleitung
Das Wort „Macht“ wird zwar häufig benutzt und offensichtlich hat auch jedermann eine genaue Vorstellung, was damit gemeint ist oder bezeichnet wird, doch bei genauerer Be­trachtung offenbart sich eine unendliche Vieldeutigkeit der mit Macht und auch Herr­schaf­t bezeichneten Phänomene (Imbusch 2013: 9). Als eigenständige Phänomenbereiche, die miteinander verwoben sind, ist ihr semantischer Gehalt bis heute umstritten (Imbusch 2016: 207). Die unterschiedlichen Auffassungen von Macht und Herrschaft sol­len im ers­ten Teil der nachfolgenden Arbeit dargestellt werden. Es geht nicht nur darum, Macht und Herrschaft als Phänomen zu beschreiben. Es sollen auch Theorien vorgestellt werden, die nicht nur annehmen, dass gegen­wärtige Macht- und Herrschaftsverhältnisse überwunden wer­den können, son­dern aus einer kritischen Grundhaltung heraus diesen Prozess auch fordern. Damit wäre die Arbeit an einem Punkt angelangt, den man als Utopie bezeichnen kann. Ein Vordenker eines utopi­schen Modells, dessen Schriften den gegenwärtig inhaf­tierten politischen Führer Abdullah Öcalan inspirier­ten, war der US-amerikanische Theo­retiker und libertäre Sozialist Murray Bookchin. Für Bookchin ist utopisches Denken die visionäre Erkenntnis einer neuen Gesellschaft, die die Zukunft in radikal neuen Formen und Werten vermitteln kann (Bookchin 1981: 153). An­knüpfend an seine Ideen von einem Libertären Kommunalis­mus entwickelte Öcalan als maßgebender Anführer einer kurdisch-autono­men Bewegung, ein neues Gesellschaftsmo­dell für den Mittleren Osten, welches er als Demokratische­n Konföderalismus bezeichnete. Seit 1999 ist er auf der Gefängnisinsel Imrali in der Türkei inhaftiert und trotzdem sind seine Schriften und Weisungen noch im­mer maßgebend für seine Bewegung. Während und auch nach seinem Exil-Aufenthalt in Syrien konnte sich seine Bewegung in den kurdisch bewohnten Siedlungsgebieten Syriens etablieren, das als Rojava (dt.: Land des Sonnenuntergangs) bezeichnet wird. Mit dem Be­ginn des Bür­ger­kriegs in Syrien im Jahr 2011 wurden die Truppen des Regimes aus dem Nor­den abgezogen, sodass die Partei der De­mokratischen Union (PYD) weitgehend die Kon­trolle über die kurdisch bewohnten Ge­biete in Rojava übernehmen konnte. Die PYD re­krutierte sich ursprünglich aus ehemaligen Kadern der von Öcalan mitbegründeten Ar­bei­terpartei Kurdistans (PKK) und steht ideologisch in einem engen Verhältnis zu ihrer Schwesterpartei. Nun wird versucht, die Idee vom Demokratischen Konföderalismus in Rojava umzusetzen, sodass aus dem utopischen Modell Öcalans Realität wird. Im zwei­ten Teil der Arbeit sollen die Grenzen dieses Modelles aufgezeigt werden. Be­sonders der seit 2011 andauernde Bürgerkrieg in Syrien und die bewaffnete Auseinander­setzung verschie­dener Gruppen erschwert den Gestaltungsraum für solch ein basisdemo­kratisches Selbst­verwaltungsprojekt. Die zentrale Frage der Arbeit lautet deshalb: Kann mit dem Demokra­tischen Konföderalismus in Rojava Macht überwunden werden? Grund­legend für diese Frage sind die Theorien der Soziologie, die Macht und Herrschaft begriff­lich zu erfassen versuchen. Von ei­nem kritischen Verständnis von Macht ausgehend, wer­den anschließend alternative Konzepte zur Über­windung von Macht- und Herrschaftsver­hältnissen skizziert. Aufgrund der Aktualität des Themas werden im zweiten Teil der Ar­beit vor allem die Werke und Artikel von Politikwissenschaftlern, aber auch Erfahrungsbe­richte von Men­schen vor Ort herange­zogen. Ab­schließend werden mögliche Per­spektiven für den Demo­kratischen Konföderalismus im Mittleren Osten skizziert, wel­cher als reale Utopie einen wegweisenden Moment für die Zukunft darstellen kann:

„Die Utopie erlöst die Zukunft. Durch sie wird sie für die kommenden Generationen wieder verfügbar, so daß sie sie schöpferisch gestalten und durchgreifend emanzipieren können – nicht auf der Grundlage von versteckten Voraussetzungen, sondern bewußten und kunstvollen Handelns.“ (ebd.: 153)
$2. Macht und Herrschaft$
2.1. Macht und Herrschaft in der Soziologie
Macht und Herrschaft sind zwei Begriffe, denen der Soziologe Peter Imbusch ein hohes Maß an „Charme“ zuspricht. Als unverzichtbare Grundbegriffe stellen Macht und Herr­schaft zentrale Kategorien der Sozialwissenschaften dar (Imbusch 2013: 9). Sie sind aller­dings auch Gegenstand einer wissenschaftlichen Kontroverse, da die beiden Begriffe sozi­ale Tatsachen beschreiben, die vielfältigen Deutungsmustern zugänglich sind:

„Verweisen die einen auf konstruktive Aspekte der Macht für Verständigung oder soziales Handeln, sehen andere in ihr etwas Böses oder gar Dämonisches; assoziieren die einen mit Macht eher Freiheit, so andere Zwang; ist für die einen Macht eher an gemeinsames Handeln gebunden, so rücken andere sie in die Nähe von Kampf und Konflikt[…]benutzen die einen Herrschaft als einen Oberbegriff zu Macht, so betrachten andere sie lediglich als einen Spezi­alfall derselben und ordnen sie dieser unter; bedeutet Herrschaft für die einen Unterdrückung, so erfüllt sie für andere wichtige Ordnungsfunktionen; glauben die einen, Herrschaft abschaf­fen zu können, so halten andere sie für eine Universalie menschlicher Gesellschaften[…]“ (Imbusch 2016: 207).

Während das Alltagsverständnis von Macht weitgehend negativ assoziiert ist, so ist das wissenschaftliche Verständnis von Macht und auch Herrschaft um einiges differenzierter, da bis heute Uneinigkeit und Streit über das angemessene Verständnis der beiden Begriffe vorherrscht und die Interpretationen einen Teil größerer ideologischer Debatten bil­den (Imbusch 2013: 9). So kommen sogar disparate und widersprüchliche Kennzeichnun­gen von Macht und Herrschaft zustande. Die klassische Definition von Max Weber be­schreibt Macht als eine „Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch ge­gen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber 1990: 28). Mit dieser Definition rückt Weber den Begriff der Macht in die Nähe von sozia­len Kämpfen und Konflikten (Imbusch 2016: 208) und zwar in einem antagonistischen Ver­hältnis zu seinem Verständnis von Herrschaft, bei dem sich das Soziale bis zum Auto­ma­tismus stabilisiert (Neuenhaus-Luciano 2013: 98). Weber definiert Herrschaft als eine Chance, Gehorsam für Befehle zu finden und zwar bei einer angebbaren Gruppe von Men­schen, wobei die Herrschaft auf verschiedenen Motiven der Fügsamkeit beruht; Vorausset­zung hierfür ist allerdings „ein bestimmtes Minimum an Gehorchen wollen, also Interesse (äußerem oder innerem) am Gehorchen“ (Weber 1990: 122). Für Weber ist Herrschaft ein Sonderfall von Macht und führt zur Uniformierung sozialen Handelns. Die Machtkämpfe werden stillgestellt und deshalb bildet Herrschaft nach diesem Verständnis einen Ge­genpol zur Macht (Neuenhaus-Luciano 2013: 97f.). Herrschaft kann demnach als ein institutionali­siertes Dauerverhältnis der Machtausübung einer übergeordneten Gruppe ge­genüber einer untergeordneten Gruppe zusammengefasst werden (Imbusch 2016: 211). Allerdings wurde die Machttheorie von Weber und insbesondere seine Kombination von dezisionistischer Führung und Herrschaftsmaschine mit Hinblick auf den Nationalsozia­lismus in Deutschland kritisch betrachtet, weswegen sich nach 1945 intensive Auseinan­dersetzungen mit seinen Schriften ergaben, die sich vor allem auf den politischen Gehalt seiner Soziolo­gie konzentrierten. Sein auf den Machtbegriff bezogenes Politikverständnis wurde durch diese Kritik weiterentwickelt und ab Mitte der 1960er Jahre rückte die Ratio­nalitäts­konzeption, der Webers Verständnis einer Macht- und Herrschaftskonstellation zugrun­delag, in den Mittelpunkt der kritischen Diskussionen (Neuenhaus-Luciano 2013: 109f.). Als allgegenwärtige Phänomene menschlicher Gesellschaft bilden Macht und Herr­schaft nicht nur Gegenstand sozialwissenschaftlicher Auseinandersetzun­gen. Eine Fülle von un­terschiedlichen theoretischen Zugängen und die stetig anwachsende Litera­tur zu dem Thema konnten das „theoretische Chaos“ um den inhaltlichen Gehalt der beiden Be­griffe und den Stellenwert einzelner Denktraditionen und Paradigmen nicht beseitigen (Imbusch 2013: 26ff.). So gibt es neben individualistisch orientierten Theorien oder ratio­nalen Akteursmodellen, die vom Menschen als egoistischen Nutzenmaximierer ausgehen und die Herrschaft als einen Macht- oder Konfliktreglungsmechanismus betrachten, eine Reihe von kritischen und marxistisch orientierten Theorien. In den Gesellschafts- bzw. Sozialthe­orien gilt Herrschaft als allgemeine soziale Regelungs- und Beziehungsform, bei der sich die Vorteile und Nachteile erst in den konkreten Analysen und zwar unterhalb des abstrakten Herr­schaftsbegriffes erweisen müssen (ebd.: 30f.). Ausschlaggebend für die Bewertung von Macht und Herrschaft sind, neben den verschiedenen ideologischen Positi­onen und Men­schenbildern, auch die Einschätzungen aus der Lebenswelt der Individuen (ebd.: 28f.).
$2.2. Kritik von Macht und Herrschaft$
Sobald die Mechanismen oder Strukturen von Herrschaft tatsächlich wahrgenommen wer­den, handelt es sich in den meisten Fällen um Unbehagen gegenüber „zu viel“ oder „fal­scher“ Herrschaft (Maurer 2013: 352). Eine skeptische Bewertung von Macht findet man deshalb überwiegend bei machtschwachen Gruppen, die dazu tendieren, Macht zu hierar­chisieren und auf ihre negativen Effekte hinzuweisen (Imbusch 2016: 213). Zu einem In­strument kritischer Analyse von Herrschaft kann die Soziologie von Weber nicht entwi­ckelt werden, da seine Fixierung auf Macht und Herrschaft jegliche andere Zweckbestim­mung des Staates verwerfen lässt (Neuenhaus-Luciano 2013: 108). Kritisch gegenüber Macht und Herrschaft äußerten sich hingegen die beiden grundlegenden Theoretiker des Kommunismus, Karl Marx und Friedrich Engels. Sie versuchten die Bedingungen von Macht, die Widersprüche von Herrschaftsverhältnissen und die Möglichkeiten von Macht­verschiebungen und des Machtabbaus aufzuzeigen, wobei die Termini von ihnen nicht ex­plizit definiert wurden (Hösler 2013: 56). So ist für Marx und auch für Engels Macht nicht per se verurteilenswert oder reaktionär, da es nach ihrem Verständnis zusam­men mit der Gewalt immer wieder ein notwendiges Mittel in der Geschichte darstellt, um dem histori­schen Fortschritt zum Durchbruch zu verhelfen; trotzdem ist ihre Gesellschafts­kritik ver­bunden mit einer systemtranszendierenden Perspektive, die auf die Beendigung bestehen­der Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse und dem Abbau poltischer Macht über­haupt zielt (ebd. 64). Mit dem Fehlen einer konkreten Definition von Macht und Herrschaft ergibt sich allerdings eine Kluft zwischen der Theorie und der politischen Praxis. Ist im Alltag eine Herrschaft weitgehend etabliert, so ist auch im klassischen soziologischen Ver­ständnis die Endstufe der Institutionalisierung von Macht erreicht (Imbusch 2013: 15). Ein zentraler Staat weist also einen hohen Grad an institutionalisierter Macht auf und des­halb bezeichnet Öcalan den Staat als „Maximalform von Macht“ (Öcalan 2012: 10). Für die systemtranszendierenden Ansätze von Marx und Engels stellt sich daher die Frage, wie sich die politische Macht in einer Herrschaft aufzuheben hat. Die revolutionäre Macht­übernahme im Oktober 1917 in Russland barg für Öcalan von Anfang an einen grundle­genden Widerspruch in sich, der sich für ihn ebenfalls in vielen anderen real­sozialisti­sche­n Versuchen widerspiegelte:

„Jedoch wollen wir nur ganz kurz anmerken, dass die gesamte 150-Jährige Geschichte des So­zialismus auf dem Paradigma des An-Die-Macht-Kommens aufgebaut war. Lenins Beitrag be­stand darin, dieses Paradigma ohne Umschweife anzuwenden und dafür die richtigen Wege und Methoden herauszufinden[…]Eine ihrer grundlegenden Überzeugungen war, dass die Partei unter den Bedingungen des Imperialismus nur bestehen könne, wenn sie die Macht habe. Doch die Geschichte hat gezeigt, dass diese Auffassung unzutreffend war – wenn auch erst nach siebzig Jahren. Diese Tatsache beweist nicht, dass alles am Marxismus und am Leni­nismus falsch war. Es zeigt lediglich, dass die Thesen über die Macht der Partei falsch waren und der Sozialismus so nicht erreicht werden kann. Die Position von Marx und Engels zu Macht und Staat lässt sich nicht exakt feststellen, da sie sich mehr aufs Theoretikerdasein be­schränkten. Aber sie sprachen von der Notwendigkeit, für eine Übergangszeit den Staat als Herrschaftsinstrument gegen die Bourgeoisie einzusetzen“ (Öcalan 2015: 440).

Für Öcalan stellen Macht und Staat einen Gegenpol zur Demokratie dar. Er strebt eine vollkommene Demokratie an, was für ihn die Auflösung des Staates und die Überwindung von Macht bedeutet:

„Jede Macht braucht einen Staat, jeder Staat aber die Negierung von Demokratie. Eine Klas­sendemokratie ist in der Essenz keine Demokratie, sondern Staatsmacht.[…]Als goldene Re­gel sollte gelten: Je mehr Staat, desto weniger Demokratie. Oder auch: Je mehr Demokratie, desto weniger Staat“ (Öcalan 2015: 178).

Ein völlig entgegengesetztes Verständnis von Macht und Herrschaft wurde insbesondere von Michel Foucault in den 1970ern theoretisch konzipiert. Seine machttheoretische Kon­zeption beschreibt soziale Zusammenhänge als Konfrontation und Kampf, wobei er Macht als allgegenwärtig, ubiquitär und omnipräsent beschreibt; nach Foucaults Vorstellung existieren also keine machtfreien Räume in der Gesellschaft (Kneer 2013: 268). Demnach verändert sich auch die Form der Kritik, da Macht an sich bei Foucault nicht überwunden werden kann:

„Machtbeziehungen sind tief im sozialen Nexus verwurzelt und bilden daher keine zusätzliche Struktur oberhalb der „Gesellschaft“, von deren vollständiger Beseitigung man träumen könnte.[…]Denn dass es keine Gesellschaft ohne Machtbeziehungen geben kann, bedeutet keineswegs, dass die bestehenden Machtbeziehungen notwendig sind oder dass Macht inner­halb der Gesellschaft ein unabwendbares Schicksal darstellt, sondern dass es eine ständige politische Aufgabe bleibt, die Machtbeziehungen und den „Agonismus“ zwischen ihnen und der intransitiven Freiheit zu analysieren, herauszuarbeiten und in Frage zu stellen, ja dass dies sogar die eigentliche politische Aufgabe jeglicher sozialer Existenz darstellt.“ (Foucault 2005: 258f.).

Für Öcalan kommt gerade diese Art der Definition von Macht einer Kapitulation gleich und er ist sogar der Auffassung: „Wenn Einschätzungen dieser Art im Namen einer Ideolo­gie und Bewe­gung für Freiheit und Gleichheit nicht bewusst getroffen werden, so sind sie eine un­be­wusste Folge der Loyalität zum Macht-Komplex“ (vgl. Öcalan 2015: 47). Macht ist aller­dings ein soziales Verhältnis und kann auch nur in diesem Rahmen existieren, denn „Macht kann man nicht für sich allein besitzen, Macht hat man nur in Bezug auf andere Personen“ (Imbusch 2013: 13). Es ist also auch die Frage entscheidend, wer die Macht in einer Gesellschaft hat und so formuliert Öcalan:[1]
Demokratischer Konföderalismus in Rojava. Ein Versuch zur Überwindung von Macht
Rojava-Kurdistan. Ein Staat, den es (noch) nicht gibt
$Rojava-Kurdistan. Ein Staat, den es (noch) nicht gibt$
Autor: Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Erscheinungsort: Deutschland
Verleger: Universität Heidelberg
Veröffentlichungsdatum: 2018

1. Einleitung
2. Verteilung der kurdischen Bevölkerung auf unterschiedliche Nationalstaaten
a) In der Türkei
b) Im Iran
c) Im Irak
d) In Syrien
e) In der Diaspora
3. Die Kurden in Syrien vor dem syrischen Bürgerkrieg
4. Die Rolle der Kurden im syrischen Bürgerkrieg ab 2011
a) Die Errichtung des de facto Staates Rojava in Nordsyrien
b) Der Kampf der Kurden gegen den Islamischen Staat
c) Der Kampf der türkischen Regierung gegen die YPG in Nordsyrien und weitere aktuelle Entwicklungen
5. Zukunftsperspektiven für die kurdische Bevölkerung in Syrien
6. Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Übersichtskarte über die Verteilung der kurdischen Bevölkerung
Abbildung 2: Bevölkerungsgruppen in Syrien und im Libanon
Abbildung 3: Überblick über die kurdischen Migrationsbewegungen
Abbildung 4: Überblickskarte über das Arabisierungsprojekt 1973
Abbildung 5: Grenzen des de-facto Staates Rojava-Kurdistan im Februar 2014
Abbildung 6: Ausgangslage zur Schlacht um Kobanê Mitte September 2014
Abbildung 7: Lage des Hügels Mashtanour, von dem aus die Kämpfer des IS Kobanê unter Beschuss nahmen.
Abbildung 8: Grenzen des de-facto Staates Rojava-Kurdistan im Juni 2015
Abbildung 9: Grenzen des de-facto Staates Rojava-Kurdistan im Oktober 2016
Abbildung 10: Territoriale Aufteilung der Kriegsparteien in Syrien (Stand: Dezember 2017)
Abbildung 11: Territoriale Gliederung Nordwestsyriens unmittelbar vor Beginn der Operation Olivenzweig
1. Einleitung
Es handelt sich bei den Kurden um eine westasiatische Ethnie, die als autochthone ethnische Volksgruppe in der Türkei, im Iran, im Irak und in Syrien vertreten ist. Da es keinen kurdischen Staat gibt, werden die Kurden häufig als Volk ohne eigenen Nationalstaat bezeichnet. Sie sind politisch und in der Ausübung ihrer Kultur in den betroffenen Nationalstaaten regelmäßig eingeschränkt. Somit existiert eine große kurdische Diaspora in angrenzenden Staaten und vor allem in Europa. Es existiert eine eigene kurdische Sprache, die außer im Irak jedoch keine Amtssprache der entsprechenden Nationalstaaten ist. Die kurdische Bevölkerung gehört meistens den sunnitischen Muslimen an. Es gibt allerdings auch geringe Anteile an schiitischen, alawitischen, jesidischen, sonstig christlichen und jüdischen Kurden. (Haarmann, 2004, S. 201ff.)
Während des syrischen Bürgerkrieges kam es im Norden des Landes zur Ausrufung eines de-facto unabhängigen Staates Rojava-Kurdistan. Ziel dieser Arbeit soll es einerseits sein, die Situation der Kurden in den einzelnen Nationalstaaten zu beleuchten und auf die Rolle der Kurden in Syrien vor dem Bürgerkrieg einzugehen. Andererseits soll die Rolle der Kurden im syrischen Bürgerkrieg mit Fokus auf den de-facto Staat Rojava-Kurdistan untersucht werden sowie die Zukunftsperspektiven und -chancen einer kurdischen Autonomie im Norden Syriens diskutiert werden. Diese Diskussion wird auf Basis der politischen Situation in Syrien bis einschließlich Juni 2018 geführt.
2. Verteilung der kurdischen Bevölkerung auf unterschiedliche Nationalstaaten
(Rekacewicz, 2007)
Abbildung 1: Übersichtskarte über die Verteilung der kurdischen Bevölkerung
Gebiete mit mehrheitlich kurdischer Bevölkerung befinden sich im Südosten der Türkei, im Norden Syriens, im Norden des Irak, im Nordwesten und Nordosten des Iran. (vgl. Abbildung 1)
a) In der Türkei
Mit ca. 19 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen die Kurden in der Türkei die größte ethnische Minderheit dar. (Central Intelligence Agency, 2018) Die türkische Regierung betreibt eine Art Assimilierungspolitik zwischen Türken und Kurden und leugnet somit ethnische und kulturelle Unterschiede zwischen kurdischen und türkischen Volksgruppen, um die Türkei als vereinte Nation darzustellen. (Conermann & Haig, 2004) Nach Art. 42, Abs. 9 der türkischen Verfassung ist kurdischsprachiger Unterricht an staatlichen Schulen verboten. (Rumpf, 2018) Damit nimmt der türkische Staat in Kauf, gegen den Vertrag von Lausanne zu verstoßen, der es verbietet, den Gebrauch einer Muttersprache einzuschränken. Bis 1991 waren kurdischsprachige Medien komplett verboten. Seit Anfang der 2000er Jahre lenkt der türkische Staat insofern ein, als dass er kurdischsprachigen Unterricht an Privatschulen und die kurdische Sprache in Medien erlaubt. Es existiert in der Türkei eine legale politische Partei, die kurdische Interessen unterstützt. Es handelt sich dabei um die Halkların Demokratik Partisi (HDP). Neuerdings ist die HDP allerdings zunehmend politischen Repressalien ausgesetzt, so befindet sich der Vorsitzende der Partei, Selahattin Demirtaş, seit November 2016 in Untersuchungshaft. Neben der HDP gibt es in der Türkei noch eine weitere kurdische Partei, die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK), welche als militante kurdische Untergrundorganisation nicht nur von der Türkei, sondern auch u.a. von der EU oder den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Seit 15. August 1984 findet ein bewaffneter Konflikt zwischen Türkei und PKK auf türkischem Staatsgebiet mit über 40.000 Todesopfer statt. (Seufert & Kubaseck, 2006)
b) Im Iran
Die politische Situation im Iran kann grob in eine Phase unter der Schah-Herrschaft und in eine Phase der Islamischen Republik seit der Islamischen Revolution 1979 unterschieden werden.
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts gab es immer wieder Aufstände der kurdischen Bevölkerung gegen die Schah-Herrschaft. Am 22. Januar 1946 kam es schließlich zur Ausrufung einer kurdischen de-facto Republik Mahabad mit eigenem Parlament und Regierung. Nach erfolglosen Verhandlungen zwischen der iranischen Regierung und den Kurden folgte eine iranische Invasion in die Republik Mahabad, welche die Zerschlagung ebendieser zur Folge hatte. Am 30. März 1947 wurden schließlich sämtlicher Minister der ehemaligen Republik Mahabad bis auf einen einzigen hingerichtet. Bis zur Islamischen Revolution 1979 kann eine stetige Unterdrückung der Kurden durch die Pahlavi-Schahs beobachtet werden. Allerdings kam es aufgrund der massiven Unterdrückung der kurdischen Autonomiebewegung im Iran zu keinen weiteren Aufständen. Es kann von einer Art Friedhofsruhe zwischen dem Schah und der kurdischen Bevölkerung im Iran gesprochen werden. (Siegelberg, 1991)
Die repressive Politik des Schahs führte schließlich dazu, dass die iranischen Kurden die Islamische Revolution 1979 unterstützten. Sie erhofften sich in der Islamischen Republik unter Ruhollah Chomeini eine bessere Situation bis hin zu einer kurdischen Autonomie in der Islamischen Republik Iran. Jedoch gibt es bis heute keine Zusicherung von kurdischer Autonomie innerhalb des Iran. Im Juli 2005 kam es zu einer kurdischen Revolte gegen die iranische Regierung, die durch die Tötung des Kurden Schuaneh Ghaderi in der Stadt Mahabad ausgelöst wurde und 20 Todesopfer zur Folge hatte. (Hoffmann, 2009)
c) Im Irak
Unter der Herrschaft der Baath-Partei im Irak waren die Rechte der Kurden sehr eingeschränkt. Es gab zwar zwischen 1970 und 1974 eine begrenzte kurdische Autonomie im Irak, 1988 zeigte der Giftgasangriff auf Halabdscha jedoch die angespannte und repressive Politik der irakischen Regierung gegenüber der kurdischen Bevölkerung. Dies führte dazu, dass die Kurden im 3. Golfkrieg 2003 die USA beim Sturz Saddam Husseins und bei der Eroberung nordirakischer Städte unterstützten. Seitdem ist eine enge Kooperation zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den irakischen Kurden zu beobachten. Ein weiterer Konflikt besteht zwischen den irakischen Kurden und der Türkei, die eine Zusammenarbeit der irakischen Kurden mit der türkischen PKK unterstellt. So kam es immer wieder zu Militäroffensiven der türkischen Armee im Nordirak. Der letzte größere Militäreinsatz der türkischen Armee fand im Februar 2008 statt. Allgemein ist festzustellen, dass die kurdischen Autonomiebestrebungen im Irak zu Konflikten mit der Türkei führen, da die Türkei eine ähnliche Entwicklung auf ihrem Staatsgebiet befürchtet. Seit dem Sturz Saddam Husseins im 3. Golfkrieg 2003 gewährt die irakische Verfassung den Kurden im Nordirak umfangreiche Selbstbestimmungsrechte, welche zur Gründung der Autonomen Region Kurdistan in den Gouvernements Sulaimaniyya, Erbil, Dahuk und Halabdscha​ führte. (Özdemir, 2006)
Die Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan ist Erbil. Die Region hat einen eigenen Präsidenten, momentan Masud Barzani, und mit den Peschmerga eigene kurdische Streitkräfte. Es gibt Randregionen der Autonomen Region Kurdistan, die zwischen den Kurden und der irakischen Zentralregierung umstritten sind. Dazu gehört u.a. die Stadt Kirkuk, die lange unter kurdischer Kontrolle war, nach dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum im September 2017 jedoch wieder unter irakische Kontrolle fiel. Die kurdischen Peschmerga-Kämpfer spielten seit 2014 eine wichtige Rolle im Kampf gegen dem Islamischen Staat im Irak. Seit des kurdischen Unabhängigkeitsreferendums 2017 kommt es vermehrt zu Spannungen zwischen der irakischen Zentralregierung und der Autonomen Region Kurdistan, so erklärte das oberste Gericht im Irak das Referendum für verfassungswidrig. Auch die Spannungen mit den Nachbarstaaten Iran und Türkei nahmen in der Folge des Unabhängigkeitsreferendums zu, was zur zeitweisen Schließung der Landesgrenzen zwischen der Autonomen Region Kurdistan und der Türkei bzw. dem Iran führte. Trotz des positiven Ausgangs des Referendums wurde bis jetzt – vermutlich u.a. aufgrund internationalen Drucks – keine kurdische Unabhängigkeit im Nordirak ausgerufen. (Dolmari, 2018)
Die Autonome Region Kurdistan könnte ein Vorbild für eine kurdische Autonomie in Nordsyrien sein.
d) In Syrien
(Balanche, 2015)
Abbildung 2: Bevölkerungsgruppen in Syrien und im Libanon
Die kurdische Bevölkerung ist in Syrien mehrheitlich im Norden und Nordosten des Landes entlang der türkischen Grenze und entlang des nördlichen Teils der irakischen Grenze beheimatet. In den anderen Landesteilen sind andere Volksgruppen dominant. (vgl. Abbildung 2) Auf die Situation der Kurden in Syrien wird ausführlich in den Kapiteln 3, 4 und 5 eingegangen.
e) In der Diaspora
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Atlas der Globalisierung, 2007)
Abbildung 3: Überblick über die kurdischen Migrationsbewegungen
Aufgrund der Repressalien, die Kurden größtenteils in ihrer Kernregion erfahren, gibt es eine große kurdische Diaspora. Frühere Vertreibungen und Deportationen brachten die kurdischen Emigranten größtenteils in Gebiete, die der kurdischen Kernregion relativ nahe liegen. So gibt es im Libanon, in den kaukasischen Staaten Georgien und Armenien, in einigen zentralasiatischen Staaten, aber auch im Jemen, in Somalia und Eritrea einen geringen Anteil an kurdischer Bevölkerung. Heutzutage emigrieren die Kurden jedoch größtenteils nach Europa und in geringerem Maße in die USA und nach Kanada. In Europa ist das wichtigste Zielland für die kurdische Emigration Deutschland. (vgl. Abbildung 3)
Im deutschsprachigen Raum gibt es mehr als eine Million Kurden, davon lebt die überwiegende Mehrzahl in Deutschland. Die Schätzung über die Anzahl der Kurden in Deutschland ist schwierig, da es keine kurdische Staatsbürgerschaft gibt und es somit häufig schwer festzustellen ist, ob es sich bei einem Immigranten beispielsweise aus der Türkei wirklich um einen Kurden oder um einen Menschen eines anderen Volksstammes mit türkischer Staatsbürgerschaft handelt. Für Immigranten aus anderen Nationalstaaten gilt das gleiche Problem. Bis 1973 wurden zahlreiche Gastarbeiter von der deutschen Regierung unterstützt angeworben, nach Deutschland zu immigrieren. In diesem Zeitraum kamen vermehrt auch kurdische Arbeitsmigranten, vorwiegend Männer, nach Deutschland. 1973 wurde von deutscher Seite ein Anwerbestopp für Gastarbeiter durchgesetzt und es kamen deutlich weniger Arbeitsmigranten nach Deutschland. Ab 1973 ist die kurdische Immigration nach Deutschland politischen Krisen in der kurdischen Kernregion geschuldet. Beispiele für Auslöser vermehrter kurdischer Migrationsbewegungen nach Europa und Deutschland sind der Militärputsch 1980 in der Türkei, der Türkei-PKK-Konflikt oder der Giftgasangriff 1988 auf Halabdscha im Irak.
Die kurdische Bevölkerung ist in der Kurdischen Gemeinde in Deutschland e.V. (KGD) als Dachverband der Kurden in Deutschland organisiert. Es gibt zahlreiche und immer wiederkehrende gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Türken auch auf deutschem Gebiet. (Cacan, 2016)
3. Die Kurden in Syrien vor dem syrischen Bürgerkrieg
Bis 1918 erstreckte sich das Osmanische Reich u.a. auf dem Gebiet des heutigen Syriens. 1918 wurde das Osmanische Reich aufgelöst und von 1922 bis 1946 war Syrien zusammen mit dem Libanon ein französisches Völkerbundmandat (Mandat français sur la Syrie et le Liban). Im Jahre 1946 erreichte Syrien schließlich seine Unabhängigkeit. (Baron, 2014)
Im Jahre 1957, ca. 11 Jahre nach der Unabhängigkeit Syriens, wurde die erste kurdische Partei in Syrien gegründet. Es handelt sich dabei um die Demokratische Partei Kurdistan-Syrien (DPKS). Ziele der DPKS waren u.a. die Förderung der kurdischen kulturellen Rechte, der wirtschaftliche Fortschritt in Syrien und ein demokratischer Wandel. Die DPKS wurde vom syrischen Staat nie offiziell anerkannt, weshalb die DPKS eine Untergrundorganisation in Syrien blieb. Zahlreiche Mitglieder der DPKS wurden wegen Separatismus angeklagt und eingesperrt. Später zerfiel die DPKS erst in zwei Flügel, zersplitterte dann immer mehr und spielt in der heutigen politischen Landschaft Syriens quasi keine Rolle mehr. (Strohmeier & Yalçın-Heckmann, 2003)
1962 beschloss die syrische Regierung per Dekret, eine Volkszählung in der Provinz al-Hasaka durchzuführen. Aus dieser Volkszählung resultierte, dass 120.000 Kurden (20 % der syrischen Kurden) zu Ausländern erklärt wurden. Medienkampagnen wie „Rettet das Arabertum in der Dschazira!“ oder „Bekämpft die kurdische Bedrohung!“ begleiteten die Volkszählung. (KurdWatch, 2010)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Kara, 2016)
Abbildung 4: Überblickskarte über das Arabisierungsprojekt 1973
1965 plante die syrische Regierung, beduinische Araber entlang der syrisch-türkischen Grenze von der irakischen Grenze im Osten bis Ras-al-Ain im Westen anzusiedeln. Die kurdischen Ortsnamen wurden arabisiert und es war geplant, 140.000 Kurden in die Wüste zu deportieren und kurdische Bauern zu enteignen. (Liebscher, 2013)
1986 wurde die Feier zum kurdischen Neujahresfest Nouruz im kurdischen Viertel von Damaskus durch syrische Sicherheitskräfte beschossen. Dabei kam es zu einem Todesopfer. In der Folge fanden weitere Unruhen in den Kurdengebieten in Nordsyrien statt. Dabei muss aber angemerkt werden, dass die syrische Regierung bei der Niederschlagung der kurdischen Proteste auch von kurdischen Spezialeinheiten unterstützt wurden. Teile der kurdischen Bevölkerung kämpften dabei also gegen ihren eigenen Volksstamm. Auch das Massaker von Hama im Jahre 1982, welches sich gegen die sunnitische Muslimbrüderschaft richtete, wurde durch kurdische Spezialeinheiten unterstützt. (Wanlî, 1988)[1]
Rojava-Kurdistan. Ein Staat, den es (noch) nicht gibt
Der Aufschwung kurdischer Politik
Buch: Der Aufschwung kurdischer Politik
Autor: Günter Seufert
Erscheinungsort: Berlin
Verleger: Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut
Veröffentlichungsdatum: 2015
$Der Aufschwung kurdischer Politik: Zur Lage der Kurden in Irak, Syrien und der Türkei$
Jahrzehntelang galten die etwa 29 Millionen Kurden, die in der Türkei, in Iran, Irak und Syrien leben, primär als Gefahr für die territoriale Integrität dieser Staaten und damit für die Stabilität der Region. Heute ist diese Region von Staatszerfall, überbordendem Terror und Tendenzen einer Auflösung der Ordnung gekennzeichnet, die nach dem Ersten Weltkrieg geschaffen worden war. Im Zuge dieser Entwicklungen haben sich auch die Lage der Kurden und die Rolle, die sie in der regionalen Politik spielen, grundlegend geändert...[1]
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